Galamode:Stillgestanden

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Die "Herz für Kinder"-Gala machte klar, dass man da draußen nichts verpasst und Stylisten eigentlich doch systemrelevant sind.

Von Julia Werner & Max Scharnigg

Für Sie: Jana Ina und die Glitzer-Gleichung

Letzte Woche war mal wieder Ausgehen in Deutschland, und zwar für einen guten Zweck, die "Herz-für-Kinder"-Gala. Die deutsche Society setzt sich da traditionell an die Spendentelefone, aber ihretwegen hat garantiert niemand angerufen. Mit wem von den ganzen Promifüllstoffkandidaten hätte man da plaudern wollen, und vor allem - über was? Jana Ina Zarrella ist zum Beispiel immer zur Stelle, wenn es darum geht, deutschen Glamour zu definieren (Google sagt, sie moderiert die Show "Love Island"). Die Billiger-Glitzer-gleich-Glamour-Formel hat sie nach jahrelanger Berufserfahrung als pastellfarbener Privatsenderpromi natürlich inhaliert, wie wir hier sehen können. Ein stilvolles Outfit für eine Dezember-Gala ist diese Mädchen-Kombi mit Flatterbluse und Sommersandalen aber nicht. Und so fügte sie sich fröhlich ein in das Sammelsurium aus selbst zusammengestellten, irgendwie geizig wirkenden Scheußlichkeiten dort: Die Schauspielerin Valerie Niehaus etwa kombinierte peppige Leo-Pumps zu rotem Seidennegligé unter weißer Bluse und Anzug, frei nach dem Motto - das krieg ich auch ohne Stylistin hin. Nein, kriegen nur wenige: Uschi Glas zum Beispiel, oder Nazan Eckes in schulterfreier Smokingjacke. Der größte Star Deutschlands, Helene Fischer, überlässt Outfits glücklicherweise nie dem Zufall. Und so führte der Abend dem Zuschauer vor Augen, was er vor lauter Lockdown-Klaustrophobie ganz vergessen hatte: Wir Deutschen sind noch immer stinkreich (mehr als 25 Millionen Euro Spenden kamen zusammen). Und man verpasst gesellschaftlich gar nichts, wenn man in Jogginghose zu Hause bleibt.

Für ihn: Giovanni und die ewige Fun-Uniform

Manchmal hat man das Gefühl, es geht überhaupt nichts mehr weiter, das Land steht still und zwar nicht erst seit dem Lockdown. Wer's nicht glaubt: In den aktuellen Top Ten der Charts sind derzeit die Kelly Family, Peter Maffay und Die Ärzte. Ganz offensichtlich haben die Neunzigerjahre also nie aufgehört, und wir bewegen uns einfach nur seit dreißig Jahren im Kreis durch diesen zähen Quark. Auch wenn der Musiker Giovanni Zarrella erst 2001 die Bühne des Privatfernsehens betreten und sie seitdem kaum mehr je verlassen hat, bestätigt er mit seinem Aufzug hier nun wieder diesen schrecklichen Verdacht. Denn ungefähr seit der Gründung der Agentur Pixelpark (1991) steigen Männer, die sich als Teil des Kreativbiz (oder Musikbiz oder Showbiz oder Makler) fühlen, mit Anzug in die weißen Sneakers. Es steckt die ewige Angst dahinter, irgendwie allzu erwachsen zu wirken oder, bewahre, als langweilig wahrgenommen zu werden. Dabei sind die weißen Galoschen selbst längst der größte Allgemeinplatz der Banalmode und stellen genau gar nichts mehr dar. Leider ist über diesem langatmigen Trend auch viel Wissen um gepflegte Anzugschuhe und ihre beachtlichen Möglichkeiten verloren gegangen. Also klar, wenn als Alternative immer nur die schwarzen Lloyd-Begräbnistreter mit der quadratischen gestanzten Vorderkappe im Schrank stehen, nimmt man halt doch wieder die Sneakers. Aber ehrlich gesagt, zu einem Showanzug wie diesem passen sie sogar irgendwie. Und ein Mann wie Giovanni muss ja ständig damit rechnen, irgendwo promitanzen oder aus einer Torte springen zu müssen. Er ist also entschuldigt. Aber irgendwann muss diese Zeitschleife bitte mal durchbrochen werden.

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