Fashion Week London:Der Teufel im Detail

Starke Arme, kleine Schleifen und viele Taschen: Bei der Londoner Modewoche haben die Designer die kleinsten Dinge ganz groß gemacht, um ihr Können zu beweisen.

Von Dennis Braatz, London

5 Bilder

Fashion London

Quelle: Burberry

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Detail 1: Stoffsammlungen

Kleiner Exkurs ins Handwerk der Mode: Wenn ein Kleidungsstück aus zwei aneinander genähten Stoffen besteht, und das obere Material leichter als das untere ist, dann sieht das Kleidungsstück schnell wie ein nasser Sack aus. Klar, weil alles einfach nach unten gezogen wird. Um diesem Effekt entgegen zu wirken, braucht eine Marke in seinen Ateliers das richtige Know-How, also gute Schneider, die wissen, wie dann ein Schnitt geführt und eine Naht gesetzt werden muss. Bei Jonathan Saunders zum Beispiel scheint es dieses Know-How noch nicht zu geben, dort zerrten Wildleder-Patches und fester Cotton an Seide und Pailletten. Anders bei Burberry. Hier hielt hauchzarte Spitze (nicht ohne Grund von Deko-Paspeln durchsetzt!) Seide und Satin, die den Models bis weit über die Füße reichten. Passender Titel zur Kollektion: "Functionregalia"

Fashion London

Quelle: J.W. Anderson

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Detail 2: Fokus Knöchel

So eine kleine Schleife auf Höhe des Knöchels ist natürlich erst mal eine feine Sache: Nicht nur, dass sie die Hose an einer bisher unbeachteten Stelle schmückt, sie lenkt den Blick auch gleich aufs wichtigste Accessoire überhaupt: den Schuh. Das einzige Problem ist, dass die Verjüngung der Silhouette auf Knöchelhöhe gleichzeitig alles verstärkt, was oberhalb von ihr liegt. "Die klassische Kaltblüter-Falle für Frauen, die eben nicht mit Modelmaßen gesegnet sind", sagt deshalb ein Gast in der Frontrow von J.W. Anderson. Der Designer lieferte (im Unterschied zu seinen Kollegen) aber auch gleich die einzige Lösung gegen dieses Problem: möglichst hoch sitzende Hosen. Die strecken das Bein wieder für einen ausgleichenden Effekt.

Fashion London

Quelle: MarcusTondo; David Koma

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Detail 3: Das 2-in-1-Kleid

Natürlich kann ein Kleid kein Detail für sich sein. Aber jetzt bitte mal genau hinsehen. Bei David Koma bestehen Kleider neuerdings aus zwei Teilen: einem Rock, dessen superenger Bund erst kurz unter der Brust endet, und einem reingesteckten Top. Weil beides aus ein und derselben Farbe ist und zusätzlich ein paar Zier-Reißverschlüsse als Ablenkung dienen, entsteht die Illusion eines "One-Piece". Ein ähnliches Prinzip wandte auch Peter Pilotto an, nur, dass hier die bedruckten Stoffe aus Spitze und Chiffon nicht so einfach einzeln zu kombinieren sind wie bei David Koma. Der Designer kommt mit seiner Interpretation den Wünschen von Kundinnen am nächsten - die ein teures Stück (oder eben zwei) so vielfältig wie möglich einsetzen wollen.

Erdem - Runway - LFW SS16

Quelle: Getty Images

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Detail 4: Starke Arme

Es gab eigentlich nur wenige Designer, die den Ärmel für den nächsten Sommer in Ruhe gelassen haben. Überall wurde geschoppt, gepufft, trompetet und gestanzt. In der Modetheorie heißt es an dieser Stelle immer gern, dass Designer damit Frauen ein bisschen mehr für die Ellenbogengesellschaft stärken wollen. Die Frauen, die Erdem im Sinn hatte, mussten ihre Ellenbogen (verpackt in Rüschen, Stoff-Kapseln, Manschetten und Schlaufen) so sehr einsetzen, wie es heute nicht mehr üblich ist. Er widmete seine Kollektion jenen, die 1862 durch Abraham Lincolns "Homestead Act" ein Stück Land im Westen der USA allein erwerben durften, unter der Bedingung, dass sie dann fünf Jahre in diesem Niemandsland bleiben mussten.

"Viele kamen aus Norwegen oder Deutschland. Viel wurden psychisch krank und haben Selbstmord begangen", erzählte Erdem backstage nach der Show. Einige Gäste kritisierten, dass in der Kollektion ein bisschen zu viel Historie steckte, um wirklich die Kundin erreichen zu können.

Simone Rocha - Runway - LFW SS16

Quelle: Getty Images

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Detail 5: cross-body

Passionierte Modemagazin-Leserinnen kennen den Begriff "cross-body" natürlich längst von einer sehr wichtigen Art und Weise, Taschen zu tragen - nämlich schräg über den Oberkörper. Bis zum nächsten Sommer wird sich daran auch nichts ändern. Im Gegenteil, es wird noch mehr. J.W. Anderson hat es auf die Spitze getrieben, indem er seinen Models links und rechts gleich zwei Taschen über die Schultern warf. Im Alltag wird seine Idee natürlich nicht eine Sekunde bestehen können, weil keine Frau wie ein bepackter Esel durch die Fußgängerzone laufen will. Simone Rocha, derzeit Londons beste Designerin, hat die cross-body-Mania deshalb gleich für eine viel spielerische Form der Mode interpretiert, die Eveningwear. Über ihren ausgestellten Kleidern hingen Scherpen, mal kunstvoll aus Seidenkordeln geknüpft, mal aus Plastik. Die Idee dazu lieferte einer der bedeutendsten Fotografen Japans, Nobuyoshi Araki, der sich in seinen Werken vor allem mit Bondage beschäftigt. Ohne die fesselnden Accessoires wären die zuckrig rosafarbenen Kleider einfach nur mädchenhaft gewesen - und das will auch keine Frau.

© SZ.de/tamo
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