Garten:Die Kanne der Nation

Lesezeit: 6 Min.

Altbekannte Form: Die grüne Gießkanne der Firma Geli. (Foto: Geli GmbH/Geli GmbH)

Groß, grün, günstig: Die Gießkanne der fränkischen Firma Geli steht in jedem Garten und wurde oft kopiert. Auf den Spuren eines Designklassikers.

Von Kathrin Hollmer

Die Gießkanne kommt als Schlauch zur Welt. In einer wuchtigen Maschine fließt sie als weicher, grüner Kunststoffschlauch aus einer Düse. Dass daraus ein Designklassiker wird, den vermutlich jeder erwachsene Mensch in Deutschland schon einmal in der Hand gehabt hat, ahnt man da noch nicht: die Gießkanne mit ovalem Korpus, schlankem Ausguss und abnehmbarem Brausekopf, die in nahezu jedem Garten und mit Sicherheit in jedem Baumarkt und Gartencenter der Republik zu finden ist. Damit es so weit kommt, wird der Kunststoffschlauch noch wie ein Ballon aufgeblasen und schließlich von zwei Formhälften in Kannenform gepresst.

Diese Kannen gehören als Mitnahme-Artikel an jede Baumarkt- und Gartencenter-Kasse. Zu Hause stehen die großen neben der Regentonne, die kleineren auf der Fensterbank, den Großteil der Zeit, ohne dass ihnen jemand Beachtung schenkt. Ihr Design ist gleichzeitig unauffällig und markant in seiner Allgegenwart. Zwar wird es heute vielfach kopiert, aber die Urgießkanne geht zweifelsfrei auf ein ganz bestimmtes Modell zurück: die Gartengießkanne der Geli GmbH in Alzenau im Landkreis Aschaffenburg.

Den Firmensitz, ein tannengrünes Gebäude im Stadtteil Michelbach, kann man nicht verfehlen. Geli, kurz für Gebrüder Lippert, steht in großen weißen Lettern auf der Fassade. Die Lipperts produzierten bereits vor dem Zweiten Weltkrieg im Erzgebirge Wärmflaschen und Gießkannen aus Blech. Nach dem Krieg zogen die Brüder Ehrenfried und Joachim zu ihrer Tante nach Alzenau und gründeten 1949 die "Geli Thermo-Plastic Gebr. Lippert GmbH". Die Fertigungshalle, die sie in den 50ern bauten, steht heute noch. Durch diese führen der Sohn von Ehrenfried Lippert, Thomas Lippert, 65, und dessen Kinder Nadine, 31, und Pascal Lippert, 29, die inzwischen mit dem Cousin ihres Vaters, Günter Lippert, die Geschäfte führen.

Der Ort, von dem die Gießkannen kommen: in der Fertigungshalle der Firma Geli in Alzenau. (Foto: Geli GmbH)

1961 entwickelte Ehrenfried Lippert die erste Kunststoffgießkanne, die aus einem Stück hergestellt wird. Kunststoff war in den 60er-Jahren das Material der Zukunft: leicht, aber robust; im Gegensatz zu Blech rostet Plastik außerdem nicht. Die Blechgießkannen mussten die Lipperts noch in Handarbeit zuschneiden und schleifen, für die Herstellung der Gießkanne bauten sie eine alte Blasformmaschine um.

In der Fertigungshalle in Michelbach ist Fotografieren verboten. Vor allem die Maschine, aus der die Kannen kommen, ist tabu. Firmengeheimnis. So viel kann man sagen: Dass die Gartengießkanne aus einem Stück gefertigt ist, macht sie stabil und dicht. "Man muss sie nicht nachträglich verschweißen, was sie anfällig machen würde für Produktionsfehler", sagt Pascal Lippert. Drei Zehn-Liter-Gießkannen schafft die Maschine pro Minute.

Dass "die Geli" die beliebteste Gartengießkanne der Deutschen ist, kann man weder be- noch widerlegen, aber ahnen. Belegen lässt sich, dass die Gartengießkanne schnell ein großer Erfolg wurde. Bereits 1971 verkaufte das Unternehmen eine Million Kannen in einer Saison. Die Stückzahlen sind jedes Jahr gestiegen, insgesamt hat Geli mehr als 130 Millionen Gießkannen in die Welt verteilt - und da sie ziemlich robust sind, dürfte ein guter Teil davon noch in Gebrauch sein. Die neueren in sattem Grün, die älteren ausgeblichen vom Sonnenlicht.

