Fashion:Handwerker

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Mode ist Glamour? Nicht für Stefan Eckert. Der Hamburger Designer konzentriert sich lieber auf das Schneidern solider Bikerjacken.

Von Fabienne Hurst

Hamburger Hafencity, Baustellen und Industrieschick aus Klinker und Stahl. Hier hat Stefan Eckert sein Atelier, es ist ein unverputzter Raum hinter dunklem Schaufensterglas, der Label-Schriftzug in schlichten, weißen Lettern fällt kaum auf. "Neulich ist eine Kundin glatt daran vorbeigelaufen", sagt der Designer und grinst. "Wir sollten dringend weiß streichen oder andere Lampen aufhängen." Mit dem Rampenlicht hat es Eckert nicht so, vielleicht ist deshalb sein Name nur Mode-Insidern ein Begriff.

Der 39-Jährige mit den tätowierten Armen und den langen Dreadlocks macht seit Jahren zum Beispiel einen großen Bogen um die Berliner Modeszene. Während deutsche Labels wie Lala Berlin, Nobi Talai oder Kaviar Gauche im Blitzlichtgewitter der Berliner Fashion Week ihre Bekanntheit ausbauen, näht Eckert lieber in Hamburg Bikerjacken zusammen. Schmal geschnitten, aus Lamm- oder Hirschleder in Schwarz, Taupe und Grau. Manche Modelle haben Schuppen an den Ärmeln, andere asymmetrische Reißverschlüsse, aufwendige Schultersteppungen oder Volants am Revers. Es sind zeitlose, fast klassische Stücke mit kleinen Extravaganzen.

Der Designer selbst trägt seine schwarze Lederjacke jeden Tag, dazu immer enge Jeans, T-Shirt und italienische Designerstiefel. Für Trends hat er nicht viel übrig, er mag keine abgefahrenen Modeexperimente, keine schreienden Farben. Seinen Angestellten hat er sogar einen Dresscode verordnet: Pink, Neongelb, Giftgrün sind verboten, nur gedeckte Farben erlaubt. "Alles andere lenkt mich ab."

Nachts legte Eckert Platten auf, tagsüber lernte er, wie man Dirndlschürzen absteppt

Eckert versucht, sich in der schnelllebigen Modebranche durch etwas zu behaupten, was ihr immer mehr abhanden zu kommen scheint: Bodenständigkeit. Er geht nicht oft auf Partys, will keiner von denen sein, die ständig auf den Event-Seiten der Klatschblätter wiederkehren. Auch auf eine PR-Agentur verzichtet er. "Die Leute kommen trotzdem", sagt er. "Stammkunden und Interessierte, die über Mundpropaganda von mir gehört haben." Es sind Unternehmerinnen, Chefredakteurinnen, Schauspieler, aber auch Künstler oder Studierende, die monatelang auf eine Lederjacke sparen, die dann auch ein paar Jahrzehnte halten soll - und muss. Die maßgefertigten Jacken und Röcke kosten ab 1500 Euro, Abendkleider ab 2000 Euro. Rund tausend Teile verkauft der Designer im Jahr.

Schon Eckerts Lebenslauf hat wenig Abgehobenes. Nach dem Abitur bleibt er in seiner Heimatstadt Nürnberg, spielt in der Regionalliga Basketball, Power Forward. Die gleiche Position wie Dirk Nowitzki, dem er bei Spielen gegen Würzburg gegenüber steht. Nowitzki wechselt später in die NBA, Eckert macht eine Schneiderlehre. "Ich wurde damals viel belächelt, das Schneiderhandwerk galt nicht als cool", sagt er. "Aber für mich war Mode schon früh ein Ausdrucksmittel meiner Persönlichkeit. Die Lehre war das perfekte Ausbildungscamp." Es sind die Neunzigerjahre, Technozeit. Nachts legt Eckert bei illegalen Raves in Sandgruben und U-Bahn-Schächten Platten auf, tagsüber lernt er, wie man Dirndlschürzen absteppt. Seine Abschlussarbeit: ein Trachten-Janker.

"Leider ist das Handwerk heutzutage nicht mehr attraktiv", sagt Eckert. Zwar gebe es jede Menge Design-Absolventen, aber gute Praktiker seien rar - das zeige sich bei der Suche nach Fachkräften. "Ich will den Nachwuchsdesignern klarmachen, wie wenig unser Beruf mit Glanz und Glamour zu tun hat." Vielmehr brauche man Organisationstalent, Geschick im Umgang mit Zahlen und handwerkliches Können. Erst neulich habe er einen Praktikanten gefragt, was er werden wolle. "Couturier", sagte der. Eine Schneiderlehre sei ihm aber zu muffig. Eckert empfahl ihm, im Lexikon nachzuschlagen, was Couturier auf Deutsch heißt.

