Süddeutsche Zeitung

Gault-Millau:Der Chef sind wir

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Gault-Millau kürt erstmals ein Duo zum "Koch des Jahres": Johannes King und Jan-Philipp Berner vom Söl'ringhof auf Sylt. Der General am Küchenblock hat abgedankt, doch den romantischen Geniekult gibt es noch immer.

Von Franz Kotteder

Oft beginnt das Neue ja gerade in der Provinz. Am Samstag zum Beispiel bei einem Hoffest für ein paar Hundert Gäste in Beuerbach, einem Dorf bei Landsberg, westlich von München. Dort steht der "Büffelhof", wo Steffen Schwencke vor mehr als 20 Jahren damit begann, italienische Wasserbüffel zu züchten, erstmals in Deutschland. Und er eröffnete ein Restaurant auf dem Hof, das er jetzt beim Fest an seinen Sohn Valentin übergab. Der hat Koch gelernt und Großes vor mit dem Lokal: Er will in die Gourmetliga aufsteigen. Aber nicht alleine, sondern zusammen mit drei Freunden, die wie er selbst zeitweise in Sternelokalen gelernt haben. Das Küchenquartett, das tatsächlich schon Beeindruckendes auf den Tisch bringt, nennt sich wie eine Rockgruppe: The Valvs, nach den Anfangsbuchstaben ihrer Vornamen Valentin, Amelie, Lucas und Vuong.

In der aktuellen deutschen Ausgabe des Gourmetführers Gault & Millau, der an diesem Montag erscheint (ZS Verlag, 768 Seiten, 3,99 Euro), sind die vier natürlich nicht vertreten. Aber vieles, was sie vorhaben, ist dort als Trend schon absehbar. So kürten die Restauranttester in diesem Jahr erstmals ein Duo zum "Koch des Jahres", die angesehenste Auszeichnung dieses Führers. Johannes King und Jan-Philipp Berner vom Söl'ringhof auf Sylt haben die begehrte Auszeichnung bekommen. King, 55, hat erst vor ein paar Monaten die eigentliche Leitung seiner Küche an Berner, 30, übertragen, ohne sich deshalb zurückzuziehen. So ist die Auszeichnung auch ein Statement für den Teamgedanken, denn die Gault & Millau-Redaktion lobt besonders, wie "harmonisch und kollegial" die Zusammenarbeit der beiden funktioniert. King sagt selbst: "Als ich den Anruf bekam, dass wir Koch des Jahres sind, war ich total happy. Was Schöneres hätte uns momentan gar nicht passieren können."

King spricht von einer perfekten Symbiose aus dem, was Berner an Neuem eingebracht habe, "und dem, was wir uns in mehr als 18 Jahren erarbeitet haben". Der Söl'ringhof lebe von allen Mitarbeitern, sagt er, man müsse dem Team Platz geben, damit es wachsen könne. Mittlerweile sähen selbst Gäste das genauso, die früher nur wegen des Namens King kamen.

Nun hat der General am Küchenblock, der seine Brigade mit harschen Kommandos zu stets neuen Höhenflügen antreibt, zwar schon länger abgedankt. Der Ton ist verbindlicher geworden in den Restaurantküchen, auch wegen Personalmangel: Wer lässt sich schon gern für meist miese Bezahlung und Stressarbeit in den Abendstunden auch noch zusammenstauchen? Aber den romantischen Geniekult, verkörpert durch den allein verantwortlichen Chef de cuisine, gibt es nach wie vor. Auch wenn alle Chefs heute unablässig betonen, wie wichtig das Team für ihren Ruhm ist.

Tüpfelchen von Cremes und Schäumchen und winzigen Kräuterblättchen

Das geht ja auch nicht anders, denn viele Teller sind wahre Ausstattungsorgien aus Tüpfelchen von Cremes und Schäumchen und winzigen Kräuterblättchen, die mit Pipette und Pinzette arrangiert werden müssen und allein deshalb schon größere Gruppen von Köchen beschäftigen. Der Gault & Millau stellt zwar fest, dass diese Materialschlacht inzwischen ihren Höhepunkt erreicht haben dürfte, weil die Gäste es zunehmend lockerer haben wollten. Längst legten sie auch in Spitzenrestaurants keinen Wert mehr auf steife Tischdecken, sondern stellten den Spaß am Genuss in den Vordergrund. Zugleich aber ist die Gourmetbibel auch eine große Bewahrerin des Althergebrachten, wenn man manche Bewertungen liest. "Typisch ein Hauptgang wie ,kalb, erbse & kamebishi soja 10y'", heißt es etwa zum Berliner Spitzenkoch Tim Raue, "das Fleisch vom Kalbskamm ist zart geschmort, hat aber Fasern wie beim Pulled Pork, es liegt in einem glänzenden Spiegel aus Sojasauce, die zehn Jahre lang in Zedernfässern reifte und mit Chili stark eingekocht wurde". Ob derartig fast schon manieriertes Spezialistentum Schwellenängste mindert?

Auch was die Wertungen angeht, ist der neue deutsche Gault & Millau wieder nah am kulinarischen Establishment. 19,5 von 20 möglichen Punkten bekommen die gleichen acht Restaurants wie im vergangenen Jahr, zu Deutschlands Spitzenköchen zählen damit unter anderem wieder Tim Raue, Christian Bau, Sven Elverfeld, Klaus Erfort und Christian Jürgens. Auch bei den 19 Punkten tat sich nichts, erst von 18 Punkten an gibt es Neuzugänge. Neben dem "Koch des Jahres"-Duo ist das zum Beispiel auch der "Aufsteiger des Jahres", Daniel Schimkowitsch vom L. A. Jordan im pfälzischen Deidesheim.

Ungebrochen stark ist der Trend zum Kochen mit regionalen Produkten in der Spitzenküche. Auch da hat Johannes King bereits 2004 Zeichen gesetzt, damals sagten sie im Söl'ringhof: "Wir verwenden keine Fische mehr, die südlicher als Hamburg schwimmen!" Und wie hält er es mit regionalen Wasserbüffeln, die Beuerbacher haben da nämlich eine Kooperation mit einem Büffelhof in Norddeutschland? Da lacht der Koch des Jahres und sagt: "Wenn das Produkt sehr gut ist, würden wir das sicher mal einsetzen. Aber ein Schwerpunkt würde es bei uns wohl nicht werden."

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Quelle:
SZ vom 12.11.2018
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