Handwerk und Design:Der Charaktertopf

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Melanie Weißmann und Jörg Hoffmann. (Foto: Daniela Uhrich)

Eine Symbiose aus Ton, Alpenholz und Alteisen: Eine Keramikerin und ein Schreiner erfinden im Inntal den Brottopf neu. Ihr Produkt hat einen hohen Preis. Warum das so sein muss, zeigt sich bei einem Manufakturbesuch.

Von Max Scharnigg

Fast ein bisschen viel Rosamunde Pilcher für einen seriösen Besuch, aber es ist die Wahrheit: Die Herbstsonne zeichnet lange Streifen auf den alten Holzfußboden der Werkstatt, es ist ofenwarm, riecht nach Kuchen und trocknendem Ton und durch die großen alten Fenster sieht man, dass auf den Berggipfeln schon Schnee liegt. Früher hat hier mit dieser schönen Aussicht ein Schreiner gearbeitet, jetzt sitzt zwischen den Fenstern eine junge Frau an der Töpferscheibe und strahlt die Zufriedenheit einer Handwerkerin aus, die im Einklang mit ihrer Arbeit ist.

Ringsum in Regalen aus dicken Altholzbohlen steht das, was Melanie Weißmann jeden Tag produziert: Brottöpfe. Alle ähnlich, alle ein bisschen anders. In dezenten Farben glasiert hat jeder Topf einen anderen Bauch, eher oval die großen, eher rund die kleinen, trutzige Exemplare für ein ganzes Bauernbrot sind darunter und solche, in die man lieber nur feine Plätzchen geben würde. Aber jeder Topf trägt einen schweren Deckel aus Holz und als Krone einen kuriosen Knauf, der in seinem ersten Leben vielleicht mal zu einer Schublade gehört hat oder zu einer Jugendstiltür. Ton, altes Holz, antikes Metall - drei ehrliche Werkstoffe werden zu einem funktionalen Produkt.

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Und zu einer kleinen Erfolgsgeschichte, die man vielleicht in Tel Aviv oder Berlin-Kreuzberg vermutet hätte, aber nicht unbedingt im beschaulichen Oberaudorf im Inntal, kurz vor der österreichischen Grenze. Hier ist Melanie Weißmann aufgewachsen, hier wusste sie nicht genau, was sie nach der Schule machen sollte, und hier entschied sie sich aus Neugier für einen Schnupperkurs im Töpfern. Da merkte sie, dass ihr das Material zusagte und die Formen unter ihren Händen immer schneller Gestalt annahmen. "Die Arbeit an der Töpferscheibe ist für mich bis heute fast wie Meditation" sagt die Frau, die sonst sehr handfest und unmeditativ durch ihre kleine Manufaktur führt.

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Sie ließ sich also zur Keramikerin ausbilden, bezog die frei gewordene alte Werkstatt in ihrem Heimatort und fing an, Geschirr und Lampenschirme zu töpfern, weil es eben das war, was man bei einer Keramikerin erwartete. Nach ein paar Jahren aber, erinnert sich Weißmann, hatte sie Lust auf ein unternehmerisches Experiment, etwas, das sie "ein ganz eigenes Produkt" nennt, und so kam sie auf Brottöpfe. Denn das, so die Idee, ist ein Utensil, das in jeder Küche steht, das jeden Tag benützt wird und bei dem schöne Exemplare trotzdem eher selten zu finden sind.

Bei diesen Überlegungen kam Weißmann der Zufall zu Hilfe. Denn etwa gleichzeitig lernte sie ihren Nachbarn Jörg Hoffmann kennen. Der hatte sich nebenan in eine Tischlerwerkstatt eingemietet, um Möbel aus Altholz zu gestalten, das er von abgerissenen Scheunen aus der Umgebung gerettet hatte. Es begann ein intensiver Austausch der passionierten Handwerker über die Vereinbarkeit von Keramik und Alpenholz, der schließlich in den Brottöpfen seine harmonische Verwirklichung fand.

