Süddeutsche Zeitung

Fashion Week Kiew:Wie angeschossen

Verschieben wollte die ukrainische Modeszene die Fasion Week dann doch nicht. Aber die Ereignisse auf der Krim beeinflussen auch die Laufstege. Die Models laufen in Sträflingskleidung an Bauzäunen und leeren Zuschauerreihen vorbei.

Nicht Haute Couture, sondern "Prison Couture", so nennt der ukrainische Designer Aleksey Zalevskiy seine aktuelle Kollektion. Zalevskiy hat seine Models auf der Fashion Week in Kiew in modischen Sträflingskleidern über den Laufsteg geschickt. "Niemand kann uns aufhalten. Ukrainer sehen auch im Gefängnis gut aus", sagt der Designer. Er spielt damit auf das harte Vorgehen gegenüber Demonstranten an, denen bei der Blokade öffentlicher Gebäude vier bis fünf Jahre lange Haftstrafen drohen. Mit seiner gestrigen Show wollte er den Menschen in der Ukraine auf sarkastische Weise Mut zusprechen, so Zalevskiy.

Düstere Musik, gedämpftes Licht und Bauzäunen, die an Gefängnismauern erinnern - Zalevskiy hatte ein karges Bühnenbild entworfen. Die Zuschauerreihen blieben leer, Gäste waren unerwünscht. Nur Kameramänner und Fotografen hatte der Designer eingeladen, um das Schauspiel festzuhalten. Alle anderen konnten das Geschehen per Livestream im Internet verfolgen.

Mit strengem Gesichtsausdruck schritten die Models über den Laufsteg, als die Musik stoppte, warfen sich einige wie angeschossen auf den Boden und in die leeren Zuschauerreihen. Mit dieser Szene wolle er zeigen, wie ungerecht er das harte Vorgehen gegen die politischen Demonstranten auf dem Maidan empfinde, sagte Zalevskiy im Interview mit Süddeutsche.de. "Ich kann nur schwer ertragen, dass Leute auf der Straße erschossen werden", so der Designer.

Klare Botschaft an Russland

Auch die Ereignisse auf der Krim beschäftigen Zalevskiy. Gegenüber Russland hat er eine klare Botschaft: "Haut ab von unseren Stränden", so heißt der Slogan, den der Designer auf Russisch auf gestreifte Sträflings-T-Shirts drucken ließ.

Mehr als 40 ukrainische Modeschöpfer präsentieren derzeit im Messezentrum Mistezki Arsenal ihre Kreationen. Wegen der Unruhen wurde überlegt, die Fashion Week zu verschieben. "Aber als die Krim-Krise begann, war uns klar, dass wir die Schau gerade jetzt durchziehen müssen", zitiert die Nachrichtenagentur AFP die Co-Organisatorin Irina Danilewska. Gerade weil die Abspaltung der Krim drohe, "müssen wir der Welt zeigen, dass wir nicht zerbrochen sind, dass wir stark sind", sagt Danilewska.

Die Ukraine ist stolz auf ihre Modedesigner, heißt es in einer Pressemitteilung zur aktuellen Fashion Week. Unter schwierigen Bedingungen sei es ihnen gelungen, ihre Herbstkollektionen fertigzustellen und sie hätten es verdient, ihre Werke auf der Fashion Week der Welt zu präsentieren.

Viele aus der Modeszene engagieren sich zudem politisch, etwa indem sie an Protesten teilnehmen, ehrenamtlich in Krankenhäusern arbeiteten oder kugelsichere Westen entwerfen, so steht es jedenfalls auf der Website der Veranstalter der Fashion Week.

Aleksey Zalevskiy ist nicht der einzige Designer, dessen Kollektion durch die Krise beeinflusst wurde. In vielen Arbeiten überwiegen dunkle Töne. Modeschöpferin Lilia Pustowit zum Beispiel lässt ihre Modells in blassen gelb-blauen Roben defilieren - den Farben der ukrainischen Nationalflagge.

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