Am Anfang war die Theorie. Es gab die Schlangen vor den Rathäusern, in denen sich Menschen in Listen für mehr Artenschutz eintragen konnten. Am Ende waren es 1,8 Millionen, die in Bayern dem Ruf "Rettet die Bienen" gefolgt sind. Es gab jene, die sich auf Demos als Biene verkleideten, um für deren Schutz zu werben. Und andere, die Protestbanner trugen, auf denen "Bee a hero" stand oder auch "Deine Mudder", worüber eine Erdkugel in Wasserfarben gemalt war.
In der Praxis setzt nach geleisteter Willensbekundung dann doch oft die Behäbigkeit ein. Bei den Bienen ist es anders, und zwar bundesweit, natürlich beunruhigt nicht nur die Bayern, dass der Bestand aller Fluginsekten in Deutschland seit der Wende um drei Viertel geschrumpft ist, wie eine Langzeitstudie der Universität Nimwegen und des Entomologischen Vereins in Krefeld zeigt.
Spaziert man dieser Tage durch Baumärkte, Kleingärten und Vorstadtsiedlungen, trifft man auf wildentschlossene Hobbygärtner, die nicht warten wollen, bis weniger Pestizide verspritzt werden. Lorbeerhecken werden gerodet, Zuchtrosen eliminiert, Zierrasen abgetragen, um statt dieser, nach Naturlehrbuch insektenfeindlichen Gewächse, Platz zu schaffen für Wildblumenwiesen und Hecken aus Kornellkirsche oder Palmweide. Stauden in Gartencentern ziert nun auf dem Etikett der Zusatz "Bienenweide" für pollen- und nektarreiche Pflanzen. Kommunen werben damit, wenn sie eine Kiesböschung zur Wildblumenwiese umbauen.
Nett zu Insekten zu sein, ist auch eine Marktlücke
Der Wille zum naturnahen Garten ist also da, wie geht man nun vor? Die Biologin Elke Schwarzer hat diverse Bücher zu dem Thema geschrieben, und sie betreibt den Blog "Günstig gärtnern". "Die Bienen brauchen uns, vor allem aber brauchen wir sie", sagt Schwarzer. Ohne deren Bestäubung wächst keine Frucht, viele Gemüse auch nicht. Klar, klingt banal, aber das kann man nicht oft genug betonen, sagt sie. Das ganze Gartenjahr über, von Frühjahr bis Herbst, ein blühendes Angebot zu schaffen sei wichtig - für die Honigbiene, aber mehr noch für die vielen gefährdeten Wildbienen, die keinen Imker haben, der seine Zuchttiere bei Bedarf einfach näher an die Blüten fährt.
"Es muss nicht alles rausgerissen werden, was da ist", sagt Schwarzer. Wenn einer Forsythien oder Magnolien mag, welche Bienen meiden, bleiben die drin, nur pflanzen sollte man keine. Wer starten will mit insektenfreundlichen Pflanzen, dem rät sie für schnelle Erfolge zu Färberhundskamille, Echtem Ziest, Glockenblume und Wiesenstorchschnabel.
Es gibt viele Blumen, die schön sind, aber für Insekten wertlos. Zu stark gefüllte Blüten wie die klassischen Rosen, Chrysanthemen und Dahlien werden so gezüchtet, dass die sonst Pollen produzierenden Staubblätter nur Staffage sind. Es gibt für Insekten nichts zu sammeln und meist auch keinen Nektar. Naturnah sind aber Blumen, bei denen man in der Mitte Staubgefäße sieht, wie Wildrosen, ungefüllte Margeriten und ebensolche Pfingstrosen und Dahlien. Auch Wicken, Sonnenblumen und die Akelei empfehlen sich.
Generell stehen die wilden Cousinen der Zuchtblumen für die Abkehr vom deutschen Spießergarten. Nicht mehr das zu Tode gepflegte künstliche Idyll mit einem raspelkurzen Rasen, der nur zum Beeindrucken der Nachbarn da ist, aber nicht zum Betreten, ist das Maß aller Dinge, sondern das geordnete Chaos. Dort zieht auch wieder Gemüse ein. Das wird nicht mehr streng in Reihen gepflanzt, sondern gemischt mit Blumen und Gräsern.
Ein sonniger Platz, trocken und windgeschützt
Es sind aber nicht nur die Pflanzen, die einen Garten naturnah machen, Insektenhotels tun es auch. Anders als oft vermutet sind die Häuschen mit Bambusstängeln, Ziegeln und Baumscheiben selten Überwinterungsorte, sondern Nistplätze. Sie gehören an einen sonnigen Platz, der vor Wind und Regen geschützt ist. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) bietet auf seiner Internetseite eine Anleitung zum Selberbauen. Wer ein Insektenhotel kauft, sollte genau hinschauen. Der Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) weist darauf hin, dass ein "Großteil der sogenannten Insektenhotels eher dekorativ als artgerecht" ist. Oft wird Weichholz verwendet, darin fransen Bohrlöcher aus, woran sich Wildbienen wiederum verletzen können. Auch seien Füllungen mit Holzwolle, Stroh und Fichtenzapfen weitgehend nutzlos.
