Helen Barbour über das Familienimperium:Alte Wachshaut mit neuer Coolness

Helen Barbour Jacke

Weltberühmt: Jacken aus dem Hause Barbour

Lady Di machte die Jacke in bestimmten Kreisen zum Kult, Helen Mirren jenseits des Atlantiks: die Wachsjacke aus dem sehr britischen Hause Barbour. Helen Barbour über ihren Namen, ihre Midlife-Crisis und das bestgehütete Familiengeheimnis.

Von Antje Wewer

Helen Mary Barbour ist zu Besuch in Berlin. Treffpunkt: nicht einer ihrer zwei Shops, sondern eine neutrale Hotellobby. Ihre Familie führt in fünfter Generation die englische Traditionsmarke "Barbour", und eines Tages wird die 46-Jährige die Geschäfte ganz übernehmen. Falls sie es sich nicht doch anders überlegt - die Frau ist nämlich für Überraschungen gut. Und auf ihre Art "very british": sie hat Humor, spricht gerne über das Wetter und die Royals und trägt, na klar, eine "Barbourjacke" (dunkelblauer Stepp).

Das Erbe

Wenn die Leute hören, dass ich eine Barbour bin, denken sie automatisch, ich wäre ein Snob, gehöre zur Upper Class und würde auf einem Landsitz wohnen. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Ich lebe in Newcastle upon Tyne im Nordosten von England. Eine hübsche, aber ziemlich raue Stadt, die sehr oft von schlechtem Wetter heimgesucht wird. Meine Freunde sind Klempner, Angestellte oder Pub-Besitzer.

Als ich 18 Monate alt war, starb mein Vater mit 29 Jahren überraschend an einem Blutgerinnsel. Über Nacht war meine Mutter Margaret alleinerziehend und Erbin des Familienunternehmens "J. Barbour & Sons". Mein Ur-Urgroßvater hatte die Jacken 1894 ursprünglich für Fischer, Hafenarbeiter und Leuchtturmwärter entwickelt.

Das Familienoberhaupt

Meine Mutter Margaret ist mit 72 Jahren immer noch Vorstandsvorsitzende und geht dreimal die Woche ins Büro. Die Queen hat sie erst zur "Dame Commander of the Order of the British Empire" (CBE) und dann zur Lady gemacht. Nicht schlecht für eine Frau, die ihre Karriere als Lehrerin begann und in einer Arbeiterklasse-Familie mit neun Geschwistern groß geworden ist, oder? Sie ist ein "tough cookie" und eine Frau mit Visionen. Sie hat die Modelle "Beaufort" (unser Klassiker mit den großen Taschen und Cordkragen) und "Bedale" (eine Reiterjacke, die sogar vor Dornen schützt) entworfen und dafür gesorgt, dass wir unseren eigenen Tartan (karierter Futterstoff) haben.

Die Ölhaut

Das Sylkoil-Finish versiegelt die Baumwolle und macht sie wasserfest, ist aber auch für den öligen Geruch verantwortlich. Man kann ihn lieben oder hassen. Letzteres trifft wohl auf Prinz Philip zu, er sagte mal: "Those smelly, sweaty, sticky old Jackets". Nun ja, wir haben den Geruch inzwischen modifiziert. Die Wachsjacken sind immer noch "Made in Britain", werden in South Shields gefertigt - und unsere Imprägnierformel ist ein Geheimnis.

Das Understatement

Nach der Schule habe ich Grafik-Design studiert, einen zusätzlichen Abschluss in Marketing gemacht, ein Online-Unternehmen gestartet und acht Geschäfte für Kinderspielzeug eröffnet. Außerdem einen reizenden Mann geheiratet, der Humphrey heißt. Ob ich seinen Namen angenommen habe? Natürlich. Wir haben drei gemeinsame Kinder. Inzwischen sind wir geschieden, und ich heiße wieder Barbour. Früher interessierte das keinen, heute fragen die Leute meist nach:

"Sie heißen Barbour? Wie die Jacke?"

"Genau so."

"Sind Sie mit denen verwandt?"

"Oh, ich wünschte!"

Wie gesagt, ich halte nichts von Angeberei.

Jagdsport, Kate Middeton und deutsche Jura-Studenten

Die Jagd

Nach meiner Scheidung durchlebte ich eine kurze, aber heftige Midlife-Crisis, verkaufte meine Boutiquen (mit denen ich mir und meiner Mutter beweisen wollte, dass ich es alleine kann) und entschied mich, in unser Familienunternehmen einzusteigen. Ich musste eine Nische finden, in der ich mich verwirklichen konnte. Es wäre keine gute Idee gewesen, für den Marketing-Chef zu arbeiten, der im Grunde für mich arbeitet. Beim Besuch einer Jagdmesse besuchte ich unseren Stand und war nicht sehr beeindruckt. Mir fielen sofort Dinge ein, die man besser machen könnte. Gleichzeitig entdeckte ich das Jagen für mich, es ist gesellig und findet in der Natur statt, allerdings schieße ich nur auf Vögel. Mit 42 Jahren wurde ich Chefin unserer Jagdsport-Abteilung und außerdem stellvertretende Vorstandsvorsitzende.

Die Sloane Rangers, Teil 1

Die Sloane Rangers hatten Anfang der Achtziger mit Lady Diana Spencer als Galionsfigur und dem "Sloane Ranger Handbook" ihre erste heiße Phase. Immer wieder wurde Diana in ihrer grünen Barbour fotografiert, die Jacke wurde ein Teil der konservativen "Sloane Ranger"-Uniform.

Ich besuchte zu der Zeit ein Internat in Oxford und war von den "Sloanies" umzingelt: Kinder reicher Eltern, die sich für etwas Besseres hielten und das mit ihrer Kleidung zum Ausdruck bringen wollten.

