Foodtrend-Kolumne "In aller Munde":Ballermann am Büdchen

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Am Weihnachtsmarkt werden heiße Drinks wie "Hot Aperol" immer beliebter. Als Alternative zum Glühwein taugt er nur bedingt. (Foto: imago images/Westend61)

Auf dem Weihnachtsmarkt soll "Hot Aperol" die weniger süße Alternative zu Glühwein sein, dabei sind heiße Cocktails ohnehin ein Missverständnis: Nur weil es draußen kalt ist, muss man nicht jedes Getränk aufglühen.

Von Kathrin Hollmer

Aperol (leicht bitter, vor allem süß) plus Weißwein (hoffentlich nicht süß!) plus Apfelsaft (von Natur aus süß) plus Orangensirup (supersüß), diese Kombination wird jedes Jahr und in diesem besonders enthusiastisch als Alternative verkauft für "alle, denen Glühwein oft zu süß ist". Angesichts der Zutatenliste kann man nur skeptisch werden. Andererseits, was hat man zu verlieren? Simpler Glühwein wird jedes Jahr ein wenig rarer an den Weihnachtsmarktständen, von gutem - den gibt es nämlich, Stichwort Winzerglühwein - ganz zu schweigen. Stattdessen überdecken Unmengen Zucker und künstliches Vanille-, Bratapfel- oder (wirklich wahr!) Maracuja-Aroma jeglichen Weingeschmack, oder das, was der Preiskampf um die beste Marge davon übriggelassen hat: in der Regel Billigstwein aus EU-Überschussproduktion.

Je mehr Chichi im Glas ist, desto verdächtiger ist es, das gilt an der Bar und an der Bude, denn Chichi hat nur nötig, wer bei der Qualität der Grundzutaten spart. Die Drink-Qualität und die Ansprüche daran sind in den vergangenen Jahren auch hierzulande kontinuierlich gestiegen. Sobald die Supermärkte Lebkuchen verkaufen (was man nicht daran merkt, dass sie dort im Regal liegen, sondern weil sich Menschen ab September darüber aufregen), setzt der gute Getränkegeschmack aber irgendwie aus. Anders kann man sich die Schlangen am Weihnachtsmarkt um die pappsüße Plörre, die an den meisten Buden ausgeschenkt wird, nicht erklären. Das Chichi ist sogar noch mehr geworden.

In den vergangenen Jahren haben - je nachdem, in welcher Gegend man einen Weihnachtsmarkt besucht - heiße Cocktails die klassischen Glühwein-Varianten verdrängt. Alles wird heute angeglüht: Hugo, Mojito, Moscow Mule, es gibt heißen Lillet Wild Berry, "Hot Caipi" und Glüh-Gin, sogar Negroni wird dampfend heiß serviert. Und der Klassiker unter den heißen Cocktails: Hot Aperol, mit getrockneter Orangenscheibe und Alibi-Zimtstange. Die heißen Cocktails werden teilweise fast doppelt so teuer als Glühwein verkauft, was die gegebenenfalls etwas teureren Zutaten natürlich niemals rechtfertigen.

Vorab dennoch, zur Ehrenrettung: Selbstgemacht - ohne Saft, Sirup und Zimt, weil warum sollte man? - schmeckt Hot Aperol wie weißer Glühwein mit Aperol-Schuss, wirklich weniger süß und aufdringlich als das, was aus den meisten Tassen auf dem Weihnachtsmarkt dampft. Weil Weißwein wenig oder keine Tannine enthält, ist weißer Glühwein leichter, eleganter und generell oft die bessere Wahl. Es gibt, nicht selten, Cafés und Bars, die das anbieten, sogar frisch zubereiten. Kann man machen. Nun das Aber: An der Bude, nach Rezept maximal süffig getrimmt, ist Hot Aperol nicht weniger als Sangria in der Winter-Edition.

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Allein die rot-orange Farbe lässt Ballermann-Feelings am Stehtisch aufkommen. Er wird nicht im Eimer serviert, auch nicht in den typischen Bechern, sondern in Teegläsern. Auch braucht man keine Strohhalme dafür, sondern nippt so lange vorsichtig daran, weil er viel zu heiß ist, bis er - das optimale Trink-Zeitfenster ist grundsätzlich zu klein - ganz plötzlich kalt ist und man ihn hinunterstürzt. Auch da steht er dem Ballermann-Drink aus Rotwein, Fruchtstücken und -saft in nichts nach. Nun könnte man sagen: Woran man sich am Ende Lippe und Zunge verbrennt und nichts mehr schmeckt, bis der Inhalt der Tasse fast ausgetrunken ist, ist auch schon egal, ob an pappsüßem Glühwein oder der pappsüßen Aperol-Wein-Saft-Mischung. Und genau das ist der Denkfehler: Nur weil es draußen kalt ist, muss man nicht jedes Kaltgetränk anglühen. Dass Glühwein wärmt, ist ohnehin ein Missverständnis (der Alkohol sorgt dafür, dass der Körper sogar schneller Wärme verliert, so viel Besserwisserei muss sein) - und dann kann man genauso gut ein Glas guten Rotwein oder einen Schluck Whisky trinken. Wärmt auch nicht weniger zuverlässig, schmeckt dafür.

Bis Kathrin Hollmer am Glühweinstand an der Reihe war, war "Hot Aperol" ausverkauft. Die Reste reichten gerade so für eine halbe Tasse - und das war immer noch mehr als genug. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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