Fashion Week Berlin:"Ich würde mir auch keinen Lederrock für 1400 Euro kaufen"

Marina Hoermanseder

Marina Hoermanseder ist nicht nur Designerin, sondern auch Geschäftsfrau: "Mit Lederkorsetts verdient man kein Geld."

(Foto: Christoph Schlossnikel; Cecilia Leitinger)

Marina Hoermanseder gehört zu den großen Hoffnungen der deutschen Modeszene. Ein Gespräch über Models ohne Schuhe und das Glück, früh ein Markenzeichen gefunden zu haben.

Interview von Felicitas Kock, Berlin

Im Gespräch verfällt Marina Hoermanseder nach der dritten Frage ins Du, was ihrem Wiener Schmäh eine Extraportion Charme verleiht. Auf der Berliner Fashion Week hat die 30-jährige Designerin, die gebürtig aus Österreich stammt, an diesem Donnerstag im Kronprinzenpalais ihre neue Kollektion vorgestellt, für die sie sich von Flugpionierin Amelia Earhart inspirieren ließ. Das Ergebnis: Korsagen, Fliegerjacken, zarte Mäntel. Und eine Menge Beifall.

SZ: Frau Hoermanseder, Sie präsentieren jetzt zum vierten Mal auf der Fashion Week. Bekommen Sie langsam Routine?

Marina Hoermanseder: Ich weiß jetzt, was mich erwartet, aber Routine bekommt man in diesem Beruf nicht. Das sagen auch Kolleginnen, die seit zehn Jahren oder länger dabei sind. Die Wochen vor der Fashion Week sind Stress pur. Im vergangenen Sommer zum Beispiel gab es ein Dress mit vielen, vielen Lederblumen. Wir haben bis zur letzten Sekunde daran genäht. Ein Korsett wurde uns damals erst eine Stunde vor der Show aus Italien geliefert. So besteht natürlich immer die Gefahr, dass etwas schief geht.

Ist schon mal etwas schiefgegangen?

Das Gute ist, dass das Publikum vorher nicht weiß, wie die Stücke aussehen sollen. Niemand merkt, wenn etwas ganz anders gedacht war.

Aber es ist noch kein Dress auf dem Laufsteg auseinandergefallen.

Das Gottseidank nicht. Aber vor einem Jahr hatten wir zu wenige Schuhe für die Models. Wenn eine rechts hinter der Bühne verschwunden ist, musste sie ganz schnell die Hacken ausziehen und nach links schmeißen, damit das nächste Model sie anziehen konnte. Meine Mitarbeiter sind am Boden herumgekrochen und haben geholfen. So ein Chaos herrscht backstage bei vielen Modenschauen, deshalb ist die Musik so laut - damit es im Publikum niemand mitbekommt.

Die Minuten kurz vor der Show - sind das die schlimmsten des Jahres?

Nein, da bin ich total fokussiert. Ich bin ja die letzte, die die Models sieht. Ich schaue, dass die Bluse richtig im Hosenbund steckt, dass das Kleid akkurat sitzt - ansonsten bekomme ich um mich herum nichts mit. Viel stressiger ist es etwa sechs Tage vor der Show.

Warum?

Weil sich dann herausstellt, ob die Kollektion funktioniert - oder ob man noch einmal alles umschmeißen muss. Wenn zum Beispiel die Farbe auf einem Korsett nicht richtig trocknet, wenn sich jemand verschnitten hat und uns das Leder in einer bestimmten Farbe ausgeht. Oder wenn einem das Ganze plötzlich nicht mehr gefällt. Dann muss man umplanen. Sechs Tage vor der Show ist das noch möglich. Drei Tage vorher nicht mehr, da muss man sich der Kollektion ergeben und sie gut finden.

Sie haben großen Erfolg in ihrer noch jungen Karriere. Das Geschäft läuft gut.

Ich würde nicht sagen, dass das Geschäft gut läuft. Es läuft an. Ich habe jetzt vier Saisons Kollektionen präsentiert und seit den beiden letzten verdienen wir Geld. Meine Marke wird im KaDeWe verkauft, bei Harvey Nichols in Hong Kong, in Paris, Zagreb, in Wien natürlich und bald auch in den USA. Die Fashion Shows brauche ich fürs Image. Da zeige ich, was ich kreativ und handwerklich drauf habe. Ich liebe das Theaterhafte, Skulpturale. Aber mit Lederkorsetts verdient man kein Geld. Und das ist mein Ziel, auch wenn es hier irgendwie verpönt ist, kreativ sein und trotzdem Geld verdienen zu wollen. Es hilft aber nichts: Als Berliner Jungdesigner untragbare Mode zu horrenden Preisen zu verkaufen, funktioniert wirtschaftlich einfach nicht.

Was funktioniert dann?

Armbänder, Taschen, Blusen. Tragbares zu moderaten Preisen, damit machen wir gerade unser Geschäft. Bestes Beispiel: der Team-Pulli.

Der was?

Ich hole nach den Schauen immer meine Mitarbeiter auf den Laufsteg, die dann alle den gleichen Pullover tragen. Nach der ersten Schau haben wir wahnsinnig viele Anfragen bekommen. Die Kollektion kam gut an, aber kaufen wollten alle den Pullover. Also haben wir ihn nachproduziert. Es gibt ihn jetzt in verschiedenen Farben, schöne einfache Stücke aus Jersey, gut gefertigt, mit unserem Logo vorne drauf für 119 Euro.

Marina Hoermanseder zum Schnäppchenpreis?

Ja, klar. Ich frage mich immer, was ich kaufen würde. Und das ist kein Lederrock für 1400 Euro, sondern etwas Kleines. Ein Stück, das nicht allzu teuer ist und mich trotzdem eine Luxusmarke besitzen lässt. Ich würde wohl ein Armband mit Lederschnalle wählen.

Mit Ihrem Markenzeichen.

Ja, genau. Es ist das größte Glück, dass sich das so etabliert hat. Das war überhaupt nicht geplant. Ich bin tagelang bei einem Sattler gesessen und habe mir das Handwerk zeigen lassen. Für meine Diplomarbeit habe ich dann zum ersten Mal die Lederschnallen gefertigt, die jetzt mein Markenzeichen sind. Andere suchen Jahre nach so einem Wiedererkennungsmerkmal.

Wenn man in einem kreativen Beruf Erfolg hat, besteht dann nicht die Gefahr, dass man immer wieder das gleiche macht - einfach, weil man weiß, dass die Leute es mögen?

Ich hatte in der vergangenen Saison eine Kollektion mit 5000 Lederblumen. Das war etwas ganz anderes als zuvor. Und mein Gott hatte ich Angst, dass die Leute das blöd finden. Zu floral, zu kitschig, sowas.

Kam dann aber gut an.

Ja. Genauso habe ich Angst, dass die Leute sich irgendwann an meinen Lederschnallen sattsehen haben. Aber noch gibt es viele Teile der Welt, die meine Lederschnallen nicht kennen. Und ich denke mir, die sollten sie schon noch kennenlernen. Deshalb mache ich erst einmal weiter.

Ist es eigentlich besser alles mitzunehmen, oder muss man sich zwischendurch auch rar machen, um ernst genommen zu werden?

Ich würde am liebsten mit allen zusammenarbeiten, ich würde dem kleinsten Blogger ein Interview geben und jeder Modestudentin zur Seite stehen. Aber ich habe eine Agentur, die mir hilft, streng zu sein. Ich habe gesagt bekommen, wie schnell das Image, das man sich in zwei Jahren aufgebaut hat, zerstört sein kann.

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