"Eigener Herd":Königin der Fischsuppen

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(Foto: imago images/Image Source)

Heute erlesen, teuer und edel, früher eher ein Reste-Essen: Kaum ein Rezept spiegelt unser seltsames Verhältnis zu Meerestieren so wie das für Bouillabaisse.

Von Marten Rolff

Unter den Fischgerichten gilt die Bouillabaisse bis heute als Königsdisziplin. Keine Frage, es ist eine fantastische Suppe. Doch ebenso interessant ist, wie gut sich an ihrer Rezeptgeschichte unser - auch zweifelhaftes - Verhältnis zum Fisch ablesen lässt.

Ihr Ursprung soll mehr als 2500 Jahre zurückgehen, auf eine Suppe phokäischer Seefahrer, die nur Fisch und Wasser enthielt. Vorläufer der Bouillabaisse sind womöglich seit dem 16. Jahrhundert im Katalanenviertel von Marseille entstanden, auch weil man dort Safran kannte. Diese Art Fischsuppe war trotz des Gewürzes ein Arme-Leute-Gericht, das die Fischer mit Beifang und wegen ihrer Knochigkeit schwer verkäuflichen Fischarten aromatisierten (geschmacklich übrigens super). Doch bald wurde verfeinert, und schon das erste offizielle Rezept zu "Bouil-Abaisse à la Marseillaise", erschienen 1830 in "Le cuisinier Durand" von Charles Durand, führte so edle Zutaten auf wie Wolfsbarsch und Languste.

Spätestens mit der Blütezeit des modernen Tourismus wurde die Bouillabaisse zum Trumpf der Gastronomen am französischen Mittelmeer. Köche überboten sich gegenseitig mit Opulenz und angeblichen Originalrezepten. Und weil im Zuge von krasser Überfischung und Preisdruck zunehmend über die Zutaten gelogen wurde, sah sich eine Gruppe französischer Köche 1980 gezwungen, in einer "Charta" festzulegen, was genau in die Bouillabaisse gehört. Verschiedene festfleischige Felsenfische zum Beispiel; roter oder brauner Großer Drachenkopf, Seeteufel, Knurrhahn, Zackenbarsch oder Petersfisch - Arten, die immer teurer wurden und die man heute selbst auf mediterranen Fischmärkten oft nur unter größeren Schwierigkeiten bekommt.

Zu Hause gekocht wird die aufwendige Suppe auch in Frankreich deshalb immer weniger. Meerestiere sind vielen heute vor allem als Stäbchen, makelloses Lachs- und Thunfischsteak oder, wenn es richtig ausgefallen sein soll, als Jakobsmuschelrund oder Tigerprawn bekannt. Das große Vermächtnis der Bouillabaisse ist, dass sich aus vermeintlich Wertlosem, ja auch aus dem, was wir gemeinhin und fälschlicherweise für Abfall halten - Fischköpfe, Karkassen, Flossen - geschmacklich Großartiges herstellen lässt. Abwandlungen und günstige Vereinfachungen der Bouillabaisse gibt es viele, nur konsequent bei einer Suppe, deren Name in provenzalischen Kochbüchern auch oft über Rezepten stand, die gar keinen Fisch enthielten. Der Name setzt sich zusammen aus bouillir (kochen) und s'abaisser (sich absenken), da der Eintopf erst aufgekocht und dann die Temperatur heruntergefahren wird (und ja: Es gibt auch andere Erklärungen für die Herleitung).

François Régis-Gaudry hat für seine "Gourmet-Bibel Frankreich" (Christian-Verlag) eine besonders einfache und günstige, wenn auch etwas rustikale Variante der Bouillabaisse dokumentiert. Wir haben sie hier um ein paar Kniffe des Originalrezepts ergänzt.

Auf etwa 1 Kilo Fisch nutzt man 2 Liter Flüssigkeit, empfohlen wird Wasser, aber es schadet nicht, einen Teil davon durch Weißwein zu ersetzen. Auch ein Ablöschen des Gemüses durch einen Schuss Noilly Prat verbessert das Aroma. Beim Fisch spielt die Sorte in diesem Fall keine Rolle, es dürfen verschiedene Arten sein, am besten, man nimmt besonders günstige und lässt sie vom Händler putzen, auch Köpfe und Karkassen gehen natürlich. Sind größere Exemplare dabei, kann man diese filetieren lassen, wobei die Filets zunächst beiseitegelegt werden und man ihr Gewicht nicht auf das Fisch-Wasser-Verhältnis anrechnet. Wenn zu kriegen, dann machen sich auch Krebse in der Suppe gut.

Für die Suppe in einem Bräter in 3 EL Olivenöl 1 große gewürfelte Zwiebel und eine kleingeschnittene Fenchelknolle anschwitzen; drei gehackte Knoblauchzehen, drei gehäutete und gewürfelte Tomaten, etwas Fenchelsaat, 3 Zweige Thymian, 3 Lorbeerblätter und ein großes Stück Orangenzeste sowie den Fisch gern im Ganzen zugeben und unter Rühren anbraten. Matscht der Fisch irgendwann und fällt von den Gräten: kein Problem! Flüssigkeit angießen und etwa 20 bis 30 Minuten köcheln. Mit Salz, Pfeffer, Safran und einem Schuss Pastis würzen und noch etwas ziehen lassen. Dann alles durch ein Tuch wringen (Handschuhe tragen wegen der Gräten!), die festen Bestandteile gut ausdrücken und das Tuch kräftig eindrehen, damit aller Geschmack in die Suppe gelangt. Wer Fischfilets hat, kann sie in Stücken in der Suppe ziehen lassen. Auch Gemüse-Julienne und Röstbrot mit Aioli oder Rouille sind fein als Einlage.

Wie effektiv sich Gerichte mit Fisch(-resten) aromatisieren lassen, zeigt auch ein sehr einfaches Rezept aus dem wunderbaren Süßwasserfisch-Kochbuch "Abenteuer Fisch" (Alexander und Katja Quester, Joachim Gradwohl, Brandstätter-Verlag): Pastinakensuppe mit Räucherfischaroma. Dafür 500 ml Buttermilch kurz aufkochen lassen und durch ein Sieb passieren. 200 g Pastinake und 2 Schalotten schälen, würfeln und in etwas Olivenöl anschwitzen, mit der Buttermilch und 500 ml Gemüsefond ablöschen und köcheln lassen, bis die Pastinaken weich sind. 125 ml saure Sahne zugeben, pürieren und mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken. Am Ende die übrig gebliebene Haut eines Räucherfischs (oder auch nur einer Hälfte) für etwa fünf Minuten in der Suppe ziehen lassen und wieder rausnehmen, allerdings ohne die Haut mitzukochen, sonst wird die Suppe tranig. Dazu passen gehackte Petersilie und mit wenig Öl in der Pfanne geröstete Brotscheiben.

Natürlich funktionieren als Einlage auch Räucherfischstücke, die man direkt vor dem Servieren in die Suppe gibt, doch das wäre dann schon die Kür. Fisch, das kann man leider gar nicht oft genug betonen, ist insgesamt zu einer möglichst überlegt einzusetzenden Edelzutat geworden.

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