Fashionspießer: der Polohemd-Kragen:Steht wie eine Eins

Polohemd Kragen

Polohemd mit aufgestelltem Kragen - eine geckenhafte Attitüde, mit der man seinen Mitmenschen richtig auf die Nerven gehen kann.

(Foto: oH)

Warum können wir Schnöseln in pastellfarbenen Polos mit hochgestelltem Kragen nur mit Hass und Spott begegnen, nie aber mit Gleichmut? Weil es für solches Geckentum nicht den geringsten Grund gibt - es sei denn, man heißt Humphrey Bogart. Eine Modekolumne.

Von Violetta Simon

Neulich, in der Schlange vor der Eisdiele: Der Vordermann trägt ein Polohemd. In Schweinchenrosa. Dort, wo normalerweise der Nacken zu sehen ist, befindet sich eine Art gerippter Trichter, aus dem sein Haarschopf hervorragt - der Mann hat den Kragen seines Polohemdes aufgestellt. So viele peinliche Stilsünden kamen und gingen - warum will ausgerechnet diese nicht aussterben? Denn das sollte sie, am besten hier und jetzt, und das sofort.

Steil wie der Stuartkragen von Elisabeth I. reckt sich das verstärkte Strickbündchen um den Kopf des Mannes, der damit sagen will: "Seht her, ihr armseligen Hemdenträger, ich brauche weder Kartoneinlagen noch Kragenstäbchen. Mein Kragen steht wie eine Eins!" Die Botschaft: Ich mache das, weil ich es kann. Dabei muss sein Träger noch nicht mal ein Bügeleisen bedienen können - es genügt, wenn er in der Lage ist, das Shirt zum Trocknen auf einen Bügel zu hängen.

Eigentlich will man in diesem Moment schon kein Eis mehr. Und wenn, dann höchstens, um es dem Polohemdträger in seinen Halstrichter zu stopfen. Tatsache: Es gibt wenige Modesünden, die derart perfekt dazu geeignet sind, anderen die Laune zu verderben. Diese geckenhafte Attitude scheint einzig und allein dazu erfunden worden zu sein.

Vielleicht ärgern wir uns auch einfach nur über den textilen Kollateralschaden, den die Hochklapperei verursacht hat: dass Polohemden eigentlich nicht mehr tragbar sind - es sei denn, man studiert BWL oder Jura. Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen scheint sich das Shirt dort als Fakultätsuniform etabliert zu haben.

Doch warum können wir Schnöseln in pastellfarbenen Lacoste-Polos mit hochgestelltem Kragen nicht mit Gleichmut begegnen? Ist es das unerklärliche Selbstbewusstsein, mit dem jemand eine derart bekloppte Idee zur Schau trägt? Dabei ist das Polohemd - eine Mischung aus T-Shirt und Hemd - ja eigentlich das Kleidungsstück der Hasenherzen und der Konformisten, der Inbegriff des Kompromisses. Ist es also die bekloppte Idee an sich?

Wovor soll der Kragen schützen?

Den Kragen seines Polohemdes hochzuschlagen ist in etwa so naheliegend, wie seine Hosenträger in den Ohren einzuhängen: theoretisch zwar möglich, aber nicht so gedacht.

Gedacht war das Piqué-Shirt, als es Anfang des 20. Jahrhunderts erstmals in Indien in Erscheinung trat, als Sport-Trikot. Das war lange bevor der französische Tennisspieler René Lacoste es in Europa auf den Markt brachte und seinen Spitznamen "Krokodil" zum Markenzeichen machte. Damals trug man die Shirts zum Polospiel noch langärmlig, um sich vor der sengenden Sonne zu schützen. Durchaus denkbar, dass man dann auch mal den Kragen hochstellte, um sich den Nacken nicht zu verbrennen.

Wogegen aber versucht sich ein deutscher BWL-Student im Hörsaal schützen? Gegen Spickversuche oder gehässige Blicke seiner Kommilitonen? Gegen Papierkügelchen, die aus der hintersten Reihe angeflogen kommen? Sicher, die Zeiten sind hart. Doch selbst wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, hilft es nicht, den Kragen hochzuklappen.

Abseits des Poloplatzes gibt es nur zwei gute Gründe, warum ein Mann den Kragen hochschlägt, obwohl er nicht vorhat, sich im nächsten Moment eine Krawatte umzubinden. Entweder er heißt Humphrey Bogart und muss sich am Flughafen von Casablanca von der Liebe seines Lebens verabschieden, während ihm Regentropfen in den Nacken plätschern. Oder er ist die Reinkarnation von Eric Cantona, jener United-Legende mit dem abschätzigen Blick und dem gockelhaften Gang, dem man nachsagte, er sei vom Größenwahn besessen.

Den Kragen eines Polohemdes hochzuschlagen, dafür kann es ansonsten nur einen Grund geben: um sich gegen einen Shitstorm zu wappnen. Weitaus effektiver in diesem Fall wäre es jedoch, ihn einfach unten zu lassen. So kommt niemand zu Schaden - und dem nächsten Kunden schmeckt sein Eis wieder.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: