"Gender Bending" in der Mode:"Der Markt für klassische Männermode baut ab"

Dass sich Männer weiblich kleiden, ist in der Modewelt ja eigentlich nicht so neu.

Das gab es immer wieder. David Bowie in den Achtzigern etwa, oder die Peacocks in den Sechzigern. Neu ist, dass das Gender-Thema auch gesellschaftlich extrem relevant ist. Einige Monate nach Micheles Show machte Caitlyn Jenner ihre Geschlechtsumwandlung auf dem Cover von Vanity Fair öffentlich. Amazon produzierte eine TV-Serie über die Geschichte eines transsexuellen Familienvaters. So etwas gab es zuvor nicht.

Könnte der Trend jetzt von der Gesellschaft eher angenommen werden?

Solche Prognosen sind schwierig, aber Fakt ist, dass der Markt für klassische Männermode abbaut. Anzüge verkaufen sich nicht mehr gut. Warum sonst wurden bei den Herrenausstattern Zegna und Brioni gerade die Designer entlassen? Die Einkäufer der großen Boutiquen sprechen schon länger von dieser Veränderung. Sie sagen auch, dass ihre jüngeren Kunden in der Mode viel experimentierfreudiger sind als noch die Generationen vor ihnen. Dazu passt, dass erst vor Kurzem eine Studie öffentlich wurde, die besagt, dass Kinder und Erwachsene im Alter von zehn bis 25 Jahren, also die Digital Natives, ihre sexuelle Identität nicht mehr klassisch männlich oder weiblich definieren wollen.

Das müssen Sie genauer erklären.

Es geht darum, dass sich Männer und Frauen in ihren Eigenschaften annähern. Modisch bedeutet das, dass sich Männer gewisse Codes und Details aus dem Kleiderschrank der Frauen abschauen - oder eben andersrum. Ich trage die Schluppenbluse ja auch unter einem Anzug und nicht gleich zu einem Rock. Es wird also alles nur ein bisschen fließender.

In der Fußgängerzone sieht man davon bislang trotzdem noch wenig.

Ich glaube auch nicht, dass bald jeder Mann eine Schluppenbluse tragen wird. Sie ist eher ein Schlüsselreiz, mit der die Luxusmode über Multiplikatoren auf das breitere Publikum einwirkt.

Sie meinen, dass der Trend abgeschwächt auf die Straße kommen wird?

So funktioniert es doch meistens. Und zum Teil ist der Trend ja auch schon da. Die Farbe Rosa feiert gerade ein Comeback. Ich bin sicher, dass noch einiges kommen wird. Warum nicht auch die Spitze? Es gibt sie doch jetzt schon - als Detail an Hemden oder Basketball-Shirts.

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