Blattlausfresser wie Marienkäfer und die Larven der Florfliegen sind laut LBV mit Totholzstapeln besser bedient, auch der Goldrosenkäfer, die Gewöhnliche Löcherbiene und der Gemeine Widderbock brauchen sie. Doch beim Berg aus verrottetem Holz sind neu entflammte Naturgärtner zögerlich. "Totholzstapel sehen immer aus wie ein Versehen", sagt Elke Schwarzer, die Biologin. Sie empfiehlt, zwei, drei Birkenstämme vertikal einzugraben. Beim Burgerbrater "Hans im Glück" sind sie in der Deko ein großes Ding, im Garten werden sie ein Hort für Pilze und Käfer. Wichtig ist bei jeder Art Herberge, dass es in der Nähe Wildpflanzen gibt. Elke Schwarzer sagt, sie finde es rührend, wenn Kinder an Schulen Insektenhotels für den Pausenhof bauten. Wenn dort aber alles asphaltiert sei, werde kein Insekt überleben.
Die insektenfreundliche Pflanzenkunde ist eine Wissenschaft für sich, jeder Naturgärtner empfiehlt andere Blumen, anderes Grün. Auch gibt es unzählige Arten, die gleichermaßen Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten anlocken, die krautige Phazelie oder die kunterbunte Lupine sind da die Klassiker. Und es gibt Pflanzen für Spezialisten, die nur mit dieser einen Pflanze überleben können, die Knautien-Sandbiene zum Beispiel, deren nahezu alleinige Pollenquelle die Wiesenwitwenblume ist. Oder die Weidenröschen-Blattschneiderbiene, die unbedingt das Schmalblättrige Weidenröschen braucht.
Dann wieder gibt es Gewächse, die nur Raupen Futter bieten und andere wieder nur den Bienen oder Schmetterlingen, und manche für beide Entwicklungsstadien. Die Sal-Weide, das Weidenkätzchen, bietet rund hundert Schmetterlingsarten Nahrung, manchen sogar für die Falter und deren Raupen. Etwa den C-Faltern, dem Großen Fuchs und der Gothica-Kätzcheneule.
Wer will, dass es das ganze Gartenjahr brummt und summt, braucht eine breite Mischung aus Pflanzen, sowohl für Generalisten als auch Spezialisten. Denn wenn die breit suchenden Honigbienen spezialisierten Wildbienen alles wegfressen, sind die gefährdeten Wildinsekten, die manchmal eben nur mit einer bestimmten Pflanze überleben können, einmal mehr bedroht.
Man darf natürlich auch Wunschkonzert im eigenen Garten spielen. Wer gerne Taubenschwänzchen sehen will, dem rät Elke Schwarzer zu Sommerflieder (Buddleja), Flammenblumen (Phlox), Hyazinthen und Waldgeißblatt, die mögen die kolibrihaften Schwärmer sehr. Deren Raupen ernähren sich gleichwohl von verschiedenen Labkrautarten. Gefährdet sind die Falter zwar nicht, aber eben wunderschön.
Geeignet: Fette Henne, Salbei, Woll-Ziest, Edeldisteln und Lavendel
Das ist alles sehr speziell, wird aber derzeit in Gartenblogs mit Feuereifer diskutiert, ebenso wie in VHS-Kursen, in denen die Wartelisten für das Biogärtnern lang sind. Eigenes Grün haben in der Stadt nur wenige, Schrebergärten sind Mangelware, also ist der Einsatzort oft der Balkon - der ebenso zum Landeplatz für Insekten werden kann. Klassische Balkonblumen wie Geranien und Petunien bieten ihnen kaum etwas, dafür aber Kräuter wie Echter Salbei, Thymian und Wilder Majoran. Derzeit machen sich Zwiebelblumen wie Narzisse und Krokus gut, danach ungefüllte Dahlien und Zinnien. In großen Kübeln kann man Natternkopf oder Akeleien halten. Bei knappem Platz sind Kletterpflanzen dienlich wie Duftwicke und Kapuzinerkresse.
Wildpflanzen sind das neue Hochbeet im Garten. Viele, aber wirklich nicht alle, sehen gut aus, aber dienlich sind sie immer. Die Hochbeete wegen der rückenschonenden Höhe - und die Wildpflanzen, weil sie robuster sind als die Zuchtverwandtschaft. Sie kommen selbst bei Hitze oft eine Woche ohne Wasser aus, was sie zu begehrten Pflanzen für Menschen macht, die nicht viel Zeit für einen Garten haben. Als trockenresistent gelten Fette Henne, Salbei, Wollziest, Edeldisteln und Lavendel. Nicht alle, die dem Trend zum pflegeleichten Garten folgen, denken dabei aber an Wildpflanzen. "Leider schütten viele ihren Garten mit Steinen zu", sagt die Biologin Elke Schwarzer. Die brauchen zwar kein Wasser, heizen die Umgebung in einem heißen Sommer aber noch mehr auf - und bieten den Tieren dann gar nichts mehr.