Süddeutsche Zeitung

First Ladies:Die Mode vs. Melania

Frau Trump hat ein Problem: Viele US-Designer weigern sich, sie einzukleiden. Wie First Ladies an ihre Kleider kommen - und welcher Ausweg Melania Trump nun bleibt.

Von Dennis Braatz

Am 20. Januar wird Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt und seine Frau Melania wird zur First Lady. Während er sein Amt mit einem Wahlsieg von 304 zu 224 Stimmen antreten kann, muss sie ihres mit einer Niederlage beginnen. Ihr Wahlergebnis lautet: 5 zu 7.

Sieben amerikanische Designer haben offiziell bekannt gegeben, Melania Trump nicht einkleiden zu wollen, darunter Tom Ford, Marc Jacobs und Phillip Lim. Der Boykott begann Mitte November, als Sophie Theallet, die schon für Michelle Obama schneiderte, ihre Ablehnung in einem offenen Brief formulierte. "Die Rhetorik von Rassismus, Sexismus und Fremdenfeindlichkeit, die von der Präsidentschaftskandidatur ihres Mannes entfesselt wurde, sind mit den Werten, nach denen wir leben, nicht vereinbar", schrieb sie. Es gab viel Applaus für diese Äußerungen, auf Twitter und Instagram wurde Theallet gefeiert. Designer wie Lim und Jacobs sprangen unverzüglich auf den Zug auf. Ford erklärte, die Zusammenarbeit mit Mrs. Trump schon früher abgelehnt zu haben. Sie entspreche ganz einfach nicht seinem Image.

Der Designer Stefano Gabbana hat vor zwei Wochen erfahren dürfen, wie heikel es ist, die zukünftige First Lady zu umgarnen: Auf Instagram postete er ein Foto von Melania Trump in einem Kleid von Dolce & Gabbana und bedankte sich dafür. Er wurde niedergebuht.

Das Anti-Melania-Lager wird sich schon bald schwarzärgern, denn die Mode, die alte Opportunistin, wird ihren harten Kurs nicht lange durchhalten. Vorerst sind die Vertreter der amerikanischen Kunst- und Kulturbetriebe aber noch schwer damit beschäftigt, Trumps Isolation voranzutreiben. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Die Gästeliste für Obamas Abschiedsparty war oscarreif, zu Trumps Amtseinführung soll sich kaum Prominenz angemeldet haben. Vor vier Jahren sang an diesem Tag noch Beyoncé die Nationalhymne; dieses Mal fand sich wochenlang kein Künstler. Am Ende ist es nun Jackie Evancho geworden. Evancho belegte vor sechs Jahren den zweiten Platz bei der Castingshow "America's Got Talent".

Auch die Modemarken, die grünes Licht für Melania Trump gegeben haben, sind mehrheitlich alles andere als erste Liga: Sam Edelman, Rag & Bone und Tommy Hilfiger (der ein Büro im Trump-Tower hat). Bemerkenswert ist, dass auch Diane von Fürstenberg mitmacht. Die Designerin unterstützte noch im Wahlkampf leidenschaftlich Hillary Clinton. Dem Branchenblatt Women's Wear Daily sagte sie nun: "Donald Trump wurde gewählt, und er wird unser Präsident sein. Melania Trump verdient den Respekt, der jeder anderen First Lady zuvor auch entgegengebracht wurde."

Die First Lady und die Mode, dieses Thema hat in den USA Tradition - wer sein Land repräsentiert, soll bitte schön beeindrucken. Von der Frau des Präsidenten wird erwartet, dass sie gut angezogen aus der Air Force One steigt und in glamouröser Abendgarderobe Staatsbankette eröffnet. Seit 1929 hat die amerikanische Vogue jede First Lady fotografiert, mit der einzigen Ausnahme von Bess Truman, die öffentliche Auftritte scheute. Den Anfang machte Lou Henry Hoover, in einem bescheidenen Seidenkleid und mit tief sitzender Taille. Hillary Clinton belegte 1998 als erste First Lady sogar das Cover der Vogue: Wenige Monate nach der Lewinsky-Affäre gab sie in einem Samtkleid von Oscar de la Renta die züchtige Ehefrau.

Die Vorteile der Vogue-Tradition liegen auf der Hand: Eine glamouröse Berichterstattung über die First Lady ist nach den Strapazen eines Wahlkampfs sowie in Krisenzeiten eine willkommene Abwechslung fürs Volk. Sie bringt Sympathiepunkte, die auch auf das Konto des Präsidenten einzahlen. Je sympathischer die First Lady rüberkommt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch ihr Look gut ankommt (und nachgekauft wird, wie etwa bei Jackie Kennedy). Allerdings erhält sie keine Aufwandsentschädigung für die Kleider, die sie bei öffentlichen Auftritten trägt - geschweige denn überhaupt ein Gehalt.

In einem Artikel über Michelle Obamas Garderobe hat die New York Daily News vor drei Jahren auch die Finanzierungsmodelle anderer First Ladies beleuchtet. Laura Bush kaufte demnach alles selbst und zeigte sich in ihren Memoiren verblüfft über die Summen, die da zusammenkamen. Jackie Kennedy ließ sich die Rechnungen ihres Hausschneiders Oleg Cassini von ihrem Schwiegervater bezahlen. Mary Todd Lincoln regte einmal an, Besitz des Weißen Hauses zu veräußern, um davon eine angemessene Garderobe kaufen zu können.

