Süddeutsche Zeitung

Genderspezifische Werbung:Fleischgewordener Sexismus

Lesezeit: 2 Min.

Adonis und Teufelsweib, die auf Fleischpackungen prangen. Edeka macht derzeit Reklame für Männer- und Frauen-Grillwürste und löst damit eine Debatte über geschlechterspezifische Werbung aus. Dabei muss zielgruppenorientiertes Marketing nicht falsch sein, solange die Macher eines beachten: Die Verbraucher wollen ernst genommen werden.

Von Merle Sievers

Das Male-Model entblößt seine tätowierte Schulter und einen Waschbrettbauch, auf dem man ganze Wäschetonnen schrubben könnte. Dazu wird der Körper des halbnackten Mannes umrahmt von Engelsflügeln und einem Heiligenschein. Was aussieht wie das Motiv auf einem handelsüblichen Teenie-Poster, prangt seit neustem auf einer Fleischpackung im Supermarkt und soll Frauen dazu verführen, das Produkt zu kaufen. Das Produkt trägt den Namen "Frauen-Bratwürste", enthält neben Fleisch auch Gemüse und ist "besonders mager".

Und auch die Männer bekommen ihre eigene Bratwurst: "Deftig, kräftig gewürzt" und mit mehr Fett kommen die Würstchen für harte Kerle daher. Dementsprechend ziert auch ihre Wurstpackung ein Teenie-Postermotiv: Eine vollbusige Frau mit lüsternem Blick und aufgemalten Teufelshörnern soll bei den Herren das Feuer entfachen. Damit sie gestärkt sind für die Eroberung des Teufelsweibes, ist die Wurstpackung gleich doppelt so groß wie die der Frauen. Geschlechtsspezifische Würste pünktlich zum Start der Grillsaison: Was Edeka wohl für zielgruppengerechtes Marketing hält, entpuppt sich als dumpfer Sexismus.

Was suggerieren die Männer- und Frauen-Bratwürste? Dass Männer gerne viel und herzhaft essen, während Frauen lieber Gemüse futtern und mehr auf ihre schlanke Linie achten. In gewisser Hinsicht stimmen diese Annahmen sogar, Kaufstatistiken beweisen zum Beispiel, dass Frauen mehr fettarme Produkte kaufen als Männer. Ob sie das tun, um dünner zu werden oder weil sie lieber auf gesunde Ernährung achten, ist noch mal eine andere Frage. Aber muss man Kunden den Geschlechterunterschied so dick auf's Brot schmieren?

Das Produkt als solches entspricht womöglich so manchem Bedürfnis der mutmaßlichen Zielgruppe. Aber bei einem derart offensiven Marketing fühlen sich zumindest viele Frauen schnell in eine Schublade gesteckt - und in die falsche noch dazu. Die Journalistin Susanne Enz wirft dem Unternehmen in einem offenen Brief einen "normativen Sexismus vor, der jedem Geschlecht eine 'richtige' Rolle zuweist, Hierarchie inklusive. [...] Die Geschlechterunterschiede sind in Stein gemeißelt. Frauen sollen gefallen, Männer dürfen genießen."

Mit dumpfer, genderspezifischer Werbung steht Edeka nicht alleine da. Der Blog "Ich kauf' das nicht" sammelt Produkte und Kampagnen, die sexistisch, rassistisch oder homophob diskriminierend sind. Die Palette reicht von Astra-Bier oder Caprisonne bis hin zu KFZ-Werkstätten.

Viele Unternehmen nutzen den Geschlechterunterschied, um für ihre Produkte zu werben. Allerdings spielen sie nicht mit den verschiedenen Eigenschaften von Männern oder Frauen, sondern stigmatisieren. Überhaupt scheint sich das Thema Grillen besonders für gegenderte Werbung zu eignen. Der Lebensmittelkonzern Kraft hatte im Frühling geschlechtsspezifische Saucen auf den Markt gebracht und damit im Netz für Empörung gesorgt.

Die Diskussion um geschlechtsspezifische Werbung zeigt vor allem eins: Eine grundsätzlich nette Idee kann durch platte Umsetzung zerstört werden. Gutes Marketing ist raffiniert bis subversiv und verbirgt Botschaften im Detail. Damit Werbung überzeugt, muss sie den Kunden ansprechen und ihn nicht für dumm verkaufen. Schlaue Slogans oder witzige Bilder machen ein Produkt attraktiv, nicht platte Stereotypen. Ein bisschen Um-die-Ecke- und Nachdenken dürfen die Hersteller ihren Kunden schon zutrauen.

Die Produktionsfirma der Bratwürste Rasting, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Edeka, stand für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung. Der zuständige Geschäftsführer sei im Urlaub. Edeka verwies wiederum auf die Zuständigkeit von Rasting.

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