Fashion Week Berlin:Oberflächenveredelung für anarchistische Freigeister

Vorbereitungen für die Mercedes-Benz Fashion Week

Vorbereitungen für die Show der irischen Designerin Maria Roche. Sie präsentiert ihre Kollektion beim Nachwuchs-Award "Designer for Tomorrow".

(Foto: dpa)

Zwar haben Fußball-Fans die Models diesmal vom Brandenburger Tor in den weniger mondänen Wedding verdrängt. Doch die Fashion Week wartet trotzdem mit einem riesigen Programm auf: Große Marken, kleine Marken, unzählige Designer und rauschende Partys. Eine Annäherung in sieben Schritten.

Von Lena Jakat

Wo ist denn nur die Leggins mit dem Rasenprint? Hoffentlich wird mein Schland-Shirt noch rechtzeitig trocken! Wie reinigt man eigentlich eine Textilblumenkette? Wenn das die Gedanken sind, die Sie dieser Tage mit dem Thema Mode verbinden, und die einzige Assoziation, die Ihnen zu Berlin in den Sinn kommt, die unendliche Fanmeile am Brandenburger Tor ist, sollten Sie vielleicht besser hier weiterlesen.

Doch tatsächlich findet von Dienstag an in der Hauptstadt neben dem WM-Wahnsinn noch eine zweite Veranstaltung statt, auf der ebenfalls viele, viele Besucher erwartet werden, die sich viele, viele Gedanken über ihr perfektes Fan-Outfit gemacht haben: Die Fashion Week Berlin - Modedeutschland trifft sich zu seiner halbjährlichen Hauptversammlung. Die besteht aus derart vielen Einzel-Events, Veranstaltern, Messen, Partys, Produktpräsentationen, Label-Launches und Press Lunches, dass der Überblick schnell verloren geht. Hier dennoch der Versuch - eine Annäherung in sieben Schritten.

1. Die Designer

Die Liste der Designer, die ihre Entwürfe auf der Modewoche präsentieren, beeindruckt vor allem durch ihre Länge. Wie viele es genau sind, lässt sich nur schätzen: Im Rahmen der Showroom Days stellen 150 Designer und Künstler ihr Schaffen aus. Allein im Programm des Hauptveranstalters Mercedes Benz sind etwa 50 Labels zu sehen - von A wie Augustin Teboul, die mit ihren surrealen Performances jedes Jahr für Furore sorgen, bis Z wie Julian Zigerli. Der 29-jährige Schweizer, der die Modewoche mit seiner Schau am Dienstagmorgen eröffnet, gilt als äußerst vielversprechendes Talent. "Julians Mode entspringt der Sportswear, der er durch aufwändige Prints einen künstlerischen Anspruch verleiht. Zudem bearbeitet er das Material, wie ein Bildhauer es tun würde", kommentiert Fabian Kölmel, der auf seinem Blog Fabian Hart vor allem Männermode im Blick hat. "Ich bin gespannt auf seine Avantgarde-Sportswear."

Eine zuletzt ebenfalls mit dem Etikett "aussichtsreicher Nachwuchsdesigner" bedachte Marke ist in Berlin diesmal nicht mehr dabei: Achtland ist nach London ausgewandert, um von dort den internationalen Markt zu erobern. Die ganz großen Namen sind auf den Schauen in Berlin - anders als in Mailand, Paris oder eben London - ohnehin nicht zu finden, spätestens, seit sich Häuser wie Rena Lange oder Hugo Boss zurückgezogen haben. Wohl aber vertraute Lokalgrößen wie Guido Maria Kretschmer, Lala Berlin oder Vladimir Karaleev.

Fashion Week Berlin

Bislang gastierte der Modezirkus der Berliner Modewoche meist hier am Brandenburger Tor.

(Foto: dpa)

2. Die Laufstege

Der prominenteste Laufsteg der Hauptstadt - die Straße des 17. Juni zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule - bleibt in diesem Jahr dem Fußball vorbehalten, die Fashion Week muss auf ihren Zeltplatz am Wahrzeichen der Stadt verzichten. Stattdessen finden die Schauen des Hauptprogramms im deutlich weniger mondänen Stadtteil Wedding statt, und zwar - was, pardon, die Erwartungen weiter abkühlte - im Erika-Hess-Eisstadion. Kritiker fordern, dass sich die Modewoche ohnehin dauerhaft vom Brandenburger Tor verabschieden soll, da "das Wahrzeichen Berlins Sponsoren doch nur noch als Kulisse" diene. Die Veranstalter betonen jedoch, dass es sich bei der Verlegung um eine einmalige Ausnahme handele. Und schließlich gibt es noch zahlreiche Nebenlaufstege. Die Studiobühne der Komischen Oper zum Beispiel, die St.-Elisabeth-Kirche, Galerien und Geschäfte in der ganzen Stadt sowieso. An mehr als 50 Orten finden während dieser Woche etwa 200 Veranstaltungen statt. Etliche davon stehen allen Interessierten offen.

3. Die Messen

"Bread & Butter" heißt die wichtigste Fachmesse der Fashion Week. Und tatsächlich ist "Brot und Butter" mit seinen 600 Ausstellern das Grundnahrungsmittel für all die Einkäufer und Händler, die in den kommenden Tagen nach Berlin strömen, um dort Geschäfte zu machen. Doch die Speisekarte bedient auch andere Geschmacksvorlieben: Da gibt es Messen für große Mode, für grüne Mode, für Boardermode und Parfümmode. Für große Marken und kleine Marken, für Londoner Labels und internationale Konzerne. Viele dieser Veranstaltungen sind Fachbesuchern vorbehalten. Davon gibt es schon allein in Berlin reichlich: In keiner Stadt in Deutschland gibt es so viele Modefirmen wie hier - 3500 Unternehmen sind in der Branche tätig.

