Süddeutsche Zeitung

Fashion Week New York:Uptown Girls

Lesezeit: 5 Min.

Praktisch, sportlich, tragbar - das war Mode aus Amerika schon immer. Aber für die hippe Großstädterin muss es noch ein bisschen mehr sein. Eindrücke von der New York Fashion Week.

Von Julia Werner

New York im Spätsommer: Es ist Fashion Week, aber in der Stadt, vom West Village bis zur Lower Eastside, sieht man Frauen in engen Leggings, Sport-BHs und Turnschuhen. Sie sitzen bei der Maniküre oder führen den Labradoodle aus, diese Mischung aus Labrador und Pudel, ohne die man hier anscheinend nicht mehr aus dem Haus gehen darf.

So ist es auch einleuchtend, warum der Sender CBS ausgerechnet während der Modewoche im Frühstücksfernsehen mit folgendem Thema aufmacht: Die Jeansverkäufe seien zurückgegangen, der Absatz von "Athletic Gear", also Sportklamotten, sei hingegen dramatisch gestiegen. Egal ob Jeans oder Sportswear, beides sind Ikonen des amerikanischen Stils. Mode aus New York, ob teuer oder billig, war schon immer berühmt für ihre Alltagstauglichkeit.

Alexander Wang: Inspiriert von Turnschuhen

Erste kleine Ausschläge des Trendbarometers, bevor die Schauensaison in Europa startet, sind aber messbar. Zum Phänomen des Sport-Outfits ohne Sport passt die Kollektion von Alexander Wang, dem Chefdesigner von Balenciaga. Für sein eigenes Label aber zeigt der Amerikaner seine Entwürfe natürlich hier, in einer riesigen Lagerhalle am Hudson River.

Seine Lieblingsturnschuhe von Nike und Adidas waren die Inspiration: Das Design eines schwarz-roten Nike Flyknits zum Beispiel wird zum Minikleid aus feinem Strick mit Leder-Applikationen. Das sieht so aus, als sei ein Turnschuh in seine Einzelteile aufgespalten worden.

Auch andere Outfits bekommen den Sneaker-Look, und sei es nur mit kleinen Details an Krägen oder auf der Taille sitzenden Gürteln. Eine ziemlich schlaue Botschaft für die Social-Media-Generation. Die Taille rutscht übrigens nicht nur bei ihm wieder nach oben, weshalb die Tops wiederum kürzer, enger und am Rücken interessanter werden, durch Straps zum Beispiel.

Uptown-Mode von Michael Kors

Michael Kors, die Legende unter den Lässig-Luxus-Designern, zeigt statt Sportlichem lieber Fifties-Silhouetten mit weit schwingenden Midi-Röcken. Sie sind perfekt geschneidert, weiß, aus Karo-Stoffen oder transparentem Tüll, der über und über mit Paillettenblüten bestickt ist. Das ist nicht unbedingt neu, sieht aber in Kombination mit Männerhemden sozusagen einfach Uptown-mäßig gut aus.

In der Vorabpräsentation für die Presse erklärt der Designer höchstpersönlich, worum es ihm geht: um Vielseitigkeit. Top plus Rock seien flexibler einsetzbar als Kleider, Taschen müssten immer auch praktisch sein. Kors lebt und arbeitet nun mal in dieser Stadt, in der Frauen durch U-Bahnschächte jagen, um rechtzeitig zu einem Termin zu kommen. Eine gute Inspiration für Mode, durchaus.

Boss kreiert Mode für Karrierefrauen

Das deutsche Modehaus Boss zeigt seine Damenkollektion ebenfalls in New York, auch, weil der neue Chefdesigner Jason Wu hier zu Hause ist. Seine zweite Saison für die Deutschen ist ganz schön gut. Auch wenn die Marketing-Abteilung von Boss das nicht gerne hört: Jason Wus Entwürfe sind die perfekte Garderobe für Karrierefrauen.

Bye, bye, Hosenanzug - die neuen Uniformen für Working Girls könnten Shift-Dresses und Pencil Skirts in sonnigem Gelb oder Hellblau sein. Zusammen mit kurzen Blusen ist das perfekt angezogen und alles andere als spießig.

Bei keiner Modewoche ist die Promidichte größer als in der New Yorker Front Row: Mode ist eben immer noch Showbusiness. Sarah Jessica Parker sitzt bei Calvin Klein, Rihanna lässt sich gleich mehrmals einsetzen, und David Beckham präsentiert ein Buch, das die Kampagne, die Peter Lindbergh mit ihm geschossen hat, noch mal in Hochglanz zusammenfasst.

Eine Capsule-Kollektion von ihm für das britische Luxus-Biker-Label gibt es natürlich auch. "Es ist eigentlich einfach nur das, was ich selbst am liebsten trage", sagt er, freundlich wie immer.

Die Grenzen zwischen Designer und anderer Prominenz sind fließend. Diane von Furstenberg lässt sich für ihre Riviera-inspirierte Kollektion minutenlang feiern, indem sie zum Song "Parole" der italienischen Sängerin Mina langsam den Laufsteg entlangflaniert und alle zum Mitsingen auffordert. Sie feiert dieses Jahr den 40. Geburtstag des Wickelkleids, das sie zur Millionärin gemacht hat. Die Selbstbeweihräucherung sei ihr da gegönnt.

