Geldbeutel in Gesäßtaschen:Die reinste Beulenpest

Geldbeutel in Gesäßtaschen: Geht das nicht ein bisschen dezenter? Die meisten Geldbeutel deformieren das Erscheinungsbild einer Männerhose.

Geht das nicht ein bisschen dezenter? Die meisten Geldbeutel deformieren das Erscheinungsbild einer Männerhose.

(Foto: Daniel Hofer)

Es gibt sie immer noch: Tagtäglich begegnen wir Männern in unförmig ausgebeulten Hosen, die überfüllte Geldbeutel in Gesäßtaschen stopfen. Doch haben die Herren wirklich eine Wahl? Eine Stilkritik.

Von Violetta Simon

Was ist das: Es hat zwei Beine, hinten eine unförmige Beule und geht leicht gekrümmt? Nein, kein Zombie mit Rucksack. Die Rede ist von Männern, die sich ihre Gesäßtasche mit einem Portemonnaie ausstopfen. Etwa 90 Prozent, so die subjektive Einschätzung des Stilberaters Bernhard Roetzel, würden sich auf diese Weise regelmäßig in urbane Beuteltiere verwandeln. Und das alles wozu? Um sich keine Tasche umhängen zu müssen.

Ist es nicht absurd? Da kauft sich der Mann eine wirklich wunderbare Hose. Nicht irgendeine, eine ganz bestimmte muss es sein. Für die ist er bereit, eine Menge Geld in die Hand zu nehmen. Und dann wird das gute Stück durch eine groteske Ausbeulung deformiert, weil ihm kein besserer Platz für Scheine, Münzen und Karten einfällt. Das ist etwa so, als würde sich eine Frau eine Birkinbag leisten, um darin einen Toaster, zwei Brotmesser und Motoröl mit sich herumzuschleppen.

Aber fragen wir den Experten, wie die Unterbringung der Finanzen am Po wirkt: "Gelinde gesagt: unvorteilhaft", findet Stilberater Roetzel. "Gerade bei eng sitzenden Hosen trägt ein Portemonnaie extrem auf". Je nach Schnitt hänge es unter der Pobacke oder sitze - wie bei Jeans im Design der Achtziger - mitten drauf und stehe unschön hervor. "Das ist eigentlich nur machbar bei altmodischen Opahosen, die sehr weit geschnitten sind und über einen geräumigen Hosenboden verfügen". Aber ist die Optik dann nicht sowieso schon egal?

Bemerkenswert daran ist übrigens, dass die meisten Männer offenbar nicht nur denselben Typ Geldbeutel besitzen (vermutlich käme der Markt mit einem einzigen Modell aus schwarzem Leder in Kartenspielgröße aus), sondern ihn auch an derselben Stelle spazierentragen, nämlich hinten rechts. Befindet dieser sich gerade nicht dort, so erkennt man das Geldbeuteltier an dem charakteristischen Loch in der rechten Gesäßtasche, das sich nach kurzer Zeit bildet.

Physiotherapeuten halten diese Art der Unterbringung für bedenklich, weil diese Art des Geldtransports die Wirbelsäule einseitig belastet. Die meisten Männer hingegen halten das für praktisch. Weil sie dadurch stets Kontakt zu ihrem Geld haben und spüren, ob es an seinem Platz ist. Am liebsten bleiben manche von ihnen gleich ganz darauf sitzen, weshalb sie das Portemonnaie selbst beim Autofahren nicht herausnehmen. Bei besonders dicken Exemplaren kann die Blutzirkulation unterbrochen oder der Nerv abgeklemmt werden - keine gute Voraussetzung für das rechte Bein, wenn man sich auf der Autobahn befindet.