Danach folgte erst mal eine ausgeprägte Anti-Barbour-Phase: die Jacke hatte ein spießiges, konservatives Image. Zur selben Zeit wurde sie aber in Deutschland und Italien populär. Ich habe mir sagen lassen, dass die Jacke besonders beliebt bei BWL- und Jura-Studenten ist, die älter wirken wollen, als sie sind. Nicht umsonst haben wir außer in Berlin auch einen Flagship-Store in Münster. Dort gibt es viele Studenten und noch mehr Radfahrer.

Die Sloane Rangers, Teil 2

Mit Kate Middleton erhielten die "Sloanies" Mitte 2000 wieder ein modernes Gesicht. Eine Bürgerliche, die es in die royalen Kreise geschafft hat und gerne unser "Defence Jacket" trägt, wenn sie die Hunde ausführt. Nein, ich war nicht Gast bei der "Royal Wedding"; habe aber, wie alle anderen auch, den Fernseher eingeschaltet.

Das Glastonbury-Festival

Mich persönlich würde dieses Festival nicht reizen. Zu viel Matsch. Zu viel Menschen. Und dann auch noch zelten! Nein danke. Andererseits verdanken wir dem Festival unsere neue Coolness. Dabei bin ich felsenfest davon überzeugt, dass It-Girl Alexa Chung nur zu der Jacke gegriffen hat, weil sie keinen besseren Regenschutz zur Hand hatte.

Unser Glück, dass die junge Dame die "Beaufort" so exzellent gestylt hat. Die jungen Mädchen setzen wie Kate Moss oder Pixie Geldof auf die "Vintage"-Version. Aber Achtung, bei Ebay gibt es erschreckend viele Fakes! Für die Jungs war der Auftritt von Alex Turner ein Aha-Erlebnis. Der Sänger der "Arctic Monkeys" eröffnete ein Konzert in einer unserer Jacken. Welche? Keine Ahnung. Da müssten Sie meinen 16-jährigen Sohn Danny fragen.

Die Königin, ihr Agent und die Designer

Die Queen

Die Königin, ihr Agent und die Designer

Auch die Queen trägt Barbour, zahlt aber für ihre Jacken. Kürzlich ließ sie ihr zerschlissenes Modell bei uns in South Shields reparieren, wir boten ihr eine neues an, aber sie lehnte ab. Sie wollte ihr altes zurück, frisch gewachst. Die Szene in "The Queen", in der Helen Mirren in der klassischen Wachsjacke durchs Moor schreitet, löste in Amerika einen Hype aus. Vor unserem New Yorker Geschäft an der Madison Avenue standen die Leute Schlange, die Verkaufszahlen explodierten. Ich muss gestehen: den Film habe ich nie gesehen. Die DVD liegt bei mir zu Hause, und irgendwann werde ich sie mir sicher anschauen. Wir führen alle drei Hoflieferanten-Wappen auf unserem Markenetikett: das von der Königin selbst, das von ihrem Mann, dem Duke of Edinburgh, und das vom Prince of Wales. Alle fünf Jahre überprüft der Hofmarschall Lord Chamberlain, ob die Qualität noch stimmt. Mein Lieblingsroyal ist und bleibt Prinz Harry. Er sieht einfach am besten aus. Engländer, die nichts von den Royals halten, würden vermutlich nie eine klassische Barbour-Jacke tragen.

Die Hauspolitik

Ich würde es als einen Akt der Verzweiflung empfinden, wenn wir Prominenten unsere Jacken schicken würden. Zumal es auch gefährlich ist. Was ist, wenn sie in einer Barbour-Jacke aus einem Nachtclub taumeln, den Nachbarn beschimpfen oder Kokain schnupfen? Jeder wie er will, aber bitte nur in einer gekauften Barbour-Jacke. Mein neuer Freund fragte mich neulich, ob ich ein App auf meinem Smartphone habe, das immer "Tschiiing" macht, wenn jemand in einer Barbour-Jacke vorbeiläuft.

Der Bond-Film

Nein, wir haben den Film nicht gesponsert. Und nein, ich habe keine Einladung zur Premiere bekommen. Die Produzenten von "Skyfall" haben anfragen lassen, ob Bond die "Beacon Heritage Sports Jacket" im Film tragen könnte und bestellten das 500 Euro teure Modell gleich 24 Mal. Der japanische Designer Tokihito Yoshida hat die "ToKiTo" für uns entworfen. Daniel Craig trägt die Jacke (ohne Kapuze!) in einer Stunt-Szene, die offensichtlich einige Male gedreht werden musste.

Die Designer

Als unser langjähriger Manager Ende der Neunziger die Firma verließ, hatten wir weder eine Marketing- noch eine Designabteilung. Damals arbeitete ich nicht in der Firma, dennoch zog mich meine Mutter zu Rate. Wir wollen nicht modisch sein, aber die Marke frischhalten. Die Schnitte für die Frauen wurden figurbetonter, die Materialien leichter, die Jacken kürzer. Wir führten die Motorrad-Linie "Barbour International" wieder ein, die in den Sechzigern durch Steve McQueen weltweit bekannt wurde. Wir haben die Marke inzwischen weiterentwickelt und setzen auf die Zusammenarbeit mit britischen Kreativen. Paul Smith hat unseren Modellen maritimen Twist gegeben, Bella Freud entwickelte eine Strickkollektion. Neuzugang ist die Lagerfeld-Muse Amanda Harlech, sie ist Kreativ-Direktorin für unser exklusives "Gold Label". Eines kann ich versichern: wir bleiben eine rustikal-elegante Marke, und es wird nie Barbour-Bikinis geben.

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