Homestorys über Prominente:Hängebauchschwein und Himmelbett

Kennedy-Witwe enthüllt in Gespräch delikate Details

Öffneten den Fotografen häufig die Türen: Jacqueline und John F. Kennedy.

(Foto: dpa)

John F. Kennedy, George Clooney und Yanis Varoufakis: Warum Prominente immer wieder ihr Haus für Fotografen öffnen - und das fürchterlich schiefgehen kann.

Von Christian Mayer

Das neue Anwesen von George Clooney und seiner Frau Amal liegt idyllisch im Westen von London und verfügt über diesen leicht verwitterten Charme der englischen Aristokratie, der in den Romanen von Evelyn Waugh oder in der Fernsehserie "Downton Abbey" beschworen wird.

Wer sich für das angeblich zehn Millionen Pfund teure "Mill House" aus dem 17. Jahrhundert interessiert, muss gar nicht unbedingt in den Kreis Oxfordshire fahren; es reicht ein Besuch im Internet, wo man fast täglich neue Details über die Clooneys und ihre Wohnvorlieben erfährt sowie jede Menge "exklusiver Fotos" anklicken kann, die offenbar von Drohnen-Paparazzi aus der Luft geschossen wurden.

Flucht aus dem Alltag

Das historische Gebäude mit den neun Zimmern und acht Bädern verfügt über einen Gästetrakt im Grünen, eine Bibliothek, Fitnessräume und ein Bootshaus mit Anlegestegen direkt an der Themse. Die neuen Eigentümer haben zudem jede Menge Kameras und Lichtschranken auf dem Grundstück installieren lassen, um ungebetene Gäste künftig fernzuhalten.

Schon seltsam: Das neue Haus der Clooneys ist schon fast Allgemeingut, obwohl die neuen Eigentümer noch nicht mal eingezogen sind und momentan alles dafür tun, um ihre Privatsphäre zu schützen. Und dennoch bekommen wir kaum genug davon - mit Sicherheit wird es bald weitere Enthüllungsgeschichten über die Inneneinrichtung des Hauses geben, einschließlich der überaus wichtigen Frage, ob das Paar bereits das Kinderzimmer eingerichtet hat, wo der Wunsch doch so groß ist.

Im Deutschen gibt es den Begriff "Homestory", der keineswegs aus dem Englischen abgeleitet ist, sondern zu den oft bizarren Eigenkreationen unserer Sprache zählt. Die Homestory zielt auf die ewige Sehnsucht des Publikums, das banale Alltagsleben für einen Moment zu verlassen. Es ist der uralte Traum, hinter die Schlossmauern zu blicken, den Palast von innen zu sehen, Mitglied am Tisch der Reichen und Schönen zu sein.

Mit der richtigen Zeitschrift oder heute auch dem Smartphone in der Hand kann man sich beinahe so privilegiert fühlen wie der Erzähler in F. Scott Fitzgeralds Gesellschaftsroman "Der große Gatsby": Der Nachbar des geheimnisumwitterten Millionärs hat stets Zutritt zu allen Partys und stellt irgendwann verblüfft fest, dass er zum einzigen Freund des Hausherrn geworden ist, zum Voyeur und zum Komplizen.

Die glitzernde Fassade der Kennedys

Eigentlich gibt es diese Art von Geschichten, seit es Medien gibt. Manche inszenieren sich nur raffinierter als andere. Wie kaum ein anderer verstand das der junge US-Präsident John F. Kennedy, der die privaten Bilder nutzte, um die Öffentlichkeit für sich einzunehmen.

Wenn es je eine perfekte Homestory gegeben hat, dann in jenen goldenen Kennedy-Jahren Anfang der Sechziger, auch wenn sich hinter der glitzernden Fassade viele Abgründe verbargen. Der lächelnde Souverän und die makellos gestylte First Lady mit ihren Kindern, die im Sonnenlicht von Cape Cod baden - das ist bis heute der Gipfel der Selbststilisierung, die Benchmark für Menschen, die nach Höherem streben oder glauben, bereits angekommen zu sein.

Urlaubsbilder des liebestollen Ministers

Das Private öffentlich zu machen kam damals auch in Westdeutschland schwer in Mode, es war die Zeit, als die großen Illustrierten noch viel Geld für Fotografen und Reporter ausgaben, die oft tagelang in den Häusern der Prominenten herumschnüffeln durften.

In den Siebziger- und Achtzigerjahren bekam man als Journalist mit dem richtigen Adressbuch nicht selten "exklusive" Audienzen bei bekannten Schauspielern, Künstlern, Sportlern und Politikern, die gerne auch mal Kennedy spielen wollten. Man denke nur an Franz Josef Strauß, der immer wieder den Versuch startete, jenseits der politischen Randale auch mal als friedfertiger Familienmensch gesehen zu werden.

Die Botschaft war plakativ wie ein Wahlplakat: Ein Politiker, der mit seiner kleinen Tochter auf dem Perserteppich in seiner Wohnung liegt und "Mensch ärgere dich nicht" spielt, kann doch nicht ganz schlecht sein.

Türen bleiben zu

Es gibt natürlich auch abschreckende Beispiele von Leuten, die ihren Ruf komplett ruiniert haben, weil die Homestory nach hinten losging. So wie beim früheren Verteidigungsminister Rudolf Scharping, der mit einer langen Fotostrecke in der Bunten seinen politischen Abgang turbomäßig beschleunigte. Dabei waren die Urlaubsbilder des liebestollen Ministers und seiner neuen Adelsfreundin im Hotelpool von Mallorca eher lachhaft als skandalös; sie kamen nur zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt, weil die Bundeswehr im Sommer 2001 kurz vor einem Einsatz in Mazedonien stand.

