Wohnen:Schaum mal einer an! Die Badewanne ist zurück

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Schauspielerin Alicia Bonet telefoniert beim Schaumbad. Die Szene stammt aus dem mexikanischen Spielfilm "Rubi" (1970). Damals in: die Einbauwanne. (Foto: imago stock&people)

Sie war schon immer Statussymbol, stand für ein behagliches Leben, für Luxus und Glamour. Gerade entdecken Innendesigner die Badewanne aufs Neue und spielen dabei mit Formen und Materialien.

Von Titus Arnu

Die Menschheit lässt sich grob unterteilen in Badende und Duschende. Die einen schwören auf die schnelle Erfrischung unter der Brause, die anderen gönnen sich regelmäßig ein Vollbad. Duschern widerstrebt die Vorstellung, beim Baden in der eigenen Suppe zu dümpeln, Badern fehlt beim Duschen der Wellnessgedanke. Werner Aisslinger ist ein Wannenfan: "Baden ist wie Joggen - eine halbe Stunde kann man immer in den Alltag einbauen, und der Effekt ist groß." Wenn es zeitlich hinhaut, badet er jeden zweiten Tag, im Winter gerne täglich. Dabei geht es ihm nicht nur um die Körperpflege, das Vollbad hat für ihn fast etwas Spirituelles: "Nach einem anstrengenden Tag ist das für mich wie Meditation."

Aisslinger zählt zu den erfolgreichsten deutschen Industriedesignern, Möbelhersteller wie Vitra, Rolf Benz oder Interlübke setzen auf die Produktentwürfe des gebürtigen Schwaben, der in Berlin lebt und dort auch das hippe 25hours-Hotel gestaltet hat. Für den Ausstatter Kaldewei hat er zusammen mit seiner Kollegin Tina Bunyaprasit Wannen entworfen, die durch ihre Formen und Farben aus der monochrom weißen Badezimmerwelt herausstechen.

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Das freistehende Modell "Tricolore" ist in zwei Farben emailliert, die dritte Farbe kommt durch ein tragendes Gestell mit vier Füßen ins Spiel. Beim Modell "Grid" scheint die Wanne in einer rötlichen Gitterstruktur zu schweben, die auch als Halterung für Accessoires, Handtücher oder Pflanzkübel dient. Aisslingers "Cowork Bath" - ein Entwurf für eine Ausstellung in der Münchner Pinakothek der Moderne - ist ein Hybridmodell: eine Badewanne im Arbeitsumfeld, die "Wellbeing mit Coworking symbiotisch zusammenbringt."

Die Badewanne als Kunstobjekt in einem trendigen Coworking-Loft? Da stellt sich die Frage, wie man entspannt baden soll, während andere um einen herum arbeiten - und umgekehrt. Kaum jemand wird sich so eine praxisferne Designstudie ins Büro einbauen lassen, aber sie zeigt ganz gut die Entwicklung der Badewanne vom rustikalen Waschzuber zum Heiligen Gral des Badezimmerdesigns. Der britische Designer Jasper Morrison hat gesagt, dass es die größte Kunst für einen Produktdesigner sei, eine Badewanne zu entwerfen. Morrison gilt als einer der einflussreichsten Designer der Welt, Arbeiten von ihm sind im Museum of Modern Art in New York zu sehen - aber seine Wanne für den Hersteller Ideal Standard wirkt so unspektakulär, als hätte man sie beim Baumarkt gekauft: weiß, glatt, außen rechteckig, innen oval, ergonomisch sinnvoll geformt.

"Tricolore"-Wanne von Kaldewei (Designer: Werner Aisslinger). (Foto: Kaldewei/Studio Aisslinger)

Vom Waschtrog aus grob gehobeltem Holz über Morrisons Idealwanne bis zum digitalisierten Cowork Bath ist es ein weiter Weg. Als es in den Häusern noch kein fließendes Wasser gab, wuschen sich die Menschen in einem Zuber aus Holz oder Metall, das Wasser wurde auf dem Herd erhitzt und mit Eimern eingegossen. Die älteste Badewanne haben Archäologen auf Kreta ausgegraben, sie ist mehr als 4000 Jahre alt und ähnelt den heutigen Wannen, bloß hatten die bemitleidenswerten Kreter damals kein warmes Wasser.

Die wahre Badewannenkultur begann 1500 vor Christus bei den Ägyptern, die erstmals fließendes heißes Wasser benutzten. Perfektioniert wurde das heiße Bad dann von den Römern. Napoleon, der nie ohne seine kupferne Reisebadewanne in den Krieg zog, empfing seine Offiziere gerne unter Volldampf. Um 1900 dominierte die Porzellanwanne das englische Badezimmer - am besten auf majestätischen Löwenfüßen. In der amerikanischen Nasszelle, die ihren Ursprung im Hotel hat, wurde die Wanne dann aus Platzgründen minimalisiert und praktisch in eine Ecke eingemauert.

