Süddeutsche Zeitung

Fashionspießer zu Hotpants im Schnee:Zu früh aus dem Winterschlaf gerissen

Lesezeit: 2 min

Wie werden Hotpants, Ballerinas und Sommerkleider wintertauglich? Am besten gar nicht. Viele versuchen aber, mit dicken Socken, noch dickeren Jacken und Wollstrumpfhosen dagegenzuhalten. Das ist ein Fehler. Eine Stil-Kolumne.

Von Jana Stegemann

Der Frühling steht vor der Tür, das ist erfreulich. Doch sobald die ersten Sonnenstrahlen auf schmutzige Schneereste treffen, verschieben sich bei manchen Modefreunden die Grenzen des guten Geschmacks. Und so werden knappe Hotpants, dünne Kleidchen und zarte Sommerschuhe auf absurde Weise wintertauglich gemacht.

An Tagen, an denen das Thermometer mühsam über die Fünf-Grad-Marke klettert, zerren übermütige Sonnenanbeterinnen ihre schönsten Ballerinas aus den hintersten Ecken des Kleiderschranks. Weil man die luftigen Schuhe aber bei den derzeitigen Außentemperaturen kaum tragen kann, wie man sie passenderweise tragen sollte - barfuß oder mit hauchdünnen Nylonsöckchen - behelfen sich die Trägerinnen zumeist mit Baumwollsocken. Diese sind dann gestreift (soll süß aussehen), in Neonfarben gepunktet (für die ganz Verrückten) oder in verwaschenem Grau-Schwarz (keine Zeit zum Suchen gehabt).

In den dicken Socken wirken die Füße merkwürdig in die Ballerinas hineingepresst, oft quillt noch ein Stück Stoff über den Rand hinaus. Kombiniert zu dicker Daunenjacke und Mütze, sieht die sommerliche Fußbekleidung herrlich deplatziert aus. So wird, was zart sein soll, zum optischen Klotz am Bein. Und manchmal stellt sich der Beobachter die Frage, ob es sich bei den Schläppchen nicht vielleicht um Pantoffeln handeln könnte, die die Trägerin versäumt hat, gegen wintertaugliches Schuhwerk einzutauschen.

Dabei sind Ballerinas tolle Schuhe. Für Frühling und Sommer. Bestens geeignet für Spaziergänge bei warmen Temperaturen durch Parks, für Ausflüge an den See. Doch sie sind nicht die einzigen, die zu früh aus dem Winterschlaf gerissen werden. Da wären noch die Hotpants. Auch sie werden im Winter zweckentfremdet.

Was Strumpfhosen und Keilriemen miteinander zu tun haben

Kleidung ist offenbar nicht länger einem Jahreszeiten-Diktat unterworfen. Alles was man dazu braucht, um jede noch so knappe Shorts, jedes noch so dünne Sommerkleidchen auch auf einer Hütte in den verschneiten Bergen Kanadas tragen zu können, ist: eine schwarze Strumpfhose. Das Lycra-Gemisch, so scheint es, ist die Allzweckwaffe der modernen Frau.

Nicht nur, dass sich schon lange das Gerücht hält, man könne mit einer Strumpfhose kurzfristig den kaputten Keilriemen eines Autos ersetzen. Sie kann offenbar noch viel mehr. Sie ermöglicht es, ein für den Winter völlig ungeeignetes Kleidungsstück wie eine Hotpants von Oktober bis März zu tragen. Auf Weihnachtsmärkten, im Büro oder sogar beim Rodeln. Dabei haben knappe Shorts an Glühweinständen gar nichts verloren. Sie gehören an Sandstrände und auf Poolpartys.

Ähnlich verhält es sich mit Sommerkleidern, bevorzugt aus Chiffon. Ja, das gilt auch für das asymmetrische Seidenkleid aus diesem schnuckeligen Laden in Thessaloniki und für das gebatikte Bandeau-Kleid, das man von einem italienischen Strandverkäufer erstanden hat, als bei Capri die rote Sonne im Meer versank. Es klappt nicht, diese Kleider mit Wolljacken und schwarzen Strumpfhosen in ein Winter-Outfit zu verwandeln. Es sieht aus, als hätte man sich aus Großmutters Verkleidungskiste bedient.

Schon klar: Besonders Sommerkleidung ist aufgeladen mit positiven Erinnerungen an aufregende Traumurlaube, an romantische Sonnenuntergänge, an unvergessliche Campingtrips. Und dass die Trägerin versucht, sich ein Stück dieser Erinnerung in den oftmals grauen Winteralltag zu retten, ist ebenfalls verständlich. Doch die warme Jahreszeit ist noch nicht da. Also, liebe Modefreundinnen, habt bitte Geduld und wartet mit euren Hotpants, mit euren Kleidern, mit euren Ballerinas, bis wirklich Sommer ist. Gönnt ihnen den wohlverdienten Winterschlaf, damit sie Euch von Mai bis September zum Strahlen bringen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1615921
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/jst
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.