Gefahr für den Buchsbaum:Der Zünsler schlägt dort zu, wo es weh tut

Buis Buxus sempervirens Art topiaire Jardins de Marqueyssac Dordogne PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNx

Die Gärten von Marqueyssac in der Dordogne sind berühmt für ihre kunstvoll geschnittenen Buchsbäume. Doch die Raupe wird auch hier zum Problem.

(Foto: Imago)

Schädlinge hat es in Beeten und Parks schon immer gegeben, aber kaum einer trifft Gärtner so ins Herz wie der gefräßige Buchsbaumzünsler.

Von Claudia Fromme

Selten wurde ein Tier mit so martialischem Vokabular bedacht wie der Buchsbaumzünsler. Dass er wie eine "Naturgewalt" sei, diagnostizieren Biologen. In Gartenforen gibt es "Frontberichte vom Kampf" gegen ihn. Der literarische Hobbygärtner Christian Feyerabend zitiert im Werk "Garten ist Krieg" beim Zünsler den chinesischen General Sunzi: "Die Kunst des Krieges lehrt uns, nicht darauf zu hoffen, dass der Feind nicht kommt, sondern darauf zu bauen, dass wir bereit sind, ihn zu empfangen."

Der Feind ist lange da, gesichtet wurde er zuerst 2007 in Weil am Rhein, seit 2017 frisst er den Buchsbaum europaweit kahl, 80 Prozent der Bestände sind vielerorts betroffen. In diesem Frühjahr hat sich die erste Generation der Falter und dazugehöriger Raupen über ihn hergemacht, mindestens zwei weitere folgen bis Oktober.

Borkenkäfer, Schwammspinner, Gespinstmotten, Eichenprozessionsspinner und Schnecken gehen auch über Gärten oder Wäldern nieder, aber kein Schädling löst so starke Reaktionen aus wie der Buchsbaumzünsler, der über den Pflanzenhandel aus Ostasien eingeschleppt wurde.

Schon die Germanen verehrten den Buxus als rituelle Pflanze

Buchsbaumzuensler Buchsbaum Zuensler Buchsbaummotte Buchsbaum Motte Chinaraupe China Raupe Gly

Die Raupe des Buchsbaumzünslers hat kaum natürliche Feinde, heimische Vögel fressen sie nur zögerlich.

(Foto: Imago)

Das liegt daran, dass viele Menschen vom Fraß betroffen sind, auch emotional. Denn seine Raupen schlagen dort zu, wo es weh tut. Auf Friedhöfen, auf denen der immergrüne Buchs als christliches Zeichen ewigen Lebens die Gräber säumt. In gehegten Privatgärten, in denen er Beete umrahmt. Und er befällt historische Schlossparks, die dem akkuraten Flanieren am Sonntag dienen. Ehrentraud Bayer, stellvertretende Direktorin des Botanischen Gartens in München-Nymphenburg sagt: "Der Zünsler verschwindet erst, wenn es keinen Buchsbaum mehr zu fressen gibt."

Für viele wäre das ein herber Verlust. Auch wenn schon die Germanen den Buxus als rituelle Pflanze verehrten, ist er kein ruraler Klotz wie die deutsche Eiche, sondern Ausweis filigraner Gartenkunst. Seinen Höhepunkt erlebte er in den Parks von Schlössern der Renaissance und des Barock, von Versailles aus wurde der Buchsbaum später auch beim reichen Bürgertum bekannt.

. In Form geschnitten ist er vom Menschen beherrschte Natur, und vielleicht ist er in immer unübersichtlicheren Zeiten auch ein nostalgischer Rückgriff auf ein geordnetes Leben.

"Der Buchsbaum hat auch darum so eine Bedeutung für viele, weil er sehr langsam wächst", erklärt die Biologin Bayer. Oft begleite er Menschen ein Leben lang. "Wenn man ihn dann entfernen muss, ist das für viele ein Drama", sagt sie. Der Botanische Garten ist nicht französisch angeordnet, darum gibt es wenig Buchs. Aber der wenige musste gerodet werden. Die letzte kahle Hecke haben die Gärtner stehen lassen - aus pädagogischen Gründen. Auf einem Schild wird der Zünsler erklärt.