Dass die Badewanne aber auch ein Statussymbol ist, Sinnbild für ein behagliches Luxusleben, zeigte die Reaktion auf die 31 Millionen Euro teure Residenz des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst. Es war weniger die Privatkapelle oder der edle Konferenzbereich, der die Öffentlichkeit erregte, sondern die etwas zu hochwertige Badewanne (Kosten: 4000 Euro inklusive Montage). Der Bischof trat dann Anfang 2014 auch reumütig zurück, um die Schaumschlägerei zu beenden. Nun rückt die Wanne wieder ins Zentrum. In den vergangenen Jahren haben sich Möbelindustrie und Wohnmagazine einen Raum nach dem anderen vorgeknöpft: Esszimmer, Küche und Wohnzimmer wurden zu einem Raum verschmolzen, nun kommt das Bad dran. Es gibt viel zu tun. "Eigentlich ist das der intimste Raum, aber trotzdem werden bei uns dort die härtesten Materialien verbaut - Stahl, Emaille, Fliesen", sagt Werner Aisslinger, "für die menschliche Haut ist das nicht ideal." Doch das ändert sich nun, Badewannen werden mit Holz und Textilien verkleidet. Innenarchitekten propagieren die Verschmelzung von Schlaf- und Badezimmer, platzieren Wannen direkt an Panoramafenster, planen luxuriöse Wellness-Bäder mit offenem Kamin.

Die Wanne aus der Kollektion "Unico" von Rexa Design bietet viel Ablageplatz. (Foto: Rexa Design)

Der deutsche Hersteller Bette kleidet das Modell "Lux Oval Couture" in wasserbeständigen Stoff ein. Das "Egg" von Rexa ist eine Kreuzung aus Regal und eiförmiger Wanne. Der italienische Designer Nevio Tellatin hat für die Marke Antonio Lupi das Modell "Biblio" entworfen, eine Kreuzung aus Bücherschrank und Badewanne. Als wäre die Berieselung mit Wasser nicht genug, hält die Digitalisierung Einzug in die Wannenwelt: Hersteller bauen Unterwasser-Lautsprecher, LED-Displays und anderen Schnickschnack ein. Villeroy & Boch hat das Modell "Squaro Prestige Crystal Editions" entwickelt, eine mit Swarovski-Kristallen besetzte Sonderanfertigung des chinesischen Designers Steve Leung. Jeder einzelne der fast 5000 Kristalle wird präzise geschliffen und von Hand appliziert.

40 Liter vs. 120 Liter Wasserverbrauch

Der Berliner Designer Jochen Schmiddem sagt, die meisten dieser spektakulären Wannen seien nur Showobjekte: "Wofür braucht man so ein Ding überhaupt? Erst mal ist das nur ein Gefäß, in das man Wasser füllt." Sein Designstudio hat in den vergangenen 25 Jahren weit über 100 Wannen für Hersteller wie Bette, Duravit und Duscholux entworfen, dabei hat Schmiddem nie den Blick des Durchschnittskonsumenten verloren. "Man kann solche Gimmicks in Badezimmer einbauen", sagt er, "aber in der Praxis ist das uninteressant, denn putzen kann man das meist schlecht." Aus ökologischen Gesichtspunkten seien riesige Wannen für mehrere Personen sowieso verwerflich: "Da werden Ressourcen vergeigt noch und noch." Stimmt schon: Bei einem Vollbad werden etwa 120 Liter Wasser verbraucht, bei einer dreiminütigen Dusche dagegen nur etwa 40 Liter. Duschen spart Geld, Zeit und Kosten für Wasser und Energie.

So wie Jasper Morrison setzt Jochen Schmiddem eher auf Understatement, er geht immer zuerst von der Funktion aus, nicht von der Form. Gibt es genug Platz für eine Wanne im Badezimmer? Passt sie ergonomisch gleichermaßen für Frauen und Männer? Im Produktdesign sei die Badewanne ein "wunderschönes Thema, das man aber knallhart angehen muss - ergonomisch, ökonomisch, ökologisch." Gerade bei Badewannen setzt Jochen Schmiddem auf zeitloses, schlichtes Design und beste Qualität: "Das muss schließlich für 20, 30 Jahre halten." Das Modell "Blue Moon", das er für Duravit entworfen hat, ist eine kreisrunde Wanne mit 1,40 Meter Durchmesser und Holzelementen am Rand, sie erinnert an einen Bootssteg oder einen Whirlpool und ist auch mit Sprudeldüsen zu haben.

Das Modell "Dressage" mit Walnuss-Verkleidung von Graff. (Foto: Graff)

Beide Baddesigner sind sich einig, dass sie auf zu viel Technik gut verzichten können. Smart-Home-Geräte im Badezimmer sollen Gesundheitsdaten, Nachrichten, E-Mails und soziale Netzwerke auch bei der Körperpflege verfügbar machen. "Brauche ich persönlich nicht!", meint Werner Aisslinger. Jochen Schmiddem zündet im Bad gerne ganz altmodisch eine Kerze an. Aus seiner Badewanne schaut er auf einen Kamin, in dem im Winter oft ein Holzfeuer knistert: "Da können Sie noch so oft duschen, gegen so ein Vollbad ist das gar nichts."

© SZ vom 15.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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