Wer sie trug, galt als proletarisch, niveau- und kulturlos; Etablierte wetterten gegen sie, an manchen Schulen war sie gar verboten: Die Jeans hat in den 1950er Jahren keinen leichten Stand - heute ist sie fast auf der ganzen Welt Beinkleid Nummer Eins.
Was die populäre Denimhose vor knapp 60 Jahren erdulden musste, kann man heute auf die Jogginghose übertragen: Wer sie trägt, muss dem voreiligen Schluss nach entweder HipHopper, Hartzer oder Mafiosi sein und hat, so Karl Lagerfeld, "die Kontrolle über sein Leben verloren".
Der Knigge-Rat will die liebevoll "Jogger" genannte Baumwollhose ausschließlich im Freizeitbereich sehen und keinesfalls in der Öffentlichkeit. Stilberater raten als Alternative zur Jeans oder der guten alten Anzughose allerhöchstens noch zur Leinenhose im Sommer oder zur Cordhose im Winter - es bliebe also die Wahl zwischen Modell "Althippie" oder "Soziologie-Student".
Immerhin trägt der Durchschnittsdeutsche seine bequeme Schlupfhose mehr als drei Stunden am Tag - doch hauptsächlich zum Sport, zum Lümmeln auf der Couch und allerhöchstens für den Weg zum Bäcker oder für die Gassirunde mit dem Hund. Nur einer von hundert Deutschen gibt zu, die Jogginghose cool zu finden und sie gerne in der Öffentlichkeit zu tragen.
Ist dieser bewusste Jogginghosenträger ein einsamer Rebell? Ein moderner James Dean? Ein Kämpfer für Individualität und Freiheit, der aufbegehrt gegen das Establishment wie der Jeansträger der 1950er Jahre? Auf jeden Fall muss er tiefenentspannt und mit gesundem Selbstvertrauen ausgestattet sein.
Das erfährt am eigenen Leib, wer sich in Jogginghose zur Arbeit wagt, selbst wenn es sich um ein Designermodell in der Preisklasse einer Markenjeans und eben um nicht die ausgebeulte Gammelbuchse handelt: Die Reaktionen auf das modische - und manchmal auch ideologische - Statement schwanken zwischen Respekt vor soviel Mut und absolutem Unverständnis, zwischen "Find ich toll, sieht gut aus" und "Pass auf, dass der Chef Dich so nicht sieht".
Langer Weg zur Anerkennung
Die Jeans hat von ihrer Erfindung bis zur gesellschaftlichen Anerkennung etwa hundert Jahre gebraucht. Bei der Jogginghose, seit den 1970er Jahren modisch auch außerhalb von Turnhallen und Fitnessstudios ins Blickfeld geraten, sollte es etwas schneller gehen.
Mit businesstauglichen Modellen verpassen etablierte Modedesigner der Jogginghose, dem einstmaligen Albtraum mit Gummibund, ein neues Image. Gerade in der Kreativbranche, wo Trends geboren werden, heben sich Individualisten gerne mit gewagten Outfits hervor. Und da die Jeans als Distinktionsmerkmal längst ausgedient hat, muss die Jogginghose in die Bresche springen.
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Doch bietet sie auch extrem viele Fettnäpfchen; die Balance zwischen Lässigkeit und Eleganz zu finden wird zum Tanz auf dem Seil. Wer Ballonseide, Streifen an der Außennaht oder große Lettern am Oberschenkel trägt, braucht sich nicht zu wundern, wenn er belächelt wird.
Auch Hemd oder Bluse wirken oft deplatziert, lieber ein einfarbiges Shirt kombiniert mit einem Cardigan, Sakko oder Blazer. Laufschuhe wären naheliegend, doch als sportliches Modell kommen allerhöchstens unauffällige Sneaker in Frage. Lederschuhe funktionieren zur Jogger meist nur als Halbstiefel, Hosenbein im Schaft versteht sich.
Zumindest den Vorwurf einer Modesünde muss man sich so gekleidet nicht gefallen lassen. Wenn der moderne Jogginghosenrebell am heutigen internationalen Tag der Jogginghose dennoch gehänselt wird, bleibt ihm Trost gleich doppelt: Der Jeans, einst Symbol einer aufbegehrenden Jugend, ist bis heute ein Gedenktag verwehrt. Und zudem hat der Rebell in Baumwollschlupf wenigstens noch die Hoffnung auf eine ehrliche Umarmung. Denn der 21. Januar ist gleichzeitig der internationale Tag des Knuddelns.