Der Fall Scharping lehrt übrigens auch, dass man keinesfalls die sozialen Medien braucht, um sich bis auf die Badehose zu blamieren. Es ging auch früher schon. Ohne Internet.

Angesichts der digitalen Bilderflut, die jederzeit über sie auch in Form eines Shitstorms hereinbrechen kann, sind die Prominenten heute dünnhäutiger und misstrauischer geworden. Früher posierte George Clooney immer ganz gerne mit seinen wechselnden Freundinnen in der Komfortzone von Beverly Hills, auch private Gartenfotos mit seinem geliebten Hängebauchschwein Max waren gar kein Problem; heute schottet er sich ab. Türen bleiben verschlossen, Pressetermine finden in gemieteten Hotelsuiten statt, Agenten und Assistenten schirmen ihre Klienten ab.

Prominente vermarkten sich selbst

Den Job der Hofberichterstatter erledigen die Prominenten lieber selbst, sie agieren als Alleinvermarkter, die gerne alles unter Kontrolle haben, auch die peinlichen Momente. Superstar Rihanna zeigt ihren 81 Millionen Facebook-Followern ihre Beine auf der Strandliege, Sängerin Taylor Swift (72 Millionen Likes) postet Katzenfotos aus ihrer Wohnung, und der deutsche Schauspieler Elyas M'Barek (2,3 Millionen Freunde) stellt sich wahlweise mit nacktem Oberkörper oder mit seiner ganzen Männerclique ins Netz.

Umso erstaunlicher ist es, dass die klassische Homestory immer noch funktioniert - wenn alle mitspielen. Was nichts anderes bedeutet, als dass die Prominenten die Bedingungen diktieren, unter fleißiger Mitwirkung großzügiger Sponsoren und vertraglich gebundener Medien.

Erst kürzlich öffnete Boris Becker einem ihm genehmen Reporter des deutschen People-Magazins sein Haus im Londoner Stadtteil Wimbledon. Ganz offensichtlich war diese Homestory penibel vorbereitet, kritische Fragen waren auch nicht zu befürchten; der Hausherr hatte sich an amerikanischen Vorbildern orientiert und sein Anwesen ordentlich aufpolieren lassen.

Der schwarze Flügel mit den silbergerahmten Kinderfotos, das türkisschimmernde Samtsofa, der halb offene Kamin, der zufällig neben Boris' Puma-Schuhen hindrapierte Teddybär, der süße Familienhund Daisy - alles wirkte so perfekt wie in einem Werbespot. Boris Becker und seine Frau Lilly trugen ihre guten Sachen von Ralph Lauren, wobei ihr Gala-Abendkleid doch ein wenig zu pompös für den Anlass wirkte - so inszenieren sich sonst Hollywood-Schauspielerinnen, wenn die Vogue mal wieder ein Update braucht.

Wenn Homestorys schief gehen

Vor allem die großen Lifestyle-Magazine sind sehr daran interessiert, dass in den verführerisch glänzenden Traumvillen und Strandapartments nicht nur neue Designermöbel herumstehen, sondern auch ein paar Prominente, die das Interieur beleben. Leute wie Tommy Hilfiger zum Beispiel, der kürzlich mit seiner Frau Wee die Berichterstatter von Architectural Digest nach Miami einlud, in sein Privatreich, das ein wenig so aussieht, als hätten es Andy Warhol und Stanley Kubrick in einer irren Nacht entworfen.

Im viel zu grellen Schlafzimmer darf die Aktfoto-Galerie mit der lasziven Marilyn Monroe genauso wenig fehlen wie das Himmelbett aus Edelmetall, der riesige Deckenspiegel und der weiße Flokatiteppich, in dem man knöcheltief versinkt. Durchgeknallt? Durchgestylt! Und irgendwie wirkt dieser Hilfiger-Schrein authentischer als die auf Hochglanz getrimmte Wimbledon-Wohnung von Boris Becker.

Im Grunde hat die Homestory heute den Charakter einer Theaterinszenierung, bei der die Regisseure auch die nötige Ausstattung und die Ausstatter mitbringen: Neben den Stylisten, Visagisten und Modeleuten sind das Beleuchter, Innendesigner und Prop-Lieferanten, manchmal sogar Hausverwalter, wenn die geeignete Bühne fehlt oder die Prominenten einfach mal keine Lust haben, zu Hause aufzuräumen. Erst wenn das Set fertig ist, kann das Kamerateam loslegen.

"Die griechischen Beckhams"

Yanis Varoufakis strotzte vor Selbstbewusstsein, als er im März den Journalisten von Paris Match seine Athener Wohnung zeigte. Es war, gemessen an den weltweiten Reaktionen, die Homestory des Jahres. Motiviert war sie vom grenzenlosen Mitteilungsbedürfnis des damaligen griechischen Finanzministers, der kein Zahlenmensch, sondern ein Schöngeist sein wollte. Allerdings kam es nicht ganz so gut bei den Griechen an, dass der Mann, von dem das Schicksal seiner Nation abhing, lieber für den Fotografen Klavier spielte und mit seiner Gattin auf der Dachterrasse posierte, mit Blick auf die Akropolis.

"Das sind die griechischen Beckhams", twitterte ein Landsmann nach dem PR-Fiasko, das Varoufakis immerhin zu der Einsicht brachte, dass das ganze Shooting eine Dummheit war.

Die Eitelkeit des Darstellers und die Neugier des Zuschauers sind die Triebkräfte der Homestory. Im Idealfall halten sie sich die Waage. Aber Vorsicht: Wer sich zu weit aus dem Fenster lehnt, landet ganz schnell unten.

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