Fashion Week Mailand:Hommage an die elegante Signora

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Modehäuser wie Tod's feierten in Mailand die klassische Eleganz. (Foto: REUTERS)

Mode-Renaissance statt Krisen-Design: Nur wenige Designer flüchten auf der Mailänder Modewoche in Traumwelten. Stattdessen machen die italienischen Modehäuser, was sie am besten können.

Von Julia Werner, Mailand, Mailand

Das Lieblingsblatt der Modebranche, die Women's Wear Daily, hat vor ein paar Tagen den Look des neuen italienischen Premierministers Matteo Renzi analysiert. Er kommt aus Florenz, der Wiege der Renaissance, weswegen jetzt in Sachen Wiedergeburt alle Hoffnungen auf seinen Schultern lasten. Während er am Samstag in Rom als neuer Premier vereidigt wurde, präsentierten die Modehäuser in Mailand ihre Kollektionen für den nächsten Winter. Und auch das war so etwas wie eine Wiedergeburt - nämlich die der italienischen Frau. Nur sehr selten war da noch das Fernseh-Starlet mit den aufgespritzten Lippen aus der Berlusconi-Ära zu sehen. Sondern meistens La Signora, die flache Schuhe zu Diamantohrringen so selbstverständlich eklektisch kombiniert wie niemand sonst auf der Welt.

Die Kunst, die Renzi jetzt vollbringen muss, ist es, italienische Werte und Traditionen nicht zu zerstören, aber das Land trotzdem auf die Zukunft hin auszurichten. So wie die italienische Mode: Die hat sich gerade auf einen sehr eleganten Marsch Richtung Zukunft begeben. Apropos Marsch: Tomas Maier ging es bei Bottega Veneta wortwörtlich um "Bewegungsfreiheit". Seine Kleider saßen am Oberkörper wie angegossen und schwangen zum Saum hin federleicht in einer schmalen Fifties-Silhouette. Auch wenn der Designer keine "direkten Referenzen mag", wie er sagt. Nur ab und zu blitzte zwischen den Plissée-Falten eine andere Farbe hervor: "Die aufspringenden Falten sollen unterstreichen, dass eine Frau vorangeht", erklärte der Designer nach der Show.

Stimmt schon. Die moderne Frau braucht Kleider, über die sie nicht nachdenken muss. Oder anders gesagt: Der wahre Luxus für eine Frau ist, wenn sie ihr Kleid einfach vergisst. Das geht nur, wenn es perfekt sitzt und aus feinsten Materialien gemacht ist. So wie die kunstvoll um den Körper drapierten Plissée-Kleider am Ende der Show, die Maier direkt am Model drapierte. Diese Schwerstarbeit, die Tage dauerte, sah am Ende aus wie das Leichteste auf der Welt. Das ist die Kunst, nicht nur die eines wirklich großen Modemachers, sondern die des Anziehens generell. Alles andere ist Verkleidung - eine Marotte, die sich in den letzten Jahren in der Modewelt eingeschlichen hatte.

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Abendkleider in Bierdosenform

In dieser Saison haben die Clowns, also die grell-bunt nach Aufmerksamkeit heischenden Blogger-Girls, rapide abgenommen. Nur die wirklich junge Generation trägt am Tag nach der Moschino-Show das Begrüßungsgeschenk mit sich herum: eine iPhone-Hülle in Form einer Frittentüte von McDonald's. Der Amerikaner Jeremy Scott wurde bei Moschino gerade neu engagiert. Seine Devise: Humor. Weswegen er Abendkleider in Bierdosenform zeigt. Und eben ein McDonald's-Pullikleid, das die Streetstyle-Ikone Anna dello Russo (nicht mehr ganz jung) sofort trägt. Er habe nur zehn Minuten im Archiv des in den Neunzigern verstorbenen Franco Moschino verbracht, hat Scott in einem Interview gesagt. Da kann man nur sagen: Sieht man. Das Laute und das Schreiende, es passt den Modeleuten nicht mehr. Stattdessen trägt man lieber wieder flache Schuhe und gedeckte Töne wie zu besten Helmut-Lang-Zeiten. Das Modemagazin der New York Times hat diesem Phänomen sogar einen ganzen Artikel gewidmet.

Auch bei Fendi wurde marschiert, und zwar zu Schostakowitsch: Supermodel Cara Delevingne eröffnete die Show, ihr Gesicht umrahmt von einer wippenden Pelzkapuze, und wie eine Beute vor sich her tragend: ein kleiner Carlito, eine Lagerfeld-Figur aus Pelz. Über der Armada von Models in Military-Tönen, gut gepolstert gegen äußere Angriffe zwar, aber gleichzeitig in langen Silhouetten, die irgendwie an die Dreißigerjahre erinnerten, schwirrten Foto-Drohnen. Kunstvolle Blumen-Applikationen hielten Pelzkrägen zusammen, während Lodenmäntel am Saum in Pelz explodierten. An den Wänden prangten überall die Worte "Made in Italy" - weil man das, so Karl Lagerfeld, gar nicht oft genug betonen könne. Mit so viel italienischer Handwerkskunst kann man dann auch aus Netzstoff romantische Abendkleider machen.

