Haute Couture in Paris:Lust am Luxus

In Paris beginnen die Haute-Couture-Schauen. Lange Zeit waren die aufwendigen Kreationen nicht mehr gefragt, jetzt gibt es wieder Käuferinnen.

Von Dennis Braatz

Mannequins, Modeschöpfer, Milliardärsgattinnen: Die Ersten präsentieren im Schneckentempo Kleider und machen dabei die berühmte Gießkannen-Pose. Die Zweiten lassen sich danach minutenlang feiern, im Schutz ihrer Sonnenbrille und im Kreise der Musen. Die Dritten halten das Schauspiel nur mit einem Champagner in der Hand aus, so aufgeregt sind sie. Solche Szenen bestimmen das gängige Bild der Haute Couture - und das wird auch an diesem Wochenende so sein, wenn in Paris wieder die Schauen mit der handgemachten Luxusmode beginnen.

Dieses Bild steckt so fest in unseren Köpfen, weil es in der schillerndsten Mode-Zeit entstand, den 90er-Jahren, aus denen auch die Aufnahmen auf dieser Seite von SZ-Fotografin Regina Schmeken stammen. Damals nutzten große Häuser den Kult um Supermodels wie Claudia Schiffer, Cindy Crawford und Naomi Campbell für ihre Eigenwerbung. Man inszenierte sich so ausgelassen wie nie zuvor.

Dabei hatte es eigentlich viel simpler begonnen, mit dem englischen Textilverkäufer Charles Frederic Worth. 1858 lädt er einige reiche Damen in sein Geschäft auf der Pariser Rue de la Paix. Seine Frau Marie lässt er in selbstgenähten Kleidern um den Ladentisch laufen. Was gefällt, kann nach Maß und von Hand angefertigt werden. Das macht Worth nicht nur zum Erfinder der Haute Couture. Weil er zweimal im Jahr einzelne Kleidungsstücke radikal abändert, haben seine Kundinnen wie Kaiserin Eugénie von Frankreich oder Elisabeth von Österreich keine andere Wahl: Sie müssen immer wieder neu ordern, um mit den anderen Frauen mitzuhalten. Heute nennt man das Must-Have.

Die Marktlücke bleibt nicht unbeobachtet. In ganz Paris eröffnen Couture-Häuser. Schnell bildet sich ein Verband, der das Handwerk der Haute Couture schützt. Bis heute wacht die Chambre Syndicale de la Haute Couture darüber, wer in die hohe Schneiderkunst der Mode einsteigen darf und wer nicht. Die wichtigsten Regeln: Jedes Haus muss ein Maßatelier mit mindestens 15 Vollzeit-Angestellten betreiben. Sein Hauptsitz muss in Paris liegen, damit immer zu den offiziellen Haute-Couture-Schauen im Januar und Juli mindestens 35 von Hand gearbeitete Entwürfe für Tages- und Abendmode (alles Unikate!) präsentiert werden können.

Niedergang der hohen Mode

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg zählt die Chambre mehr als 100 Mitglieder mit weltweit rund 40 000 Kundinnen. Die Haute Couture ist so erfolgreich, weil viele nach Jahren des Verzichts wieder Lust auf Verschwendung und Luxus haben. Manche Schauen dauern Stunden, wegen des mehrgängigen Dinners zwischen den Outfits. Ab Mitte der 50er-Jahre ist damit aber auch schon wieder Schluss. Prêt-à-Porter macht industrielle Luxusmode von der Stange möglich. Die ist günstiger und unkomplizierter in der Beschaffung, immerhin kann es schon mal 1000 Arbeitsstunden dauern, bis ein Couture-Kleid fertig ist. Die höchste Spielart der Mode passt also immer weniger ins schneller werdende Leben. Trends setzen sowieso nur noch die Designer des Prêt-à-Porter.

Von gerade mal 200 Kundinnen für Haute-Couture-Kreationen, vornehmlich arabischen Prinzessinnen und Oligarchen-Gattinnen, war vor zehn Jahren die Rede. Traditionshäuser wie Yves Saint Laurent hatten da schon längst den Betrieb eingestellt. Zeitweise gab es nur noch elf offizielle Mitglieder in der Chambre Syndicale. Experten prophezeiten schon, dass 2020 das letzte maßgeschneiderte Kleid über den Laufsteg geschickt werden würde.

Wer heute Haute Couture kauft

Dass es anders kam, liegt an einem Mann, der ein völlig neues Bild der Haute Couture zeichnete. Als Raf Simons mit der Arbeit an seiner Debüt-Kollektion 2012 für Dior begann, setzte er Taschen in die Röcke der Roben, um sie praktischer zu machen. Er führte Business-Anzüge und Hosen ein, die es nie zuvor gegeben hat, und sogar Turnschuhe. Seitdem sitzen auf den Couture-Shows zwischen all den Milliardärsgattinnen auch Selfmade-Millionärinnen, sie kaufen Kleidung ein, die sie in der Arbeit tragen.

So wurden aus 200 Kundinnen immerhin schon wieder 400. Und seit es das Prêt-à-Porter immer schwerer hat, Trends zu setzen, weil die jetzt auf der Straße passieren, wird der Haute Couture eine noch bessere Zukunft prophezeit. Die Trendforscherin Li Edelkoort erklärte kürzlich, dass edle Mode von der Stange bald aussterben könnte, wenn sie sich nicht neu erfindet. Tatsächlich haben Häuser wie Jean Paul Gaultier und Viktor und Rolf bereits ihren Prêt-à-Porter-Betrieb eingestellt. Sie konzentrieren sich voll und ganz auf die Haute Couture. Luxus läuft wieder.

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