Von der Beule zur Pest

Abgesehen davon hat die Sache auch einen gesellschaftspolitischen Aspekt: In Zeiten von Plagiat, Steuerhinterziehung und Bespitzelung sehnen wir uns nach Geradlinigkeit. Was wir wollen, sind Männer, die aufrecht durchs Leben gehen und keine krummen Dinger drehen. Doch was wir bekommen, sind verbeulte Gestalten, gekrümmt von der Last einer Geldbörse. Dass sie zum Ausgleich Handy, Auto-, Wohnungsschlüssel und anderen Plunder hinterherstopfen und auf die übrigen Hosentaschen verteilen, macht es nicht besser - im Gegenteil: Damit weitet sich die Beule erst zur Pest aus.

Die Modeindustrie hat Frauen weisgemacht, dass es in Ordnung ist, sich für eine Handtasche zu verschulden. Warum gelingt es nicht, die Männerwelt davon zu überzeugen, dass Herrenhandtaschen zumindest eine Alternative zur Beulenhose sind? Liegt es vielleicht am Aussehen der Herrenhandtaschen? Ist es wirklich möglich, dass die Menschheit die Jeans und den Reißverschluss hervorgebracht und intelligente Kleidung mit Bewegungs- und Temperatur-Sensoren erfunden hat - aber nicht in der Lage ist, eine ansehnliche Tasche für Männer zu entwerfen?

Nein, die Herrenhandtasche hat es nicht sehr weit gebracht in unserem Kulturkreis. Dass Männer ein zumindest belastetes Verhältnis zu ihr haben, wissen wir spätestens seit den Achtzigern. Da schaukelten an männlichen Handgelenken bordeauxfarbene Pfeifentäschchen aus Kalbsleder. Später hatten sie die Wahl zwischen Retrosporttaschen und Rucksäcken. Heute wirft sich die "Generation Umhängetasche", wie Stilberater Roetzel sie nennt, schrille Modelle aus LKW-Planen schräg über den Rumpf, deren gestreiften Gurte aussehen wie Karnevals-Schärpen. Selbst in die Trageschlaufen von Jutebeuteln hat die Verzweiflung einige schon getrieben.

Doch wohin mit der Kohle, sollen sich die Herren ihr Geld vielleicht im Brustbeutel um den Hals hängen? Oder im unauffälligen Moneybelt um den Bauch tragen wie Großstadttouristen? "Herrenkleidung ist seit Jahrhunderten so ausgelegt, dass man etwas darin verstauen kann", sagt Roetzel. Bei der Freizeitkleidung sei das immer noch so. Deshalb dürfe man die Seitentaschen durchaus ihrem Zweck zuführen und den Geldbeutel darin versenken.

Im Businessbereich habe man diese Möglichkeit nicht. "Deshalb erst einmal abspecken", schlägt Roetzel vor. "Genau wie Frauen ihre Handtaschen ausmisten, sollten Männer ihre Geldbörsen regelmäßig von alten Belegen, unwichtigen Visitenkarten und überflüssigen Kundenkarten befreien". Darüber hinaus könne man die Münzen auslagern (zum Beispiel in der vorderen Tasche) und Kreditkarten in einem entsprechenden Etui (zum Beispiel in der Brusttasche) verwahren. Das schützt sie auch davor, zu zerbrechen. Was dann noch übrigbleibt, dafür reicht eine Klammer. Die hat wirklich in jeder Gesäßtasche Platz.

Bei diesem Arrangement jedoch verliert man schnell den Überblick: Wo war jetzt nochmal das Kleingeld und wo die Kreditkarten? Ist die Visitenkarte vom Lieblingslokal auf dem Schreibtisch gelandet oder im Papierkorb? In dem Fall hilft ein Plan mit entsprechenden Notizen - vorausgesetzt, man erinnert sich, in welcher der vielen Taschen er sich gerade befindet.

Vielleicht ist es doch das Beste, bis auf Weiteres auf die Gesäßtasche zu setzen. Dann aber bitte gleich richtig dick auftragen: Lässige Jeans, großes Kellnerportmonnaie - und dann mit einer dekorativen Panzerkette an der Hosenschlaufe sichern. Zum Ausgleich empfiehlt sich, die Birkin-Bag der Liebsten als Gegengewicht zu schultern. Da freut sich nicht nur die Damenwelt, sondern auch der Physiotherapeut.

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