Süddeutsche Zeitung

Kolumne: Ladies & Gentlemen:Think Pink?

Die Farbe ist ein Trendthema und hat in Paris Hilton und Brad Pitt zwei prominente Interpreten gefunden. Oder sind die Stars von gestern genau das Problem daran?

Von Max Scharnigg und Julia Werner

Pink als Nostalgie: Paris Hilton

Wichtigster Trend von den aktuell laufenden Fashion Weeks: alte Stilikonen generalüberholen und auf den Laufsteg schubsen. Unerklärliche Begeisterungsstürme löste zum Beispiel Kate Moss bei Bottega Veneta aus, in einem Holzfällerhemd und Jeans, die - Wahnsinn! - aus Leder waren, diesen Trick hatte der Designer allerdings schon bei den letzten Schauen angewandt. Ein anderer sogenannter Fashion Moment, der die Social-Media-Kanäle mit Aufregung füllte, war: die Nullerjahrefigur Paris Hilton bei Versace. Noch vor ein paar Jahren hätte man wohl - leicht angeekelt von den falschen Haaren, den falschen Wimpern und den Plastiknägeln - Karl Lagerfeld zitiert: Die kennen wir nicht. Heute aber ist guter Geschmack bekanntlich nur noch Verhandlungsmasse, und diese Hotelerbin des schlechten Benehmens wird bedingungslos gefeiert. Wobei offenbleibt, ob das jetzt Ironie ist oder nicht - denn das wissen Fashion-Week-Besucher der neuen Generation selbst nicht so genau. Fest steht: Hier stolpert die menschgewordene Begründung über den Catwalk, warum die weiße privilegierte Frau ein Auslaufmodel ist. Oder lässt sich - man möchte schließlich nicht gestrig wirken - vielleicht doch noch etwas von ihr lernen? Klar, irgendwas gibt es immer: Pink ist die Farbe der Saison, weil Barbiecore - also alles, was tussig und rosa ist - gerade auf Tiktok (und bald im Kino mit dem "Barbie"-Film von Greta Gerwig) ein modisches Comeback feiert. Das kann die Laune einer Frau in dunklen Zeiten ein bisschen aufhellen. Mehr aber nicht.

Pink als Geschmacksverstärker: Brad Pitt

Die Evolution der Farbe Pink in der Herrengarderobe lässt sich in mehrere Phasen einteilen. Da gab es die frühe "Think Pink!"-Welle in den Neunzigern, in der das gleichnamige Sportswear-Label eine kurze Zeit lang mit satten Pink-Tönen schockte und daraus gleich eine ganz neuartige Lebenseinstellung für Freeclimber und sonstige leicht verrückte Freigeister ableitete. Der Sensationsgehalt des Pinkdenkens schwächte sich dann aber schnell ab, spätestens als der berüchtigte Magenta-Farbton der Telekom an jeder Bushaltestelle plakatiert war. Knappe zehn Jahre später mussten rosa-pinke Akzente - etwa in Gestalt von Hemden, Krawatten, Socken oder Einstecktüchern - als Fußnoten des kraftlosen Narrativs von der Metrosexualität herhalten. Also jener damals angeblich neu festgestellten urban-fluiden Männlichkeit, die vor weichen und femininen Dingen nicht zurückschreckte. Heute hat sich Pink beim Mann weitgehend von solchen Überbauten gelöst und ist relativ frei von Agenda zu tragen, Brad Pitt hat das zuletzt bei etlichen Gelegenheiten gezeigt. Der hier vorgeführte Anzug samt passenden Schuhen ist ein ganz gutes Beispiel, wie normal und schmeichelhaft die Farbe an einem selbstbewussten und gebräunten Mann wirkt. Und nur ganz vielleicht steht auf dem Waschzettel hier kleingedruckt das Wort Midlife-Crisis. Aber das ist in Ordnung und beweist ja nur, dass Pink seinen Trägern immer einen gewissen Frischekick verleiht. In Deutschland wird man mit so einem Outfit im Zug allerdings immer noch gefragt werden, ob man einen Comedy-Preis moderiert. Dann einfach Ja sagen.

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