Ein gutes Brot hält in einem guten Topf eine Woche durch

Heute arbeiten die beiden in perfekter Symbiose, ihre gebrannten Töpfe bringt Melanie Weißmann zum Holzlager, wo sich Jörg Hoffmann auf die Suche nach dem richtigen Abschluss macht. Je nach Holzcharakter sind manche Deckel knorrig dick, manche elegant dünn, aber jeder wird individuell mit Säge und Fräse angepasst an die niemals gleichen Kurven des Brottopfs. "Es ist gut, dass bei der handgemachten Keramik und durch den Brand eine gewisse Unebenheit bleibt, so kann immer noch ein bisschen Luft durchkommen", sagt Jörg Hoffmann. Die Randlücken sind also, genau wie die kleinen Löcher im Boden, wichtig, damit das Brot im Topf weder austrocknet noch gleich schimmelt. Die Holzdeckel sorgen aber nicht nur für den richtige Lufthaushalt, sondern verleihen den Gefäßen einen alpinen Charme. Melanie Weißmann setzte nach einigen Tests außerdem auf eine glasierte Oberfläche der Behälter, damit sie besser auszuwischen und sogar spülmaschinenfest sind. Denn nur in einem sauberen Topf, der auch von Krümeln befreit gehört, hält ein gutes Brot eine Woche durch.

Es war im Sommer 2017, als die ersten fertigen Brottöpfe vor ihnen standen - ein individuelles, regionales Produkt, das trotzdem nicht folkloristisch aussah. "Ich wusste irgendwie gleich, dass das funktionieren wird", sagt Melanie Weißmann heute. Jörg Hoffmann war sich nicht so sicher, aber nach den ersten guten Reaktionen stellten sie schließlich ihre Produktion auf die Brottöpfe um - mit Erfolg. Die Menschen, die in ihre Werkstatt kamen und den neu-alten Alpenholz-Brottopf sahen, waren ebenso begeistert wie die Kunden einer Bäckerei in Raubling, wo sie ein paar Exemplare auf Kommission in die Regale gestellt hatten.

Die Werkstatt von Melanie Weißmann in Oberaufdorf im Inntal. (Foto: Daniela Uhrich)

"Ich habe mir gedacht, das ist ein guter Bäcker, der hat gute Kunden, die das verstehen", sagt Melanie Weißmann über diese Startphase. Mit "das verstehen" meint sie vor allem den Preis, der je nach Größe zwischen 50 und 190 Euro für einen Brottopf liegt. Es steckt eben viel Arbeit in den Unikaten: Ton runddrehen, über Nacht trocknen lassen bis er "lederhart" ist, am nächsten Tag in die endgültige Topfform bringen, verputzen, wieder trocknen, einfärben, den Schrühbrand bei 900 Grad machen, transparente Glasur auftragen, noch mal bei 1220 Grad brennen und dann geht's rüber in die Holzwerkstatt - zur Deckelanprobe. "Wenn die Menschen uns hier sehen, verstehen sie die Preise sofort", sagt Melanie Weißmann.

Ihr kleines Nachbarschafts-Marketing ging in den letzten zwölf Monaten auf - mehr als 250 Brottöpfe haben die beiden inzwischen verkauft, Tendenz steigend. Will sie jetzt nicht in die Hipsterviertel der Städte und in die Lebensart-Boutiquen? Melanie Weißmann winkt zufrieden ab: "Wozu? Ich habe doch auch nur zwei Hände!" Und lieber sind ihr sowieso die Kunden, die in der Werkstatt in Oberaudorf vorbeikommen, ihr bei der Arbeit zusehen und in der wöchentlich wechselnden Gemeinschaft der Charaktertöpfe dort den einen entdecken, der genau zu ihnen passt.

© SZ vom 10.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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