Süddeutsche Zeitung

Fashionspießer zu Neonfarben:Comeback der Glühwürmchen

Lesezeit: 2 min

Grell, bunt, schreiend: Neonfarben sind zurück und machen es unmöglich, die Trägerin zu übersehen. Muss das sein? Ein bisschen mehr Zurückhaltung wäre angebracht - auch wegen der Meteoroiden. Eine Modekolumne.

Von Jana Stegemann

Wer in diesen Tagen Sternwarten besucht und mit Astronomen spricht, der bekommt über kurz oder lang zu hören, dass es in Deutschland nachts zu hell sei. Meteoroiden aufzuspüren werde so unmöglich. Schade, seufzen die Experten dann meist und liefern den Schuldigen gleich mit: das Stadtlicht.

Seit mehr als 50 Jahren sei es in der Bundesrepublik schon nicht mehr dunkel genug, um Meteoroiden-Beobachtungen zuverlässig vornehmen zu können. Deutschland sei zu dicht besiedelt, die Lichter der Städte würden immer extremer, sagt Björn Voss, Astronom im Planetarium des LWL-Naturkundemuseums Münster. Dass es in diesem Jahr noch schlimmer werden könnte mit der Helligkeit liegt an einem Modetrend: an neonfarbenen Taschen, Schuhen, Jacken und Kleidern.

Denn wer jetzt durch die Straßen streift, sich in Büros und auf Schulhöfen umschaut, der verspürt den Drang, eine Sonnenbrille aufzusetzen: Neonfarben, wohin man blickt. Knallgelb, giftgrün oder signalorange. Farben, die kreischen und schreien. Die Sinne überreizen.

Vor 30 Jahren in den Achtzigern hatten die Schreihälse der Farbpalette ihren großen Durchbruch. Jane Fonda und Madonna waren die Ersten, die die Leuchtfarben trugen. Fonda, die Aerobic-Queen, in ihren Fitness-Videos mit pinken Schweißbändern und neonfarbenen Bodys. Madonna, die Queen of Pop, kombinierte zur Neon-Leggins übergroße Print-Shirts mit dicken Schulterpolstern und Plastikohrringen.

Anfang der Neunziger wurde Neon das Lieblingskind der Technokultur. Hunderttausende, leuchtend wie Glühwürmchen, tanzten zur Musik von Dr. Motte durch Berlin. Anlass: die Loveparade. Hier wurden Warnwesten zweckentfremdet und auf nackter Haut getragen. Signalfarbe war die Uniform der Raver.

Neon in Paris und im Periodensystem

In diesem Frühling hat es der Neon-Trend aus der Raver- oder Fitnessszene heraus in die Fußgängerzonen dieser Welt geschafft. Der Siegeszug der Leuchtfarbe hatte sich schon im Januar angedeutet. Als Europa gegen Minusgrade und Schneechaos kämpfte, schickte Versace bei den Haute-Couture-Schauen in Paris Models in neonfarbenen Plastikleidern über die Laufstege. Jetzt werden auch Filialen von H&M und Zara mit neonfarbenen Accessoires und Kleidern überschwemmt. Der Film "Spring Breakers" scheint nur aus Neonfarben zu bestehen.

Als chemisches Element ist Neon dagegen eher zurückhaltend. Hätte man glauben können, es sei das vorlauteste aller chemischen Elemente, gehört es im Periodensystem zur Gruppe der Edelgase und ist auf der Erde eher selten zu finden. Es hat keine Farbe, riecht nicht und ist äußerst reaktionsträge. Vorsicht geboten ist erst bei höheren Konzentrationen: dann verdrängt Neon Sauerstoff und wirkt erstickend.

Ebenso verhält es sich mit Neonkleidung. In geringen Dosen kann sie erfrischend wirken: Eine leuchtend grüne Tasche zum schwarzen Kleid, pinkfarbene Pumps zum grauen Kostüm, orangefarbene Paspeln am Blazer. Ein willkommener Farbklecks, der wohldosiert eingesetzt, seine Wirkung nicht verfehlt. Neonfarben lassen die Haut gebräunter wirken, verleihen seiner Trägerin einen frischen Teint. Doch bitte nicht übertreiben! Neon-Bekleidung von Kopf bis Fuß nimmt nicht nur dem zufälligen Beobachter die Luft - ein solcher Aufzug könnte auch Astronomen bei der Meteoroidensuche behindern.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1676844
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/jst
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.