Süddeutsche Zeitung

Handtaschen:Eine Nummer kleiner

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Lange Zeit galt die It-Bag als Statussymbol für Modefans. Heute ist der Hype vorbei - und günstigere Marken wie Furla sind erstaunlich erfolgreich.

Von Christine Mortag

Metropolis. Dazu fällt den meisten wahrscheinlich als Erstes der expressionistische Filmklassiker von Fritz Lang aus dem Jahre 1927 ein. Gut möglich, dass sich das bald ändert, und die Leute, vor allem die Leute aus der Mode, den Namen mit einer Tasche in Verbindung bringen. So heißt nämlich auch ein Modell von Furla, von dem der italienische Lederwarenhersteller mehr als zwei Millionen Taschen im Jahr verkauft. "Unser Bestseller", sagt Kreativdirektor Fabio Fusi.

Die Tasche ist ein schlichtes Rechteck aus festem Kalbsleder, mit rechteckiger Metallschließe und dezent eingraviertem Logo. Es gibt sie als Abend-, Schulter- und Henkeltasche, als Geldbörse, geräumige Bowling- und winzige Mini-Bag. "Allein von der Mini-Bag haben wir bisher fast eine Million Stück verkauft", so Fusi. Geht es um Zahlen, werden die Gesprächspartner in den Unternehmen oft schmallippig, bei Furla dagegen redet man neuerdings sehr gern darüber: Die Firma wächst in einer Tour, man kommt mit den Erfolgsmeldungen kaum hinterher. In den letzten fünf Jahren konnte der Umsatz verdoppelt werden, der im März veröffentlichte Geschäftsbericht für 2017 vermeldet 499 Millionen, wieder ein Plus von 77 Millionen. Zum Vergleich: 1993 waren es gerade einmal zwölf Millionen Euro Umsatz.

Die richtige Tasche galt mal als Beweis dafür, dass man sich auskennt und viel Geld hat

Mit seinem rasanten Wachstum sticht Furla heraus, ist aber kein Einzelfall. Denn auf dem Taschenmarkt zeichnet sich gerade eine interessante Entwicklung ab: Während der Umsatz bei den ganz teuren Luxuslabels stagniert oder sogar zurückgeht, nimmt das wirtschaftliche Wachstum bei Marken in der mittleren Preisklasse immer mehr zu. Dazu gehören neben Furla auch Longchamp, Michael Kors, Coccinelle oder kleine, junge Labels wie Cult Gaia und Mansur Gavriel aus New York, das von einer Deutschen und einer Amerikanerin gegründet wurde.

"Wir sehen uns nicht im Preiswettbewerb mit den großen Luxusmarken", sagt Alberto Camerlengo, der Vorstandsvorsitzende von Furla. Im direkten Wettbewerb stehen sie vielleicht nicht, trotzdem ist es gerade der Preis, der eine wichtige Rolle spielt. Bei den oben genannten Luxusmarken kosten die Taschen mehrere Tausend Euro, bei Furla im Schnitt zwischen 200 und 450 Euro.

War das früher für eine bestimmte Gruppe von Kundinnen eher ein Grund, die Tasche nicht zu kaufen, hat sich das Konsumverhalten in den vergangenen Jahren stark verändert. Viele Frauen sind nicht mehr bereit, so viel Geld für ein einzelnes Teil auszugeben. Vor allem sind sie nicht mehr bereit, es für überteuerte Saisonware hinzublättern. Der Hype um die sogenannte It-Bag, die eine Tasche, die man in einer bestimmten Saison unbedingt haben musste, ist nachweislich stark zurückgegangen, das Wall Street Journal hat sie schon 2015 offiziell begraben. Passend zu jeder Kollektion warfen die Labels jahrelang besonders signifikante Taschen auf den Markt, die dann angeblich jeder unbedingt haben musste. Mal war es die von Louis Vuitton mit Farbverlauf und Fuchsschwanz, mal eine mit bunten Blockstreifen von Prada. Sie galten als Statussymbol, weil man damit so schön demonstrieren konnte, dass man sich nicht nur auskennt, sondern sie sich mit Preisen von nicht unter 1000 Euro auch leisten kann. Allerdings waren die It-Bags immer so eindeutig einem Jahrgang zuzuordnen, dass man bei Modefanatikern völlig unten durch war, wenn man sie länger als eine Saison trug. In Zeiten von Nachhaltigkeit und ökologischem Bewusstsein kommt so eine Botschaft nicht mehr gut an. Lieber investiert man wieder in Klassiker wie die Birkin von Hermès oder die 2.55 von Chanel. Oder nimmt die Preisklasse, die nicht ganz so wehtut.

