Hommage an die Calvin-Klein-Boxershorts:Darunter, darüber, daneben

Calvin Klein machte aus der Unterhose einst eine Liebeserklärung an den männlichen Körper. Vorbei waren die Zeiten von Feinripp-Liebestötern. Inzwischen hat die Art und Weise, die Marken-Unterwäsche zu präsentieren, aber ihren Sinn verloren.

Martin Anetzberger

Als Mark Wahlberg 1991 in einem Werbespot für Calvin Klein den Bund seiner blütenweißen Boxer Briefs über der tiefsitzenden Jeans hervorblitzen ließ, sich dann der Jeans entledigte und sich schließlich in den Schritt fasste, hätte das auch peinlich sein können. Aber der muskulöse Wahlberg, damals noch als Rapper Marky Mark bekannt, galt als cool, sexy - und machte den Spot zu einem großen Aufreger. In den 80er Jahren übliche Männer-Unterbekleidung, zum Beispiel Feinripp-Schlüpfer mit Eingriff oder Dreieck-Slips, trug man aus gutem Grund nicht so offen zur Schau. Ein Zustand, den der Modedesigner Klein nicht länger hinnehmen wollte.

Mit durchtrainierten Models wie Wahlberg machte er die Unterhose zur Überhose und revolutionierte die Mode. Oder zumindest so manche Wäscheschublade der westlichen Welt.

Ausgeleierte Liebestöter, die Männer nicht mehr tragen und Frauen nicht mehr sehen wollten, hatten ausgedient. Der Designer setzte auf ein straffes Gummiband mit seinem Namen als Schriftzug. Daran nähte er eine meist in schlichten Tönen gehaltene Unterhose, die die Formen des Mannes sowohl vorne als auch hinten mehr betont als verbirgt, und auch einen Teil der Schenkel eng umschließt. Boxer Briefs nennt sich diese figurbetonte Variante der Boxershorts.

Vom modischen Tabubruch zur Styling-Unsitte

Sexy sollte die Unterwäsche des Mannes sein, und er sollte sie zeigen. Nicht nur der Frau im heimischen Schlafzimmer, sondern auch in der Öffentlichkeit - ein Tabubruch. Calvin Klein, der an diesem Montag 70 Jahre alt wird, ist mitverantwortlich dafür, dass Männer in Slips heute für so manche Frau eine attraktivere Erscheinung darstellen als ganz nackte.

2003 verkaufte Klein sein Unternehmen, in jenem Jahr, als der schwedische Fußballer Fredrik Ljungberg mit seinem Astralkörper die Plakatwände zierte. Er steht sinnbildlich für eine neue Generation von Klein-Models, die keine Skandale mehr provozieren, sondern einfach hübsch anzusehen sind. Von Kleins modischem Aufbruch geblieben ist lediglich die Unsitte, den Schriftzug über der Hose lesbar zu halten.

Mark Wahlberg für Calvin Klein

Als eine weiße Männerunterhose noch zum Tabubruch reichte: Mark Wahlberg, alias Marky Mark, in einer Calvin-Klein-Werbung von 1991.

(Foto: Calvin Klein)

Junge Männer wollen sich damit als modebewusst präsentieren und zeigen, dass sie sich das Designer-Darunter leisten können. Aus Kleins Hommage an den männlichen Körper ist Protzerei geworden, die sich nicht selten mit dem "Hey Oida"-Slang von Jugendlichen mischt. Wegen der kurz über den Kniekehlen hängenden Jeans bleibt der gewährte Einblick dabei nicht auf den Bund beschränkt.

Mittlerweile geht der Trend so weit, dass männliche Jugendliche sogar unter ihren Badehosen Boxershorts tragen, nur um des Schriftzugs einer Marke Willen. Ein Phänomen, das nicht auf Calvin Klein beschränkt bleibt, längst produzieren andere Hersteller ähnliche Modelle.

Das ändert nichts daran, dass dieser Trend weder nachvollziehbar noch optisch ansprechend ist. Und das hängt nicht nur damit zusammen, dass die meisten Männer nicht den Körper eines Mark Wahlberg haben. Selbst der würde mit dieser Kombi lächerlich aussehen.

Eine Unart, vergleichbar mit der Vorliebe mancher Frauen, über Hüftjeans mehr oder weniger freiwillig ihre Tangas für die Umwelt sichtbar zu machen. Ästhetik sieht anders aus.

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