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Bereits die Ur-Gartengießkanne war grün und fasste zwei oder drei Liter, die Lipperts sind sich heute nicht sicher, und Erfinder Ehrenfried Lippert ist vor Jahren gestorben. Heute gibt es sie in fünf Größen mit einem Fassungsvermögen von einem bis 14 Litern. Am beliebtesten ist die Zehn-Liter-Kanne in Grün. In Deutschland, wo Geli hauptsächlich verkauft, ist man beim Gärtnern traditionell. Es gibt die Gartengießkanne heute auch in verschiedenen Blautönen, in Anthrazit, Gelb, Rot, Mintgrün, Orange, Lila und Pink, das Design jedoch ist seit 60 Jahren unverändert.

Anders als in den 60er-Jahren ist der Markt heute voll von Kunststoffgießkannen, aber keine wirkt so harmonisch wie "die Geli". Thomas Lippert sagt pragmatisch: "Es ist halt die Form, die am weitesten verbreitet ist." Pragmatisch ist überhaupt alles an der Gartengießkanne. Sie ist unauffällig, bescheiden. Kein Gramm ist zu viel, man schleppt schon schwer genug am Wasser. Understatement auch beim Namen. Im Produktkatalog von Geli gibt es einen Blumenkasten namens "Maya" und ein Pflanzgefäß "Conny". Die Gartengießkanne heißt "Gartengießkanne".

Ein Anruf bei Thomas Buchenau aus Grafschaft im rheinland-pfälzischen Landkreis Ahrweiler, Geschäftsführer des Verbandes deutscher Gartencenter. "Die Form der Gartengießkanne ist so zeitlos, dass sie immer in Mode war", sagt er. "Ein ehrliches Design für ehrliche Gartenarbeit." Jedes Detail an der Gießkanne hat einen Zweck: die Literskala natürlich und die ringförmige Ausbuchtung in der Mitte, die nicht einfach Zierde ist, sondern für zusätzliche Stabilität sorgt und der Gießkanne Spannung nach außen gibt, sodass sie sich nicht so leicht eindrücken lässt. Für den Brausekopf gibt es eine Aufsteckvorrichtung über dem ergonomisch geformten Griff. Selbst 14 Liter Wasser lassen sich mit ihr bequem tragen, weil ihre ovale Form das Gewicht beim Laufen optimal ausbalanciert. "Das ist wahre Ingenieurskunst", sagt der Präsident des Landesverbands Gartenbau Thüringen und Kaktusgärtner Ulrich Haage aus Erfurt am Telefon. "Da hat sich jemand richtig Gedanken gemacht und einen Standard geschaffen. Da steckt weitaus mehr Grips in dem Modell, als man auf den ersten Blick erkennt, das merkt man als Gärtner, wenn man den ganzen Tag damit arbeitet."

Die Geli-Gießkanne, sagt Haage, erinnere ihn an seinen Onkel, der ihm als Kind das Gärtnern beibrachte. "Er zeigte mir, dass das Wasser aus dem Brausekopf eine ballistische Flugkurve macht, bevor es auf der Pflanze oder dem Beet ankommt." Je nachdem, ob der Aufsatz nach oben oder unten zeigt, ist der Wasserdruck stärker oder leichter, gezielter oder auf eine größere Fläche verteilt. Haage erinnert sich, wie sein Onkel im Sommer schwer schnaufend zwei große "Gelis" durch die Beete trug. "Als ich das erste Mal allein zwei Kannen hochheben konnte, dachte ich: Jetzt bin ich groß."

1971 verkaufte die Geli GmbH zum ersten Mal eine Million Gießkannen in einer Saison. (Foto: Geli GmbH)