"Unsere Kundin hat schlicht keine It-Bag nötig", findet Alberto Camerlengo. Heute sei Individualität cool, nicht mehr der neueste Trend, schreibt das amerikanische Branchenblatt Women's Marketing. Übertragen auf Taschen heißt das: Bestimmte früher die It-Bag den modischen Auftritt, sollen sich die Taschen heute dem Stil der Trägerin unterordnen.

Das geht natürlich besser, wenn die Taschen eher zurückhaltend und zeitlos gestaltet sind. Bei Mansur Gavriel etwa gibt es keine Modelle mit Muster, keine auffälligen Details. Auch bei Furla waren in der Vergangenheit besonders die schlichten Ausführungen erfolgreich, aber jetzt werden Farben und Details vor allem beim Bestseller Metropolis immer individueller. "Wir arbeiten mit wiederkehrenden Grundmodellen", sagt Designer Fabio Fusi, der bei Etro, Salvatore Ferragamo und Dolce & Gabbana war, bevor er 2010 zu Furla kam. "Sie sind wie eine weiße Leinwand, bei der wir jede Saison nur die Oberfläche verändern." Durch unterschiedliche Farben, Prints und Materialien kann das gleiche Modell auf diese Weise sportlich oder elegant aussehen und passt so zur älteren Dame wie zum jungen Mädchen.

Das haben diese mittelpreisigen Marken ja auch noch geschafft: eine ganz junge Klientel für Handtaschen zu begeistern, die lange als ziemlich spießig galten und eher was für die Mütter als die Töchter waren. Wer heute auf einen Schulhof geht oder einen Uni-Campus, sieht massenweise Longchamp- oder Michael-Kors-Taschen. Wahrscheinlich kein Zufall, dass viele der neuen Modelle so manchem Klassiker der großen Design-Häuser verblüffend ähnlich sehen. Die Bucket Bag von Mansur Gavriel hat als Vorbild eindeutig die Sac Noé von Louis Vuitton, die Metropolis und die Diorama von Dior könnten Verwandte sein. Nur kostet die eine 250 Euro und die andere das Zehnfache.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Marken ist Furla noch immer in Familienhand

Bei Furla verweisen sie immer wieder gern auf das sagenhafte Preis-Leistungs-Verhältnis ihrer Produkte. Produziert werden die Lederwaren, wie die der teuren Konkurrenz, vorwiegend in Italien, in der Toskana, wo das Sattler- und Gerberhandwerk eine lange Tradition hat. Die Firmenzentrale befindet sich in einer alten Villa aus dem 18. Jahrhundert in Bologna. Da ist man bei den Lieferanten schnell mal vor Ort. Und Furla gehört zu den wenigen italienischen Modefirmen, die noch im Familienbesitz sind und mit eigenem Geld wirtschaften. Während Marken wie Gucci, Bottega Veneta oder Coccinelle längst von internationalen Großkonzernen übernommen wurden, bleibt man in Bologna vollkommen unabhängig.

Gegründet wurde das Unternehmen von Aldo Furlanetto, der einfach den hinteren Teil seines Namens strich. 1927 war das - also im selben Jahr, in dem Fritz Langs Filmklassiker in die Kinos kam, womit dann auch der Taschenname geklärt wäre. Furlanettos Tochter Giovanna übernahm 1989 die Führung, bis heute ist sie die Chefin des Hauses und von mehr als 1600 Mitarbeitern. Den Großteil ihres Gewinns erwirtschaftet Furla im Ausland, am meisten verkaufen sie in Japan, wo sie 1990 den ersten Laden außerhalb Italiens eröffneten. Auch in Russland und China gehörten sie zu den Pionieren. Heute gibt es die Marke in 100 Ländern und in 467 Shops, hierzulande in München und Frankfurt, in diesem Jahr sollen noch Berlin und Düsseldorf dazukommen.

Natürlich wollen sie noch weiter wachsen, bald mal die 500 Millionen Euro-Marke knacken, vielleicht doch noch einen Börsengang wagen. "Wir haben keine Eile", sagt Alberto Camerlengo. Genauso handhabten sie es, als sie nach Taschen für Damen ihre Kollektion vergleichsweise spät auf Taschen für Männer erweiterten. "Erst, wenn der eine Bereich gut läuft, denken wir über einen weiteren nach." Gut möglich, dass sie genau das jetzt gerade wieder tun.

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Quelle:
SZ vom 24.03.2018
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