Aus kulinarischer Warte geht gerade eine der wichtigsten Wochen des Jahres zu Ende, und die Regie übernahmen wieder einmal die großen Gastronomieführer. So wurde mit dem Pfälzer Benjamin Peifer (Restaurant „Inten.se“) ein so überraschender wie vielversprechender neuer deutscher Koch des Jahres gekürt, am Montag verkündete der Gault & Millau nach zweijähriger Pause (zuletzt wegen eines Lizenstreits) in München wieder die Ergebnisse seiner Restaurantbewertungen. Branchengespräch allerdings war einmal mehr der Guide Michelin, der dem kleineren Konkurrenten die Show stahl, und das ausgerechnet auf einer Bühne im kleinen Österreich, wo eigentlich der Gault & Millau Platzhirsch der Spitzengastronomie ist, bislang jedenfalls.
Denn am Dienstag hat der Michelin erstmals seit seinem Rückzug aus der Alpenrepublik vor 15 Jahren wieder Sterne an die österreichischen Restaurants verliehen; auf einer Gala, die einem Triumphzug glich. Auf der Bühne unter dem imposanten Kuppeldach des Hangar-7 am Salzburger Flughafen wurde gejubelt, geklatscht und gefeiert, geherzt, geweint und gelacht, dass es die 450 Gäste von den Stühlen riss. Dabei regnete es Sterne: Die Zahl der vom Michelin ausgezeichneten Restaurants stieg von knapp 20 (Wien und Salzburg fanden bislang im europäischen Städteführer Erwähnung) auf landesweit 82, dazu kamen 43 Bib Gourmands, die Kategorie des Michelin für empfehlenswerte Lokale mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis. Wien entwickelt sich mit nun zwei Drei-Sterne-Restaurants, darunter das erstmals in diese Kategorie aufgestiegene "Steirereck" (Heinz Reitbauer und Michael Bauböck) immer mehr zum Reiseziel für Foodies, und landesweit gibt es nun allein 18 Restaurants mit zwei Sternen. Für viele mag das nichts Neues sein, aber das kleine Österreich ist nun auch offiziell wieder eine Großmacht am Herd.

Normalerweise sind die Sterne-Galas des Michelin eher als dröge berüchtigt. Dass der Abend in Österreich so viel Aufmerksamkeit weckte und derart emotional geriet, war auch der Tatsache geschuldet, dass sich da die Freude über das Ende eines ewigen Traumas Bahn brach. Jahrelang hatte man daran gearbeitet, den Gastroführer zurückzuholen und so die internationale Sichtbarkeit der österreichischen Köche wiederherzustellen. Es hatte viel Frust über den Weggang des Michelins gegeben, den die Köche damals „einen Dolchstoß“ nannten. Und viel Kritik daran, dass sich der Guide Rouge seine Rückkehr nun mit Steuergeldern subventionieren lässt.

Spitzenküche: Guide Michelin in Österreich:Zwischen Vorfreude und Schnappatmung
Nach 15 Jahren Pause hat der Restaurantführer Guide Michelin wieder eine Österreich-Ausgabe, finanziert mit Steuergeld. Nicht nur die Köche sind aufgeregt. Dabei wurde versehentlich eine geheime Liste geleakt – mit Namen und Adressen von 90 Michelin-Inspektoren. Und nun?
Doch am Ende lag der Erfolg des Abends auch schlicht an der guten Organisation. Das war weniger ein Verdienst des Michelin als des (oft zu Unrecht belächelten) österreichischen Talents, sich selbst zu feiern. Nahezu alles an dieser Gala stimmte, vom touristischen Gesamtkonzept (Österreich, ein Land der Gastgeber und des Genusses) über die Standing Ovations und den DJ bis zum eleganten schwarzen Abendkleid von Steirereck-Chefin Birgit Reitbauer, deren Stil irgendwo zwischen Sharon Stone und Bundespräsidialamt angesiedelt war. Warum das wichtig ist? Weil selbst die beste Küche oder der virtuoseste Koch des Jahres nur dann erfolgreich sind, wenn die Außenwirkung stimmt.
Deutschlands knapp 350 Sterneköchinnen und -Köche, die heimische Gastrokritik und Touristiker konnten von dieser Gala also vor allem lernen, wie man sich verkauft. (Konzeptionelle) Zusammenarbeit statt Einzelgängertum, Optimismus statt Katzenjammer, Emotionen statt Kreisverwaltungsreferat. Um all das für die nächste Gala zu beherzigen, bleibt Zeit. Die deutsche Ausgabe des Michelin, die sonst Anfang März herauskommt, wurde gerade verschoben. Gemutmaßt wird, dass das deutsche Testerteam wegen der Österreichausgabe schlicht zu wenig Zeit für Deutschland hatte.
