Süddeutsche Zeitung

Fashionspießer:Jeans zu Jeans? Niemals!

Der Blue-Jeans-Komplettlook ist diesen Sommer offiziell erlaubt. Tragen sollte man ihn trotzdem nicht. Britney hat einst den Beweis erbracht - und der gilt bis heute.

Von Felicitas Kock

Es ist Frühling und damit Zeit für folgendes Gefahrenszenario: Du stehst auf, wandelst durchs Bad, ziehst Dich an, greifst zur Jacke - und erstarrst. Denn es ist wie jeden Tag eine blaue Jeansjacke. Und du trägst heute ausnahmsweise mal Jeans. Blaue Jeans. Weil irgendjemand in einem Anfall von Wird-schon-rechtzeitig-trocknen die drei schwarzen Jeans gleichzeitig gewaschen hat. Aus dem Nichts wandelt sich der unbeschwerte Frühlingsmorgen zum Morgen der schwierigen Entscheidungen.

Der Flur wird zum Laufsteg, die funzelige Deckenleuchte zum Scheinwerfer, im Spiegel erscheint Anna Wintour und hebt die linke Augenbraue über den Rand ihrer XL-Sonnenbrille. "Willst Du das wirklich?", fragt die Augenbraue. "Bist Du bereit für Double Denim?"

Um auf dem Boden zu bleiben: Es gibt natürlich Menschen, für die sich diese Frage nicht stellt, einfach, weil es ihnen egal ist. Gewisse Personen, die im Herbst von oben bis unten Beige tragen und sich wundern, warum die anderen hinter vorgehaltener Hand von Mehlwürmern wispern. Beige zu Beige, Jeans zu Jeans - passt doch gut zusammen, denken sich die unbedarften Allesträger. Asche zu Asche, Staub zu Staub.

Und dann gibt es Menschen, bei denen sich die Modemagazine bis unter die Decke stapeln und die täglich ein #ootd (outfit of the day, Sie Mehlwurm!) auf Instagram posten. Die wissen natürlich, dass Jeans zu Jeans - und noch besser Jeans zu Jeans zu Jeans (oben, unten, Accessoires) - in diesem Sommer wieder offiziell erlaubt ist. Ein Mode-Statement geradezu. So wie Culottes und andere Absurditäten, die einem so aufgeschwatzt werden.

Während also die innere Anna dello Russo den rechten Arm in den Jeansjackenärmel steckt und beschließt, sich für ein unmögliches Outfit kurzerhand als avantgardistisch feiern zu lassen, schrillt irgendwo auf dem Flurlaufsteg plötzlich ein Alarm. Laute Musik. Oops...I did it again!, schallt es aus dem Lautsprecher und Britney Spears tanzt übers Parkett. Nicht im roten Latexanzug aus dem zugehörigen Musikvideo, sondern in jenem Jeansmaxikleid, mit dem sie 2001 die Verleihung der American Music Awards dekorierte. Natürlich, da war mal was. Mit Double Denim.

Wenn ein Beispiel das absolute Nicht-Funktionieren des Jeans-Komplettlooks demonstriert, dann dieses:

Was soll man sagen? Es war 2001. Die Neunziger wirkten nach, das modisch fragwürdigste Jahrzehnt seit dem Lendenschurz. Doch selbst unter dem Einfluss der Squeezer-Single Blue Jeans (1996) erkannten Modemagazine, dass "Justney", wie man Britney Spears und Justin Timberlake wohl genannt hätte, hätte es damals schon lustige Namenskombinationen für Promi-Paare gegeben, in ihren Jeanszelten nicht die goldene Nähnadel für herausragendes Stilbewusstsein gewinnen würden.

Der Grund ist einfach: Wenn es sich nicht gerade um ein Ensemble, einen Anzug oder ein Kostüm handelt, trägt man oben und untenrum nicht den gleichen Stoff. Niemand würde auf die Idee kommen, Samt-Blazer zu Samthosen zu kombinieren oder Cord zu Cord oder Wolle zu Wolle. Es gibt für jede Regel eine Ausnahme - aber Jeans zu Jeans? Niemals.

Was bedeutet das für den aktuellen Morgen mit Deckenleuchtenscheinwerfer und Anna Wintour im Nacken? Hose wechseln ist aus Zeitgründen vermutlich keine Option. Also Jacke wechseln - oder zuhause lassen. Wer lieber Double Denim trägt, als zu frieren, soll zur Strafe für alle Zeit Britney Spears im Ohr haben. Oops, I did it again, I played with your heart, got lost in the game. Und das zurecht. Denn es ist 2016. Und Jeans zu Jeans ist immer noch keine Option. Oh baby, baby.

Sind in Sachen Double Denim anderer Meinung: Model Lena Gercke (ganz oben), It-Girl Alexa Chung und Bloggerin Chiara Ferragni.

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