Leihen darf eine First Lady nichts; dass sie sich auch keine Outfits schenken lassen darf, wie viele annehmen, ist dagegen ein Irrtum. Sie darf sie nur nicht in ihren privaten Kleiderschrank hängen. Das Finanzierungsmodell von Michelle Obama, die einen Mix aus extrem teurer und sehr günstiger Mode pflegte, erklärte ihre Sprecherin Joanna Rosholm so: "Michelle Obama bezahlt für ihre Kleidung. Für offizielle Events von öffentlicher oder historischer Bedeutung, zum Beispiel einem Staatsbesuch, ist es möglich, dass ihr ein Designer Kleidung als Geschenk zur Verfügung stellt, das von der US-Regierung angenommen wird. Diese werden später im Nationalarchiv eingelagert."

Weil eine First Lady aus Termin- und Sicherheitsgründen nicht einfach losspazieren und shoppen kann, kümmern sich Stylisten um ihre Garderobe. Sie fragen bestimmte Outfits an, und jeder Designer kann da natürlich ablehnen. Wogegen er sich nicht wehren kann: Dass der Stylist in sein Geschäft spaziert und ein Kleid kauft, das die First Lady später trägt. Die überaus vermögende Melania Trump lässt das bestimmt genau so machen, und dagegen ist nichts einzuwenden. Wie die Kleider beim Volk ankommen, ist eine andere Sache.

Keine First Lady ist für ihren Stil bislang so gefeiert worden wie Michelle Obama, die dreimal das Cover der Vogue schmückte. Bei öffentlichen Auftritten trug sie ganz bewusst Kleider von afrikanischen Modemachern und jungen Nachwuchsdesignern, aber auch Couture sowie Stücke vom Billiganbieter Asos. Als moderne, emanzipierte und eigenständige Frau ist sie zum Vorbild vieler geworden, für die Modeindustrie war das der Jackpot. Wenn Obama ein Kleid von einem börsennotierten Modelabel anzog, schoss der Aktienkurs in die Höhe. David Yermack, Professor für Finanzen an der Stern School der New York University, hat das von November 2008 bis Dezember 2009 genau berechnet: Die 189 öffentlichen Auftritte der First Lady ließen den Börsenwert von 29 notierten Firmen um insgesamt 2,7 Milliarden Dollar ansteigen.

Für das Ex-Model Melania Trump ist diese Vorgängerin eine schwere Hypothek. Auch sie zieht sich gut an, klassisch und elegant, aber eben auch sehr teuer. Im Wahlkampf trug sie eine Schluppenbluse von Gucci, zur Stimmabgabe einen kamelfarbenen Mantel von Balmain, zum Wahlsieg einen weißen Jumpsuit von Ralph Lauren. Lieblingsfarbe: Weiß. Subtext: Ich mache mir die Finger nicht schmutzig. Die Haare sind stets ein Stück zu akkurat frisiert. Zu politischen Themen sagt sie nichts, ins Weiße Haus will sie vorerst nicht einziehen. An der Seite ihres Mann lächelt sie meist nur, spricht selten und wenn doch, dann nicht besonders geschickt.

Als anonyme Kundin wäre Melania Trump der Traum jedes Modehauses. Als Role Model und Markenbotschafterin ist sie im Jahr 2017 eine Katastrophe. Allerdings darf man eines nicht vergessen: Die Branche liebt es, Underdogs und Trash für sich zu entdecken, wenn das öffentliche Interesse nur groß genug ist. Anna Wintour, Chefin der US-Vogue, hat Kim Kardashian und Kanye West auf den Titel gehoben, ohne mit der Wimper zu zucken. Auch Melania Trump war dort schon einmal zu besichtigen, im Jahr 2005: Sie trug ihr Hochzeitskleid von Dior Couture. Die Titelzeile: "Donald Trumps neue Braut: der Ring, das Kleid, die Hochzeit, der Jet, die Party." Nicht mal ihren Namen druckte Wintour ab, so viel zum vermeintlichen Feminismus der Vogue.

Große Teile der Modebranche erwarten jetzt von Wintour (übrigens ebenfalls eine Clinton-Unterstützerin), dass sie die Tradition mit den First-Lady-Shootings aussetzen wird. Politisch ist diese Haltung nachvollziehbar - wegen der Sympathiepunkte, die dabei womöglich aufs Trump-Konto rieseln könnten. Die Zeichen deuten trotzdem etwas anderes an. In einem Statement gegenüber dem Branchendienst Business of Fashion wollte ein Sprecher der Vogue zwar nichts über zukünftige Editorials verraten, betonte aber die lange Tradition mit den First Ladies, deren Parteizugehörigkeit für das Magazin noch nie eine Rolle gespielt habe.

Darüber hinaus ist die Mode nur sehr begrenzt politisch, sie kümmert sich in erster Linie ums Geschäft: Wo der nächstbeste Hype (und damit Umsatz) schlummert, da läuft sie hin. Anna Wintour lief vor einer Woche ins Büro von: Donald Trump.

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SZ vom 14.01.2017/feko
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