Breites Warensegment und niedrige Preise - bei diesem Spiel wollte er nie mitmachen

Nach der Ausbildung studiert Eckert an der Hamburger Akademie für Mode und Design, arbeitet ein Jahr bei Alexander McQueen in London und absolviert dort den Meisterlehrgang des renommierten Central Saint Martins College of Art and Design. Eine Talentschmiede, die spätere Stars wie Stella McCartney oder John Galliano zu ihren Alumni zählt. Aber der Deutsche hadert mit seiner Branche. Mit der mangelnden Tiefe in den Gesprächen, der Schnelllebigkeit einer Industrie, die auf ständige Erneuerung ausgerichtet ist, den Hypes. "Ich finde es ja auch interessant, wenn ich in Berlin alle paar Monate neue Läden sehe. Aber das bedeutet doch jedes Mal auch: Da ist wieder eine Existenz zugrunde gegangen."

Vor einer Berliner Fashion Week habe einmal ein Producer angerufen, ob Eckert nicht eine Show machen wolle. "Gibt es einen Empfangsraum für die Gäste?", wollte der Designer wissen. "Eine Liste der Einkäufer? Wer kommt von der Presse? Fotografen?" Das könne man ihm nicht sagen, aber es würde sicher eine phänomenale Show. Eckert winkte ab.

Seine Labelgründung 2009 finanzierte er sich, ganz klassisch, über Darlehen mit vollem unternehmerischem Risiko. "Ich wollte nicht mitmachen beim Spiel der Konzerne und ein möglichst breites Segment zu niedrigen Preisen anbieten", sagt Eckert. Er weiß, dass viele Nachwuchsdesigner mit genau dieser Strategie scheiten. Deshalb spezialisiert er sich früh, arbeitet seine ganz eigene, sehr klare Designsprache heraus und setzt bei den wenigen Stücken jeder Kollektion auf Qualität. Er verarbeitet Leder aus Deutschland und Frankreich, Reißverschlüsse aus der Schweiz, genäht wird alles in Hamburg. Eckert schwärmt für Marken wie Hermès und Chanel. "Das sind Firmen, die Erbstücke produzieren. Das ist will ich mit meinen Lederteilen auch erreichen", sagt er.

Nachhaltigkeit ist inzwischen ein großes Thema in der Branche, auch für Eckert. Viele Firmen bringen mittlerweile "conscious collections" heraus, werben mit Fair-Fashion-Zertifikaten, veganen Stoffen. "Ich mag es nicht, wenn man sich Umweltbewusstsein auf die Fahne schreibt, dann aber nicht konsequent produziert", sagt Eckert. Nachhaltig könne in seinen Augen etwas nur sein, wenn soziale Verantwortung und ein umsichtiger Umgang mit der Natur zusammenkommen. "Was bringt es, wenn man Ökobaumwolle verarbeitet, die von kleinen Kindern gepflückt wurde? Oder wenn ein sogenanntes fair gefertigtes T-Shirt nur wenige Wochen hält?"

Die Entwürfe passen zum Selbstbild der Hansestadt: gut verarbeitet, ohne Firlefanz

Es gibt wohl keine deutsche Stadt, die zu Eckerts Vision von Mode besser passt als Hamburg. Hippe Künstlerviertel wie die Londoner Old Street sucht man hier vergeblich. Man kann das langweilig finden - oder solide. "In Hamburg legen die Leute Wert auf Beständigkeit und lassen sich nicht von jedem Hype mitreißen", sagt Eckert, der seit 18 Jahren in der Hansestadt wohnt. "Den Hamburgern ist es völlig wurscht, was in den meisten Modemagazinen steht", sagt Eckert. "Das finde ich sehr sympathisch."

Schon nach wenigen Jahren ist er schuldenfrei, mittlerweile arbeiten zehn Modefachkräfte für ihn. Eine Zeitung nannte ihn einmal den "Mittelständler der Mode", dessen Herz genauso für Excel-Tabellen schlage wie für Schnitte und Stoffe. Er nahm es als Kompliment. "Mode und Mittelstand sind zwei Worte, die viel zu selten in einem Satz genannt werden", findet er. Bei einem Hamburger Wohltätigkeits-Fußballturnier hat er sich die Trikotrückseite eigens bedrucken lassen. Darauf stand: tapferes Schneiderlein.

© SZ vom 14.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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