Überall fand man diese romantischen Elemente, hauptsächlich in Form von großzügigen Strass-Ornamenten an Kleidern, auf Taschen und auf Schuhen. Manchmal ist die neue Lust am Verzieren wohl wirklich eine Art Flucht aus der grauen italienischen Realität - so wie bei Dolce & Gabbana, deren Inspiration ein Märchenwald ist, in dem Frauen strassverzierte Rüstungen tragen oder Pullis, die mit naiven Märchentieren bestickt sind. Vielleicht ist der vermehrte Einsatz von Glitzersteinen aber auch ganz einfach das Ende der Céline-Purismus-Ära. Am schönsten sah das bei No. 21, dem Label des Designers Alessandro dell'Acqua, aus: ganze Mäntel besetzte er mit bunten Steinen und mixte sie mit schweren, maskulinen Wollstoffen.

Das wirkte alles andere als kitschig, sondern ist genau das, wonach Frauen gerade ist: wieder ein wenig mehr Poesie und Glitzer, aber ohne dabei wie Barbie auszusehen. Auch Etro, das italienische Boho-Label, verursacht plötzlich wieder dieses "So will ich aussehen"-Gefühl, obwohl man doch dachte, Talitha-Getty-Klamotten könne man für alle Zeiten an den Nagel hängen. Gesmockte Oberteile, aufwendig bedruckt, jede Menge Lammfell-Mäntel (Riesentrend), hohe Wildlederstiefel und tiefsitzende Midi-Röcke kann man also wieder tragen. Die besten Teile der Kollektion waren allerdings die Patchwork-Capes aus Alpaka und Karo-Stoffen; Ponchos eher, die aussehen wie lässig umgeschwungene Decken. Den gleichen Spirit verbreitete das Florentiner Modehaus Pucci, von dem ja viele behaupteten, es sei das neue Gucci, wegen des Sex-Appeals. Gucci zeigte nämlich schöne, aber zugeknöpfte Sixties-Ware. Und Pucci die perfekt verarbeitete Version des aktuellen Cowboy-Trends, den man vor allem in den Schuh-Showrooms sieht.

Aber natürlich ist der Hype um die Marke Céline trotz so gut gemachter Luxus-Hippie-Mode noch lange nicht vorbei. Die Oversize-Schnitte, die überschnittenen, skulpturalen Schultern, die lässigen Rockformen in Midi-Länge, die Riegel am Mantelrücken, sie sind immer noch da, und zwar fast überall. Kaum ein schmal geschnittener Mantel auf dem Laufsteg, stattdessen jede Menge ballonartig aufgeblasene Ärmel, schön rund schwingende Rücken bei Mänteln und "Mixed Media", also die Verwendung mehrerer Materialien in einem Kleidungsstück, gut umgesetzt vor allem bei Sportmax. Der Ärmel ist sowieso so eine Art Fetisch: oft ist er aus Leder, manchmal sogar im Kroko-Print, wie zum Beispiel an den Jacken von Fay.

Ausgelebte Fassbinder-Passion

So viel Einfluss auf das Universum Mode hat neben Phoebe Philo eigentlich nur Miuccia Prada. Auch deshalb lassen sich ihre Kollektionen so schwer in irgendeine Kategorie einordnen: weil sie eben immer schon selbst Trends gesetzt hat. Was heißt es also, wenn ein Orchester im Show-Graben sitzt und die deutsche Schauspielerin Barbara Sukowa Kurt Weill singt? Prada lebt gerade ihre Fassbinder-Passion aus: Sie habe alle seine Filme gesehen und die meiste Inspiration aus "Die bitteren Tränen der Petra von Kant" gezogen, berichtet sie. Es gab noch weitere Zitate der deutschen Kultur-Avantgarde, zum Beispiel den filzbezogenen Catwalk à la Beuys. Zum Glück spazierten auch viele Prada-Spezialitäten an den Zuschauern vorbei: der Mix von Schwer und Leicht (transparente Slipdresses zu Lammfell-Mänteln). Tapetenprints, diesmal im Art-Déco-Stil. Bad-Taste-Schuhe, deren Blockabsätze an Autoreifen-Material erinnerten. Leuchtende Satin-Kleider und experimentelle Farbkombinationen in Rot-violett-gelb.

Aber halt, wir wollten doch eigentlich von der italienischen Signora reden! Sie lebt in den beiden Kollektionen, über die in Mailand wohl am meisten geredet wurde: Tod's und Agnona. Bei Tod's entwirft die Designerin Alessandra Facchinetti jetzt in der zweiten Saison. "Open Rooms" heißt ihre Show, in der die Gäste in kleinen, feinen Salons sitzen, komplett mit einem eigens dafür entworfenen Teppich ausgelegt, dessen Muster sich auch auf Mänteln und Hosen wiederfindet. Über den Köpfen hängen alte Fontana-Lampen, und die Butler servieren Champagner von Fornasetti-Tabletten - das ist genau die Art von Geschmack, die man nur in den freskenverzierten Palazzi von Venedig oder Mailand findet. Und dann zeigt sie: Kleider aus butterweichem Leder, mal gelasert, mal in aufwendigen Intarsien gearbeitet, dazu anmutig schwingende Fishtail-Mäntel. Das Ganze ist so italienisch schön, dass es weh tut.

Gleicher Eindruck bei Agnona, dem Damen-Label des Stoffherstellers Ermenegildo Zegna: Es war ein Genie-Streich, den ehemaligen Designer von Yves Saint Laurent, Stefano Pilati, zu engagieren. Cocoon-Mäntel aus dem weichsten, dicksten Kaschmir, mit einer Art eingewebtem Wellenmuster - so voluminös, dass man mit diesem Mantel zur Not auch mal ohne Dach überm Kopf klar käme. Leider kostet der Mantel auch so viel wie ein Dach.

© SZ vom 25.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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