Das Leben ist ungerecht, die Welt der Lebensmittel macht da keine Ausnahme. So haben die Italiener fünf Käsesorten erfunden, die heute von kaum einer Speisekarte wegzudenken sind, wobei das Zunge schnalzende Lob immer nur vier von ihnen trifft.
Während man über den Ruhm von Parmesan und Mozzarella nicht mehr reden muss, ist der üppige Mascarpone in Süßspeisen, der würzige Pecorino im Pesto beliebt.
Und Ricotta? Ja, war das nicht so ein äh - Quark?
Hier muss man zur Ehrenrettung schreiten und kurz klären, dass es um einen Frischkäse (Schaf oder Kuh) geht, für dessen Herstellung Süßmolke, ein Überbleibsel beim Käsen anderer Sorten, erneut erhitzt wird. Als lupenreines Recycling-Produkt ist Ricotta (von lat. recocta, nochmals gekocht) also der wohl modernste Käse überhaupt - mit einer angenehm unmodernen Eigenschaft: Seine Stärke besteht gerade darin, sich nicht in den Mittelpunkt zu rücken.
Steigbügelhalter für Aromen
Krümelig bis cremig und von süßer Milchigkeit, ist Ricotta einer der großen Diplomaten der Küche, eine Art Steigbügelhalter für Aromen, ob in Ravioli, Torten oder Eis. Als Füllung lässt er selbst so zartem Frühlingsgemüse wie Zucchiniblüten den Vortritt. Auf einer Pizza harmonisiert er auch die lauteste Plockwurst und als Dessert bringt er Honig, Feige, Pfeffer und Olivenöl an einen Tisch.
Natürlich ist sein Charakter auch eine Frage der Sorte, geräuchert oder gebacken wird Ricotta dominant, aber eben nur scheinbar, weil der Käse so Rauch- oder Röstaromen zur Geltung bringt.
Wagemutige servieren ihn gern stark gereift, doch muss man einen Klosterschüler auf eine prollige Partybühne zerren? Die Sache hat natürlich einen Nachgeschmack. So als würde man Schafwolle auskauen.