Julian Zigerli - Runway - Milan Fashion Week Menswear Spring/Summer 2015

Mutig und grell sind die Sportswear-inspirierten Entwürfe von Julian Zigerli.

(Foto: Getty Images)

4. Die Trends

So verschieden wie Jil Sander und Vivienne Westwood sind auch die Designer, die in Berlin ihre Entwürfe zeigen werden. Deswegen lassen sich Trends bei der Modewoche vorab kaum abschätzen. Eine Entwicklung ist jedoch zu beobachten: Während sich in Modemetropolen wie Mailand oder Paris zunehmend Fashion Weeks etablieren, die sich ganz und gar der männlichen Silhouette widmen, verschafft sich die Männermode in Berlin im Rahmen der bestehenden Fashion Week immer mehr Sichtbarkeit. In der Hauptstadt wurden in den vergangenen Jahren etwa 20 auf Männermode spezialisierte Labels gegründet. Das zeigt sich auch im Schauenplan der Fashion Week. Nicht nur durch Eröffnungs-Designer Julian Zigerli, auch Modemacher wie Kilian Kerner, Ivan Mandzukic oder Aleks Kurkowski zeigen, wohin die modische Reise nächsten Sommer für die Herren geht.

Ein zweiter Trend hält sich so hartnäckig, dass er diese Bezeichnung womöglich gar nicht mehr verdient hat: Ökologisch und ethisch korrekte Mode. "Green Fashion und Nachhaltigkeit sind gerade in Berlin ein großes Thema", sagt Modebloggerin Katja Schweitzberger von LesMads. Gleich zwei Messen widmen sich dieser Sparte.

5. Die Blogger

Seit Jahren wird diese Besuchergruppe nicht nur immer präsenter, sondern auch immer wichtiger für die Designer - schließlich erreichen ihre Entwürfe nirgends so unmittelbare Bekanntheit wie durch Blogs. "Autoren, die via Blog publizieren, können in vielen Dingen schneller sein als Printmedien und sich selbst und ihre Meinung einbringen, weil sie dafür geschätzt und letztendlich auch gelesen werden", sagt Blogger Fabian Kölmel. Das haben inzwischen auch die Modemacher verstanden. "Vor fünf Jahren war es noch schwieriger an Einladungen zu kommen, die Strukturen waren weniger offen", sagt Katja Schweitzberger von LesMads. Die Bedeutung von Bloggern sei enorm gewachsen. "Mittlerweile laden Designer die Blogger, die zu ihren Marken passen, von sich aus ein. Sie werden ernst genommen und sind fester Bestandteil der Fashion Week."

Modeblogger, Stilblogger, Beautyblogger, Fashionblogger: Die Tausenden Modemenschen, die in den großen Bloggertopf geworfen werden, unterscheiden sich jedoch nicht nur durch ihre selbstgewählten Jobtitel. Hier finden sich hobbymäßig bloggende Freizeit-Fashionistas ebenso wie Blogger, die auf Kooperationen mit namhaften Marken verweisen und sich damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Letztere wollen mit Ersteren tunlichst nicht verwechselt werden."Blog ist nicht gleich Blog - genauso wenig kann man ein Sexheftchen, den Wachturm und den Stern miteinander vergleichen", sagt Blogger Kölmel."Wir müssen verstehen, dass es nicht mehr so wichtig ist, woher etwas kommt, sondern mit welcher Glaubwürdigkeit und Qualität es gemacht wurde."

6. Die Stadt

Seit den Neunzigern ist Berlin Pflichtstadt für alle Coolen und Kreativen. Doch die Mode machte da zunächst nicht mit, vielleicht passten anarchistischer Freigeist und Oberflächenveredelung einfach nicht zusammen. Erst nachdem 2003 die "Bread & Butter" nach Berlin gezogen war und auch die Modemesse Premium erstmals stattgefunden hatte, begann sich das zu ändern. 2007 dann liefen in dem großen weißen Zelt am Brandenburger Tor die ersten Models über den Laufsteg - sie zeigten Entwürfe aus dem Hause Hugo Boss. Sieben Jahre später sind solche großen Namen Mangelware auf dem Schauenplan; dafür haben sie jungen, ambitionierten Modeschöpfern Platz gemacht. Im Vergleich zu den anerkannten Mode-Hauptstädten ist Berlin in dieser Hinsicht noch immer wie seine rastlosen, engagierten und doch oft unterbezahlten und verkannten Kreativen. Was nicht bedeutet, dass sich die Modewelt hier in den kommenden Tagen weniger selbstbewusst feiern würde als anderswo.

7. Die Partys

Wer war da? Mit wem? In welchem Outfit? Vielleicht sind es am Ende die Partys, auf denen sich die Fashion Week selbst feiert, die ihr jenen glitzernden Überlack verleihen, der die Anziehungskraft dieser Veranstaltung ausmacht. Feste gibt es reichlich, vermutlich mindestens so viele wie klassische Modeschauen. Da gibt es eine Party zum Skate-Contest, eine Party zum Modefilmfest, eine Grillparty - und natürlich, so ganz vergessen ist die WM ja nicht - einen brasilianischen Karneval. Veranstaltungen, die das Zeug dazu haben, in einer breiteren Öffentlichkeit bleibenden Eindruck zu hinterlassen, gibt es jedoch eigentlich nur zwei: Die Fashion Night im Berliner Edelrestaurant Borchardt, die Party mit den wohl illustersten Gästen, und die Stylenite des Designers Michael Michalsky. Seit Jahren verknüpft der Berliner die Präsentation seiner Kollektion mit einem rauschenden Fest, das zur quasioffiziellen Abschlussparty der Fashion Week avanciert ist.

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