Gartentrends:Frühling vor dem Fenster

Zeit, Tulpen und Narzissen zu pflanzen: Die wärmeren Temperaturen wecken Lust auf Gartenarbeit in Gummistiefeln und auf bunte Blumen auf dem Balkon. Experten verraten die Trends und Tipps der kommenden Gartensaison - denn auch Großstädter können den Frühling zu Hause erleben.

Anna Günther

Haushohe Mauern, dicht mit Efeu bewachsen, undurchdringlich im englischen Nebel. Doch von einem Rotkehlchen gelockt findet Mary ein Tor in der Mauer und erblickt durch das Schlüsselloch einen verwunschenen, überwucherten Garten. Vor 100 Jahren veröffentlichte die englische Schriftstellerin Frances Hodgson Burnett ihren Jugendroman Der geheime Garten, in dem das Waisenmädchen Mary vor der herrischen Hausdame ihres Onkels in den Park flüchtet. Sie findet den Schlüssel zum geheimen Garten und hegt die Pflanzen behutsam, bis alles in alter Pracht erstrahlt.

Fruehlingsblueher

Frühlingsboten: Tulpen, Narzissen und Primeln werden derzeit besonders gepflanzt.

(Foto: dapd)

Der Garten als Rückzugsort ist im Trubel von Wirtschafts-, Banken- und Eurokrise gefragter denn je. Flüchteten sich vor Dekaden Dichter und Liebende in dichte Lauben, gilt der Garten heute als Wellness-Ort vor der Haustür. In München widmet sich von Mittwoch an die Gartenmesse sieben Tage lang allen Fragen rund um Blumen, Beete und besondere Trends. 150 Aussteller präsentieren auf 11.000 Quadratmetern im Messegelände Showgärten, Gartenmöbel, Polsterkissen, Vogelhäuschen, Stauden, Terrakottatöpfe, Duftkräuter und Dekorationsideen für Ostern. 1995 fand die "Garten München" zum ersten Mal statt, doch im Lauf der Zeit hat sie sich von einer Blumenschau zu einer Gartenausstellung gewandelt, die gezielt Ideen zur Gestaltung und Ausstattung von Gärten, Terrassen und Balkonen zeigt. Neben der Blumengala zum Motto "Osterinseln" beweisen Jungfloristen am Samstag, 17. März, vor Publikum, was sie können.

Sehnsucht nach ländlicher Bodenständigkeit und Romantik

Der Gestaltung von Haus und Garten widmen sich seit geraumer Zeit zahllose Zeitschriften und Dekorationsblätter. Auch die einschlägigen Frauenmagazine zeigen ihren Leserinnen regelmäßig auf Themenseiten, was im Garten gepflanzt und im Wohnzimmer dekoriert werden sollte. Das Flaggschiff dieser Sparte, das Magazin Landlust aus dem Münsteraner Landwirtschaftsverlag, erobert seit 2005 mit Themen rund um Haus, Garten, Einkochen und Selbermachen auf dem umkämpften Zeitschriftenmarkt eine stetig steigende Auflage: 886.355 Exemplare verkaufte der Verlag im letzten Quartal 2011; davon wurden 324.598 Stück an Abonnenten und 551.348 Exemplare im Einzelhandel verkauft. In der aktuellen Ausgabe thematisiert die Redaktion Topfpflanzen, Kochen im Grünen und geeignete Häcksler für den Garten.

In einer Zeit des Verlustes von Sicherheit und Verlässlichkeit sehnen sich die Menschen zusehends nach ländlicher Bodenständigkeit und Romantik, so beschreibt Susanne Stärkert, Sprecherin des Landwirtschaftsverlags, das Erfolgskonzept des Magazins. Es gebe eine Rückbesinnung auf das wirkliche Leben, das Bedürfnis mal wieder Hand im Garten anzulegen, Kartoffeln zu setzen und zu ernten. Mittlerweile zeigt der NDR sogar "Landlust TV".

