Süddeutsche Zeitung

Kolumne: Gewusst wie:Feuer machen

Gerade kein Streichholz zur Hand? Was man von australischen Überlebenskünstlern lernen kann.

Von Roman Deininger

Paul war unser Mitbewohner in der WG in Sydney, ein sonnengegerbter, strohblonder Mann, den man auch in geschlossenen Räumen selten ohne seinen braunen Lederhut sah. Paul war so sehr Australier, dass Crocodile Dundee im Vergleich mit ihm wirkte wie ein dahergelaufener Belgier. Seine Wochenenden verbrachte Paul beim Bushwalking im Royal National Park vor der Stadt. Am Freitagmorgen verließ er das Haus, und am Sonntagabend konnte man ihm dann auf dem WG-Sofa zusehen, wie er Schiefer und Dornen aus wechselnden Körperteilen entfernte oder mit vollendeter Gelassenheit Spinnen- und Schlangenbisse nachversorgte. Paul war es, der uns die Kunst des Feuerbohrens lehrte.

Grundsätzlich vertrat Paul die Meinung, dass ein Mann zum Überleben in der Wildnis befähigt sein sollte, zumal diese in Australien praktisch im eigenen Garten beginnt. Beim deutschen Gast hatte er da so seine Zweifel, akut gesteigert von dem in der Tat etwas unglücklichen Umstand, dass es dem Deutschen beim Barbecue auf der Terrasse nicht gelungen war, einen sehr komfortablen Gasgrill anzuzünden; er hatte den Zündknopf nicht gefunden. Kopfschüttelnd beraumte Paul einen Studientrip in den Nationalpark an. Ein Zelt, sagte er, brauche man nicht, es sei eh viel schöner, draußen am Feuer zu schlafen, dessen Rauch ja im Regelfall auch die Schlangen fernhalte. Am Abend vor dem Aufbruch sprach ein Münchner Student in Sydney sein Nachtgebet auf Deutsch und auf Englisch.

Die Prüfungen in unserem Dschungelcamp waren ebenso zahlreich wie erbarmungslos. Paul beschloss, das Nachtlager früh am Tag aufzuschlagen, um seinem Survivalschüler Zeit zum Feuermachen zu geben. Das hatte ohne jedes Hilfsmittel zu geschehen, obwohl Paul nachweislich einen Feuerstein mitführte, den er einfach gegen sein imposantes Outdoormesser hätte schlagen und so die nötigen Funken erzeugen können. Als Feuerstelle wies Paul einen verdorrten Flecken Erde aus, auf dem kein Halm mehr wuchs - niemand wollte am Montag im Sydney Morning Herald lesen, dass der Praktikant des Goethe-Instituts den Royal National Park in Brand gesetzt hatte.

Das Bohrbrett kann ein dicker Ast sein

Mit viel gutem Willen kann man jedenfalls behaupten, dass Deutschland bei der ersten Teilaufgabe, dem Sammeln und Aufschichten von Brennmaterial, noch einigermaßen würdig vertreten wurde: ein Büschel welkes Gras als Zunder in die Mitte, darüber eine Pyramide zunächst zarter und dann immer kräftigerer Äste. Aber nicht zu dicht, damit das Feuer Sauerstoff bekommt. Für Bohrbrett und Bohrer, verfügte Paul anschließend mit der stillen Autorität des Buschmannes, benötige man besonders trockenes, weiches Holz.

Das Bohrbrett, lernten wir, kann ein dicker Ast sein, es wird unten flachgeschnitzt, damit es stabil liegt. Oben bohrt man mit der Messerspitze ein gut ein Zentimeter tiefes Loch, in dem man später den Bohrer ansetzen kann. Und vom Loch bis zur Außenkante des Holzes schachtet man eine Kerbe aus, durch die am Ende der glimmende Abrieb herausfallen kann. Zum Beispiel auf ein Stück Baumrinde als Unterlage. Doch bevor irgendetwas glimmt, muss erst noch ein etwa 50 Zentimeter langer, etwa zwei Zentimeter dicker Ast zum Bohrer angespitzt werden. Paul hielt es durchaus schon für einen Erfolg, dass sich sein Schüler dabei keinen Finger abschnitt.

Kniend führt man dann den fertigen Bohr-Ast auf das Brett, nimmt ihn zwischen die Handflächen - und reibt sich die Hände. Den Ast von oben nach unten, erst sanft, minutenlang, dann druckvoller und schneller. Unter Pauls gütigem Blick brauchte es ein paar Versuche, und noch ein paar mehr. Aber irgendwann stieg Rauch auf im Royal National Park. Einen so schönen Rauch hatte noch kein Konklave in Rom gesehen. Nun musste man als frisch gebackener Wildnis-Besieger nur noch die Glut hinüberheben auf den Zunder und pusten. Und die ganze Nacht beten, dass unser erstes handgemachtes Feuer wirklich auch die Schlangen beeindruckt.

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