Der Erfolg der Gartengießkanne hat sicher auch mit so einem nostalgischen Gefühl zu tun. Und, da braucht man sich nichts vormachen, auch mit dem Preis. Dass die Gartengießkanne - das Zehn-Liter-Modell kostet im Baumarkt 4,49 Euro - heute überhaupt noch in Deutschland produziert wird, ist ein Wunder. Außer ihnen, sagt Thomas Lippert, mache das niemand mehr in Deutschland. Möglich sei es durch die automatisierte Fertigung. Der Preis allerdings sei nur deshalb so niedrig, weil ihre Kunden darauf bestehen. In großen Ketten macht Geli den Großteil des Umsatzes. "Für uns ist die Kanne immer teurer geworden, weil die Preise für Rohstoffe, Maschinen, Arbeitsstunden, Verpackung und Transport im Laufe der Jahre gestiegen sind", sagt Thomas Lippert. "Wir verdienen quasi nichts mit der Gießkanne, sondern kommen ungefähr bei null raus." Die unverbindliche Preisempfehlung sei in den vergangenen zehn Jahren um die 60 Prozent gestiegen. Allein in diesem Jahr hätten sich ihre Material- und Energiekosten aber teilweise um 40 Prozent verteuert. "Unternehmerisch würde es viel mehr Sinn machen, nach Polen zu gehen und die Produkte nach Deutschland zu transportieren", sagt Pascal Lippert. Aus Überzeugung bleibe man in Deutschland, made in Germany werde ja auch wieder mehr geschätzt. "Die Gartengießkanne ist außerdem das Aushängeschild", sagt Nadine Lippert, "und der Türöffner für unsere anderen Produkte." Zum Sortiment gehören Blumenkästen, Blumentöpfe und Untersetzer, in Deutschland dürfte es wenig Gärten ohne Produkte aus Alzenau geben, doch das wichtigste Produkt bleibt die Gartengießkanne.

In der Zentrale in Michelbach stapeln sich eingeschweißte Gießkannen bis zur Decke. Das Lager ist in diesem Jahr etwas voller als normal. Das Hauptgeschäft machen sie im Frühjahr und Sommer, und auch da ist es wetterabhängig. Regnet es zwei Wochen lang viel, bleiben die Bestellungen aus, nach einer trockenen Phase kommen sie wieder rein. Der Garten-Boom zu Pandemiebeginn, als sie in Michelbach kaum hinterherkamen mit der Produktion, hat sich gelegt. Die Menschen haben sich eingedeckt mit Gießkannen und Blumenkästen, die mindestens ein paar Saisons halten. Auch das ist ein Grund für den Erfolg der "Geli". "Wir haben Gartengießkannen zu Hause, die 20 Jahre alt sind", sagt Pascal Lippert. Sein Vater ist zurückhaltender: "Es kommt schon auf die Behandlung an. Kunststoff ist empfindlich gegenüber UV-Licht. Wenn eine Gießkanne ständig in der Sonne steht oder im Winter, mit Wasser gefüllt, friert, kann sie früher kaputtgehen." Außerdem habe man keinen Einfluss auf Materialschwankungen.

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Überhaupt, das Material. In den 60ern war Kunststoff Innovation, heute hat Plastik kein gutes Image. In Alzenau geht man proaktiv damit um. Geli verarbeitet seit mehr als 30 Jahren Recyclingmaterial, ein großer Teil des Sortiments besteht komplett daraus. Früher galt recyceltes Material als minderwertig und billig. "Heute können die Recycling-Aufkleber auf den Produkten gar nicht groß genug sein", sagt Nadine Lippert. Seit 2020 ist eine Recycling-Gießkanne im Sortiment. Auch die Verpackungen sind aus Recyclingmaterial, und jeder Kunststoffabfall, der in der Fertigung anfällt, wird gemahlen, eingeschmolzen und weiterverarbeitet. Ins Detail gehen die Lipperts auch hier nicht.

Ist die Geheimhaltung nicht etwas übertrieben? Die Gartengießkanne wurde schließlich oft kopiert. Mal haben die Fake-Kannen zwei oder drei Streifen in der Mitte, mal ist das Grün greller, der Griff wuchtiger oder die Aufsteckvorrichtung kleiner und das Material meistens dünner. "Das Design war nie geschützt. Inzwischen kann man die Gießkanne eins zu eins kopieren", sagt Pascal Lippert. Kleine Unternehmen, erklärt sein Vater, hätten sich damals keine Gedanken über solche Sachen gemacht. "Das war ja alles viel zu teuer, und das Geld haben wir lieber in die Technik gesteckt, um die Produktion voranzubringen." Die neuen Produkte, die das Unternehmen entwickelt, seien geschützt, man halte "einige" Patente.

Auch die Gartengießkanne wird weiterentwickelt. Im kommenden Jahr will das Unternehmen eine "Gelbe-Sack-Gießkanne" auf den Markt bringen, die komplett aus Verpackungsmüll besteht, sagt Pascal Lippert, der für die Produktentwicklung zuständig ist. "Außerdem arbeiten wir an einer Gießkanne und einem Sprüher in einem völlig neuartigen Design." Mehr kann er aber wirklich noch nicht verraten.

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