Das Thema Garten scheint seit einigen Jahren solide Profit zu bringen, auch der Kinderbuch-Verlag Coppenrath verkauft seit etwa 2005 rote Gartenutensilien mit weißen Tupfen. Aus einer Kooperation der verlagseigenen Non-Books-Edition Spiegelburg mit einem Gartenmöbel-Hersteller sei die Idee entstanden, sagt Verlagssprecher Tomas Rensing. Die Linie laufe seither "sehr, sehr erfolgreich" und werde immer weiter ausgebaut. Anfangs gab es getupftes Geschirr, mittlerweile auch Regencapes, Grilleimer, Gummistiefel und Fahrradklingeln. Absolute Zahlen will Rensing "aus Prinzip" nicht nennen. Bücher und Geschenkartikel machten aber nach wie vor je zur Hälfte den Umsatz des Verlages aus.

Erdbeeren und Basilikum auf winzigen Balkonen in der Innenstadt

Mit Maloche und Matsch im heimischen Garten hat all das nur noch wenig zu tun, ein Großteil der trendigen Tipps richtet sich an Terrassen- und Balkonbesitzer. Auch die Lebensmittelskandale der vergangenen Jahre und die Tendenz, sich bewusster zu ernähren, lassen selbst auf winzigen Balkonen in der Innenstadt Tomaten, Erdbeeren, Basilikum oder Pfefferminze für den morgendlichen Tee wachsen. "Das ist ein Riesenthema, besonders im Raum München", sagt Andreas Becker, Leiter der Gartenakademie in der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau.

Seit 1994 bietet die Akademie Fortbildungen und Ratschläge zum Hobbygarten, zunächst vorrangig für Obst- und Gartenbauvereine, Kleingärtner sowie Eigenheimverbände. Doch die Anfragen von Privatpersonen nähmen zu, sagt Becker. Gut 6000 Anrufer und ebenso viele Besucher berate sein Team pro Jahr, im Internet besuchten Pflanzenfreunde 1,5 Millionen Mal die Seite der Akademie. "Der Garten ist moderner Luxus, immer mehr Menschen erholen sich lieber vor der Haustür, als zu verreisen", sagt Becker.

Tomatensträucher gedeihen gut in großen Töpfen

Besonders junge Familien suchten Rat bei den Spezialisten. Das Internet sei für diese Nutzer sehr wichtig, also biete die Akademie Pflanzen-Apps, Videoclips und einen Gemüseblog. "Wir erklären im Blog, zu welchem Zeitpunkt welche Sorte ausgesät wird und was die Gärtner beachten müssen, wenn sie auf dem Balkon Gemüse ziehen", sagt Becker. Bei Tomaten sei es zum Beispiel sehr wichtig, eine Sorte zu kaufen, die gegen die Kraut- und Knollenfäule resistent ist. Denn gerade Tomaten könnten erkranken, wenn sie in zu feuchten Bereichen stehen oder von oben gegossen werden. Die Sträucher gedeihen besonders gut in einem großen Topf, in dem sich die Wurzeln ausbreiten können.

Um bald ein Blumenmeer vor dem Fenster zu erblicken, werden derzeit besonders Narzissen, Primeln und Tulpen gepflanzt, sagt Claudia Wörner von der Kunst- und Lustgärtnerei Oberschleißheim. Im Beet sei es wegen des Frostrisikos noch zu gefährlich, aber auf dem Balkon oder an der Hauswand könnten die Blumen gedeihen. Begehrt seien auch Duftkräuter wie Rosmarin, Zitronenthymian oder Lavendel. Große Gärten werden im eng bebauten Ballungsraum München seltener, doch die Nachfrage nach großen Bäumen, Stauden und Sträuchern ist ungebrochen, sagt Wörner. Der Trend gehe aber weg vom puristischen japanischen Stil mit klaren Linien hin zu pflegeleichtem, natürlichem Bewuchs wie Gräser, Buchs oder Geranium.

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