Koch-Kolumne "Eigener Herd":Geht doch sehr gut

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Seit Beginn der Pandemie wird wieder mehr zu Hause gekocht. (Foto: SZ)

Die Idealzutat für den Lockdown? Hefe natürlich. Denn sie lehrt uns Achtsamkeit, Geduld und Freude. Zum Beispiel mit Pizzateig.

Von Marten Rolff

Backhefe ist offensichtlich systemrelevant. Nicht wenige Menschen scheinen jetzt einen Vorrat davon im Kühlschrank zu lagern, der notfalls auch noch für die Osterzopfproduktion von 2021 reichen würde. Anders ist es jedenfalls kaum zu erklären, dass Hefe gerade in kaum einem Supermarkt zu kriegen ist, die Mehlregale sind auch leer - Deutschland im Backrausch?

Man muss zugeben, dass es unsinnigere Vorräte für den Lockdown gibt. Womöglich ist Hefe sogar die ideale Zutat für die Quarantäneküche; für alle Hobbyköche, die sich auf 80 Quadratmetern parallel um Home-Schooling, die kriselnde Firma, die Versorgung der Familie und neue Corona-Nachrichten kümmern müssen.

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Denn kaum ein zweites Lebensmittel verlangt uns so viel Achtsamkeit ab. Hefeteig will mit Fingerspitzengefühl massiert werden, dann wieder muss man ihn völlig in Ruhe lassen. Er lehrt uns meditatives Arbeiten und Geduld bei Wartezeiten. Freude an kleinsten Erfolgen (wie elastisch er ist!) oder Demut vor der eigenen Fehlbarkeit (er ist wieder nicht aufgegangen!). Im Ernst: Wer weiß, wie man mit launischem Hefeteig umgeht, dürfte auch gerüstet sein für Ausgangssperren, quengelnde Kinder und fordernde Chefs im Home-Office.

Wie tief man ins Thema einsteigen kann, zeigt der norditalienische Pizzabäcker Simone Padoan, der sich nach einem Burn-out zwölf Jahre lang mit Teig beschäftigte und immer weiter forscht. Als der Gastroführer Gambero Rosso ihn schließlich zum besten Pizzaiolo Italiens wählte, gab es Morddrohungen aus Neapel. Dort hielt man die vielen Experimente mit wilden Hefen, extremen Gehzeiten und verschiedenen Krossheitsstufen für alberne Strebsamkeit und üble Konkurrenz. Man muss den Neapolitanern zugestehen, dass Gelassenheit nicht das schlechteste Rezept im Umgang mit Hefeteig ist. Trotzdem: Wer in besseren Zeiten wieder in die Gegend von Verona kommen sollte: Bei Padoan vorbeizuschauen, lohnt sich (pizzeriaitigli.it).

Am eigenen Herd führen padoansche Ansprüche natürlich nicht weiter. Ich zum Beispiel beschäftige mich erst seit Kurzem mit Hefeteig und vertraue auf die Videos des Youtube-Kanals "Thomaskocht" (zu finden auch unter: Privatkoch-Hamburg.de). Thomas, ein Hamburger, der im Netz ohne Nachnamen auskommt, ist zwar kein Backspezialist, aber ein grundsolider Profikoch, dessen ruhige Anleitungen alles vereinen, was diese unangenehme Zeit erfordert: unprätentiöses Auftreten, tiefenentspannte Stimme, genaue Erläuterungen und Konzentration auf nützliches Basiswissen für brauchbare Gerichte. So wird man zum guten Freund eines Lockdown-Haushalts.

Pizzateig muss lange gehen, wenn die Teiglinge aromatisch werden sollen

Ich habe schnell gelernt, dass Hefeteig nicht wirklich launisch ist, sondern eher wie ein neuer Mitbewohner, der immer berechenbarer und interessanter wird, je mehr man über ihn weiß. Manches ist purer Mythos. Es stimmt zum Beispiel nicht, dass Hefeteig keine Zugluft verträgt, sie ist ihm egal. Und ja, er mag Wärme und geht am besten bei Temperaturen von circa 30 Grad. Doch geschmacklich können kühlere Temperaturen und längere Gehzeiten Wunder wirken. Bei Pizzateig etwa schwören viele auf Öl und Gehzeiten von ein bis zwei Stunden. Das ist praktisch, wenn es schnell gehen soll. Richtig aromatisch werden die Teiglinge aber, wenn man nur auf Mehl, Hefe, Wasser und Salz setzt und den Teig bis zu 24 Stunden im Kühlschrank gehen lässt.

Für vier Pizzen braucht man 500 g Mehl (Type 550), 300 ml Wasser, 10 g Hefe und 10 g Salz. Die Hefe im Wasser auflösen, das - eine wichtige Faustregel - nie wärmer als 25 Grad sein sollte. Das ist ebenfalls gut fürs Aroma; ab etwas über 40 Grad wird es übrigens tödlich für die Hefe. Das Mehl mischt man erst mit dem Salz, dann gießt man das Hefewasser zu; alles mit einem Spatel oder Löffel so mischen, dass es einigermaßen glatt abbindet, und nun abgedeckt 20 Minuten stehen lassen. Was Autolyse ist, soll hier nicht erklärt werden, aber die 20 Minuten wirken sich eindeutig positiv aufs Glutengerüst des Teiges aus.

Jetzt kommt ausgiebige Knetarbeit, von außen nach innen, für die Technik ist es hilfreich, das Video anzusehen. Nach gut zehn Minuten entsteht idealerweise ein glatter, elastischer Teig, den man viertelt, um vier gleich große Kugeln zu formen. Diese abgedeckt zwei Stunden bei Raumtemperatur gehen lassen oder, noch besser, über Nacht im Kühlschrank. Die Teigkugeln werden nicht ausgerollt sondern - um die Luft nicht aus dem Teig zu pressen, - per Hand zum platten Rund gezogen, das ist aber machbar. Der Belag ist Kür nach Geschmack, im Prinzip reichen passierte Tomaten, Oregano und Mozzarella. Knusprig wird es nach etwa 15 Minuten bei 240 Grad Ober- und Unterhitze, bitte ausprobieren, jeder Ofen ist anders!

© SZ vom 28.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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