Süddeutsche Zeitung

Farbdesign:Mit Gefühl durch die Wand

Designerin Anna von Mangoldt mischt in ihrer kleinen Manufaktur Rezepturen gegen weiße Wände. Herauskommen Interior-Farben, die Emotionen transportieren.

Von Anne Goebel

Der junge Baron gibt sich lässig elegant, in Graublau mit Anklängen von robustem Denim. Dabei ist er eigentlich gar nicht mehr jung, ein Endfünfziger, Gutsbesitzer, Schlossherr, Bio-Pionier - aber für die Farbdesignerin Anna von Mangoldt ist ihr Onkel unangepasst geblieben, ein Querkopf. Und deshalb hat sie eine ihrer Lieblings-Wandfarben nach ihm benannt, "Der junge Baron" eben. Ein unkompliziertes Jeansblau.

Westfälische Herrenhäuser, das "von" im Namen: Bei der Erfolgsgeschichte der Gestalterin Anna von Mangoldt waren ihre Herkunft und die ersten Aufträge im Bekanntenkreis anfangs durchaus hilfreich. "Bei so einem Namen schwingt vielleicht für manch einen was mit", sagt sie selbst. Und ergänzt norddeutsch trocken, "aber mehr ist nicht". Was bedeutet: Die Entwicklung vom Start-up zur ernst zu nehmenden Innenausstatterin hat die Mutter einer kleinen Tochter schon selbst bewerkstelligen müssen.

Es begann mit ersten Experimenten und viel Farbgetropfe im Keller der Eltern. Heute hat Anna von Mangoldt ihre Marke etabliert und betreibt eine der wenigen Farb-Manufakturen in Deutschland, die in einer Liga spielt mit führenden britischen Produzenten: Farrow and Ball oder Little Greene. Solche Firmen gehen ja inzwischen vielen Designfreunden spielend über die Lippen.

Vor ein paar Jahren waren sie nur überzeugten Anglophilen ein Begriff. Dass auch auf dem Kontinent in der Inneneinrichtung alles bunter geworden ist, weg vom skandinavischen Purismus, kommt kleinen Herstellern wie Anna von Mangoldt zugute. In Fachmagazinen und Blogs strahlen die Zimmerfluchten oder Superlofts schon länger in Petrol oder Aprikosentönen. Inzwischen koloriert auch der durchschnittliche Möbelhauskunde daheim mindestens die Küchenwand. In "Annas Blau" zum Beispiel oder "Sanssouci"-Gelb.

Mangoldt hat 168 Farben im Sortiment, und allein die Namen zu studieren, ist ein Vergnügen. Von "Mayfair", vornehm blass, über die wassergrüne "Euridice" bis zum distinguierten "Buddenbrooks"-Grau: Farben transportieren Emotionen, und bei jedem weckt die Lektüre der Bezeichnungen wahrscheinlich unterschiedliche Assoziationen. Auf jeden Fall wird der bildungsbürgerliche Kanon im Hintergrund deutlich. Anna von Mangoldt mag Matisse, liest gern deutsche Klassiker und hat in England Kunstgeschichte studiert.

Die wirklich feinen Farben gibt es nicht im Kübel von Obi

Längst sind die Baumärkte auf den Zug aufgesprungen und verkaufen die gute alte "Wandfarbe innen" in allen Tönen des Regenbogens. Zu einem viel geringeren Preis als bei den englischen Marken oder den kleine Manufakturen. Wer sich den aufwendigen Entwicklungs- und Herstellungsprozess erklären lässt, kann aber nachvollziehen, dass eine Dose feine Farbe nicht dasselbe ist wie ein Kübel von Obi. Die Deckkraft ist anders, die Intensität und Tiefe.

Anna von Mangoldt spricht von der "Sanftheit" ihres Anstrichs, was mit der Basis zu tun hat, einer sogenannten Kreidefarbe. Chalk Paint wurde ursprünglich von der Britin Annie Sloan entwickelt und gilt, neben der samtigen Oberfläche, als besonders vielseitig, verwendbar für Möbel genauso wie für Wände.

Nach Versuchen mit verschiedenen Herstellern produziert Mangoldt ihre Kreideemulsion selbst. Für die Farbnuancen mischt sie die Pigmente per Hand im Atelier, hellt auf, dunkelt ab. "Es ist jedes Mal überraschend, was dabei herauskommt", sagt sie. Das ist ihr Lieblingspart, gerade hat sie die neue Kollektion fertiggestellt. In der Firma hilft auch ihre Mutter mit, sechs Mitarbeiter sind in dem Betrieb im westfälischen Warburg angestellt. Zu kaufen gibt es die Farben bei Händlern in Deutschland, Österreich und der Schweiz, wobei sie am liebsten mit Kunden direkt zusammenarbeitet.

Deutsche sind vorsichtig - alles soll für die Ewigkeit sein

Farbberatung gehört zum Geschäft, inzwischen kennt sie den Geschmack der Deutschen beim Einrichten ganz gut. Es gebe viel mehr Skepsis, mehr Zaudern beim Griff nach Farbe als etwa in Großbritannien, wo man entspannter mit Experimenten umgehe - auch mit Fehlern. "Klar kann es passieren, dass einem eine Nuance doch nicht hundertprozentig gefällt. Aber ein Anstrich ist nichts für die Ewigkeit. Man sollte auch mal etwas wagen."

Um Fehlanstriche zu vermeiden, verleiht Anna von Mangoldt große Farbkarten im Din-A4-Format, die Interessenten zu Hause aufhängen und die Wirkung von Waldgrün oder loderndem Pink ausprobieren können. Außerdem bietet sie für zehn Euro kleine 125-ml-Dosen Kreidefarbe an, mit denen man erst mal einen Stuhl färben kann, bevor das ganze Esszimmer an der Reihe ist.

Dass nicht nur Kunden, sondern auch Architekten in Deutschland mehr zur vorsichtigen Optik neigen als zur knalligen Gestaltung, hat Anna von Mangoldt ironisch mit ihrer Farbe Nummer 156 ausgedrückt. Ein eher unaufregender Grauton, Name: "Architect's delight", die Freude des Architekten.

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SZ vom 14.03.2020/vs
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