Firmen:Völlig schnörkellos

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(Foto: Hersteller/Sz-Grafik)

Serifen verboten: Die Logos der großen Modehäuser waren früher einmal einzigartige Erkennungszeichen mit persönlicher Note. Heute sehen die Zeichen der Labels aber irgendwie alle ziemlich gleich aus. Warum nur?

Von Tanja Rest

Es war einmal vor langer Zeit, Online-Shopping hatte noch nicht Fahrt aufgenommen, Instagram war nicht einmal erfunden, da begann ein luxuriöses Einkaufserlebnis damit, dass man von der Straße her auf eine polierte Ladentür zuschritt, über der ein ikonographischer Schriftzug prangte - ein Schriftzug, der das Einkaufserlebnis im besten Fall vorwegnahm, in jedem Fall aber verhieß, dass es wieder einmal einzigartig werden würde. Yves Saint Laurent: Diese schräge, sich eng aneinander schmiegende Buchstabenformel, aus der Y, S und L eitel hervorragten, das war reinstes, kapriziösestes Gesehenwerdenwollen. Burberry: ein bauchig zwischen Serifen gequetschtes und auf dem schnörkeligen Zusatz "London, England" ruhendes Versprechen, dass man sich hier der Tradition verpflichtet fühlte. Céline: kühl, modern und minimalistisch, der Accent Aigu ein diskreter Hinweis, dass es sich um eine französische Marke handelte. Oder Balmain: Lettern wie aus Bergkristall geschliffen, funkelnd, kostbar. Wer unter einem solchen Schriftzug durch die Tür in den Laden trat, der ließ sich auf einen Pakt ein. Er erwarb das Recht, für viel Geld selbst Teil einer unverwechselbaren Geschichte zu werden.

Seit ein paar Wochen geistert eine Übersicht durchs Netz: sechs neue Logos alter Modehäuser, nachdem die Schriftdesigner und Marketingstrategen mit ihnen fertig waren. Sie sehen jetzt alle gleich aus. Celine hat vergangenes Jahr den Accent verloren, Saint Laurent zuvor schon das "Yves"; darüber hinaus fehlt diesen Schriftzügen alles, was einmal eine eigene Handschrift war, die Schnörkel, die Leichtigkeit, die vornehme Eleganz. Serifenlose Versalien in Fettdruck: Das scheint stattdessen das Maß der Dinge zu sein.

In der ganzen Branche grassiert ein großer Wille zur Geschichtsvergessenheit

Man darf hier nicht den Eindruck erwecken, dass die Mode stehen bleiben müsse, während die Welt sich weiterdreht. Der Umsatz wird heute nicht mehr an der Pariser Avenue Montaigne oder an der Münchner Maximilianstraße gemacht, sondern im Netz. Dafür braucht es Logos, die auf einem Handybildschirm mühelos erkennbar sind. Außerdem sind die Zeiten, in denen ein Designer seinem Haus nahezu lebenslang die Treue hielt (Cristóbal Balenciaga blieb 31 Jahre, Pierre Balmain 37 Jahre, Yves Saint Laurent sogar 41 Jahre lang), unwiederbringlich vorbei. Seit den Nullerjahren haben alle großen Häuser den Designer gewechselt, die meisten sogar mehrmals. Ein neuer Kreativchef bringt also alle paar Jahre eine neue Handschrift mit, und da kann es nicht schaden, wenn sich das Logo auf keinen spezifischen Stil festlegt. Es funktioniert wie ein genormtes Gefäß, in das man immer wieder neuen Inhalt gießen kann.

All dies sind Notwendigkeiten, der Digitalisierung und allgemeinen Beschleunigung der Branche geschuldet. Darüber hinaus erzählen die Logos aber noch eine ganz andere, todtraurige Wahrheit über die Mode: Es grassiert ein Wille zur Geschichtsvergessenheit, der in Uniformität mündet. Man muss, um eine Saint-Laurent-Kollektion zu verstehen, heute nicht mehr wissen, wer Yves Saint Laurent war, dass er 1961 den Damensmoking und 1965 das Mondrian-Kleid erfunden hat. "Saint Laurent" anno 2019 hat mit Yves Saint Laurent nichts mehr zu tun, genauso wenig, wie "Balenciaga" unter dem Kreativchef Demna Gvasalia noch irgendwelche Verbindungen zu dem gefeierten Couturehaus von Cristóbal Balenciaga unterhält. Das kreative Erbe, festgehalten im Archiv - einst Herzstück jedes Hauses -, gerät mutwillig in Vergessenheit, da man sich ja an die Zielgruppe der Jüngeren richtet, denen die Unternehmensgeschichte nichts mehr sagt beziehungsweise egal ist. Die Zielgruppe fühlt sich auch nicht mehr an ein einzelnes Haus gebunden, sondern shoppt überall dort, wo gerade der Hype tobt - wenn zum Beispiel ein neuer Designer gerade wieder so köstlich skandalös mit all dem gebrochen hat, wofür eine Marke einst stand.

Im Grunde ist es längst egal, welcher Kreative für welches Haus gerade welchen Look entwirft, es sieht ohnehin alles sehr gleich aus: Turnschuhe, T-Shirts, Hoodies, Logojacken und Handyhüllen, das haben sie mittlerweile alle irgendwie im Programm - spot the difference! Sechs gleich aussehende Logos sind da genau betrachtet also nur konsequent.

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