Safari-Look à la Ralph Laurent

Nicht minder pathetisch ist das Finale der Show von Ralph Lauren: Das ganze Publikum steht auf und klatscht wie seinerzeit für Yves Saint Laurent, bei dem man nach jeder Show dachte, es sei seine letzte. Ralph Laurens Kollektion ist Safari-inspiriert, mit bunten Colliers gemixt. Das sieht nicht supermodern aus, aber fluffige Tüllabendkleider machen das wieder wett.

Es gibt eben diese Handvoll Designer, deren Marke so stark ist, dass der Status quo reicht. Ein paar Tage vorher hat Lauren seine Zweitlinie Polo präsentiert, und zwar bei Vollmond im Central Park. 800 Gäste wurden mit Golf-Caddies zu einem See gefahren, auf dem Models in Polo in 4D-Technik auf das Wasser projiziert wurden. Machtdemonstrationen werden immer wichtiger in der Mode - aber sie sind schön verpackt.

Nicht zukunftsweisend, aber hübsch: Die Mode von Tory Burch

Eine weitere Modegigantin ist Tory Burch. Vor gut zehn Jahren lancierte sie ihr eigenes Label, heute liegt ihr Umsatz irgendwo in den Milliarden. Ihren eigenen Uptown-Stil hat sie zu ihrem Geschäft gemacht. Das sieht auch dieses Mal auf dem Laufsteg nicht zukunftsweisend, aber sehr hübsch aus.

Im "White Space"-Studio empfangen dann gleich mehrere Jungdesigner die Presse, während der Gatte der Atelier-Besitzerin, der Künstler Jeff Koons, nebenan einfach weiterarbeitet. Auch das spanische Label Delpozo hat sich New York als Show-Location ausgesucht, aber in Sachen Vision und Verarbeitung würde es genauso gut nach Paris passen.

Ähnlich viel Talent hat Joseph Altuzarra. Er ist noch jung, trotzdem warten die Modesüchtigen gerade schon sehnsüchtig auf den Verkaufsstart seiner Kollektion für die Billigkette Target. Seine Markenzeichen, Variationen des Männerhemds und schmale Jacken zu gewickelt anmutenden Pencil-Skirts sind mit Vichy-Karos und Blumen-Prints femininer als sonst. Und die mit Perlenborten verzierten Abendkleider im Talitha-Getty-Stil machen wieder Lust auf ein bisschen mehr Weiblichkeit, die jetzt so soft und unaggressiv aussehen muss.

New Yorker Lässigkeit von Calvin Klein

Gleiches Thema, ganz anderes Resultat: Calvin Klein. "Ich habe an die Frauen von New York gedacht", sagt Chefdesigner Francisco Costa, "sie ziehen sich an und laufen los." Die Silhouette dafür: lange Tops, die man als Kleid tragen kann, über knöchellangen Hosen und Röcken, in Blau, Schwarz und Rot, aus plissiertem Strick oder glänzendem Leder. Dazu hoch sitzende Metallgürtel.

Er denke beim Entwerfen oft an Autos, erklärt Costa, weil da alles so präzise sein müsse. Seine Entwürfe sind das auch, und Carolyn Bessette-Kennedy, die in den Neunzigern die New Yorker Stil-Ikone in Calvin Klein war, hätte das heute alles sicher gerne angezogen.

Urbane Natursehnsucht im Finale

Am letzten Abend der Fashion Week wird es dann traditionell noch mal aufregend. Marc Jacobs, der ehemalige Chefdesigner von Louis Vuitton, hat seine Show einmal mit zweieinhalb Stunden Verspätung gestartet, die Presse motzte tagelang, und seitdem beginnt er seine Show aus Prinzip pünktlich. Selbst Grace Coddington, berühmte Reporterin der amerikanischen Vogue, rennt - und es lohnt sich.

In der Armory an der Park Avenue steht ein gigantisches, pinkes Haus. Über Dr.- Dre-Kopfhörer erzählt eine Computerstimme von dem, was die Mädchen, die um das Haus flanieren, in ihm tun werden. Zum Beispiel "auf den Betten hüpfen", beglückende Vorort-Atmosphäre beschwört das herauf.

Und was tragen die Models? Oversize-Military-Outfits mit riesigen aufgesetzten Taschen und überdimensionalen Knöpfen, in allen Varianten vom voluminösen Tulpenrock bis zur Cargo-Hose. Schimmernde Birkenstocks. Und Abendkleider aus schwerem Jersey.

Letzter Satz der Computerstimme: "Warum können wir dieses Haus nicht woanders hinstellen, wo es ruhiger ist, wo wir glücklich sein können?" Und mitten in New York hört das Publikum plötzlich das Rauschen des Windes und Vogelzwitschern, während die Armada der modernen Kriegerinnen abmarschiert.

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Quelle:
SZ vom 13.09.2014
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