Aus Versailles ist zu hören, dass ein Viertel des jahrhundertealten Bestandes zerstört ist, im niederländischen Het Loo wurde fast der gesamte Buchs ersetzt, Sanssouci ist betroffen, und im Neuen Garten Potsdam waren 2018 etwa 80 Prozent des denkmalgeschützten Buchsbaums befallen. Boris Schlumpberger mahnt dennoch zur Ruhe. Er ist Kurator der Herrenhäuser Gärten bei Hannover, die zu den schönsten barocken Anlagen in Europa zählen. Dort gibt es Buchs in einer Länge von 20 Kilometern. "Im Moment steht der Buchsbaum bei uns nicht vor dem Aus", sagt er.

Der Buchsbaum ist im Barockgarten kaum zu ersetzen

Erst die nächsten vier Wochen würden zeigen, wie stark die erste Generation der Zünsler in diesem Jahr ist. Schwerer wiege ein 2004 erstmals aufgetretener Pilz. Jährlich würden in Herrenhausen darum bis zu 10 000 neue Buchsbäume gepflanzt. "Aus gartenhistorischer Sicht ist Buchsbaum im Barockgarten kaum zu ersetzen", sagt der Biologe. Auch nicht durch Eibe, Ilex und Thuja. "Der große Wurf ist da noch nicht dabei." Darum setze er auf neue resistentere Buchsarten, die derzeit gezüchtet würden. Natürliche Feinde hat der Zünsler keine, heimische Vögel fressen die Raupen nur zögerlich.

In der barocken Schlossanlage von Nordkirchen, das als westfälisches Versailles gilt, werden versuchsweise Laufenten auf die Raupen gehetzt, mit Erfolg. Das Umweltbundesamt empfiehlt biologische Mittel auf Basis des Bacillus thuringiensis, das man tief in die Pflanzen nebeln muss. Von innen fressen sich die Raupen nach Außen, wenn man sie dann entdeckt, ist es zu spät. Einige Hobbygärtner sammeln sie zuvor ab, andere schwören auf ein Essig-Öl-Spülmittel-Gemisch. Und doch gibt es am Ende oft einen Sieger, weil man in den Urlaub gefahren ist: den Zünsler.

Der Zünsler ist ein Kollateralschaden der Globalisierung

Der Gartengestalter Wolfgang Seethaler aus Lindau findet: "Das Verschwinden des Buchsbaums ist keine Gartenapokalypse." Erst von den 80er-Jahren an habe er praktisch vor jeder Haustür gestanden, und nicht mehr nur im Schlosspark und auf dem Friedhof. Die Gartencenterbranche habe den Hype mit günstigen Importen befeuert. Der Zünsler ist also ein Kollateralschaden der Globalisierung. Seethaler gestaltet auch Schlossgärten, aber Buchsbaum verwendet er nicht mehr.

Es gebe viele Alternativen, für formale Gärten könne es die Zwergberberitze sein, schöne Kugelformen ließen sich auch aus Eiben schneiden. Ein kleiner Kirschlorbeer sei ideal für breite Hecken. Selbst Prinz Charles rahme seine Gemüsebeete nun mit Immergrünem Gamander statt mit Buchs. Den kleinblättrigen Ilex empfiehlt Seethaler nicht, zu teuer sei er und für die kalkhaltigen, schweren Böden in unseren Breiten untauglich.

"Man muss nicht immer ein gewesenes Gartenbild kopieren", findet Seethaler. Der durch Pilz und Zünsler dahingeraffte Buchsbaum habe Platz geschaffen für eine neue Vielfalt. Manche Gärten wirkten ohne ihn viel lebendiger.

Zur SZ-Startseite
Klimawandel und Wald in der Region München, 2012

Umwelt und Naturschutz
:Der Wald ist in akuter Gefahr

Der Klimawandel begünstigt die Ausbreitung von Schädlingen. Einige Arten wie die Esche werden wohl bald verschwinden - für München ist das Baumsterben eine echte Bedrohung.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: