Süddeutsche Zeitung

EU-Verbot:Warum niemand den Strohhalm braucht

  • Plastiktrinkhalme gehören zu den klassischen Wegwerfprodukten, die tonnenweise auch in den Weltmeeren landen. Deshalb will die EU sie verbieten.
  • Es kann zwar noch viele Jahre dauern, bis das Verbot in Kraft tritt, aber die Reaktionen kamen prompt.

Von Veronika Wulf

Die EU will Plastiktrinkhalme verbieten, um die Ozeane zu schützen. Es kann zwar noch viele Jahre dauern, bis das Verbot in Kraft tritt, aber die Reaktionen kamen prompt: von bedingungslosem Beifall über ein müdes Lächeln in Richtung der Brüsseler Klein-Klein-Politik bis hin zu sentimentalen Abgesängen auf das, was manche zur Trinkkultur zählen. Manche posteten Gründe für den Erhalt der Halme mit dem Hashtag #savethestraw (Rettet den Strohhalm) auf Twitter, andere kündigten an, die vom Kindergeburtstag übrigen Packungen zu horten und irgendwann auf Ebay zu verkaufen.

Diejenigen, die das mit der Umwelt verstanden haben, sich aber trotzdem an den Strohhalm, nun ja, klammern, bringen schon seit ein paar Jahren alle möglichen Alternativen zu den Einwegröhrchen ins Spiel: Trinkhalme aus Edelstahl, Glas oder Papier, aus Maisstärke, Bambus oder Silikon, essbare aus Schokolade oder aus Apfelresten, lange Makkaroni oder einfach echte Strohhalme. Also aus Stroh.

Man könnte an dieser Stelle fragen, wie man Mehrwegstrohhalme wirklich hygienisch reinigt und anmerken, dass viele dieser Alternativen wohl auch nicht umweltfreundlicher sind. Dass Metallhalme mitunter schmerzhaft an den Zähnen klackern und sowohl durch Eiswürfel als auch durch heißen Latte macchiato eine unangenehme Temperatur annehmen. Dass man keinen Drink will, der nach irgendetwas anderem schmeckt als nach seinen Zutaten und dass Pappröhrchen sowieso am allerschnellsten schlappmachen.

Aber mal ehrlich: Man hat den Strohhalm doch sowieso nie gebraucht. Er ist nicht praktisch und erst recht nicht stilvoll. Hat James Bond - und er mag definitiv zu den lässigsten Trinkern zählen - seinen Martini etwa jemals durch ein Plastikröhrchen genuckelt? So ein saugendes Gesicht sieht bestenfalls etwas minderbemittelt aus, schlimmstenfalls billig-lasziv. Mit gutem Grund lassen sich Politiker nur äußerst selten mit einem Strohhalm im Mund ablichten. Außer Jens Spahn für das Magazin Neon und der hätte es auch besser gelassen.

Man muss es leider sagen: Der Plastiktrinkhalm ist nicht nur umwelttechnisch ein Stück Müll - auch ästhetisch. Er ist meist lieblos oder gar nicht designt und wird zusätzlich durch Glitzerpalmen oder Papierananas verunstaltet, bevor er in ein klobiges, bauchiges Hurricane-Glas gesteckt wird. Er erinnert an schlechten All-inclusive-Urlaub in Tunesien und die knatschbunten Cocktails, die Teenager trinken, weil sie betrunken sein wollen, aber noch keine richtigen Drinks runterkriegen.

Wenn man ihn braucht, dreht der Strohhalm sich im Glas geschmeidig weg

Aber, mögen empörte Eltern einwenden, der Strohhalm sei ja auch für kleine Kinder gemacht, damit sie weniger verschütten beim Trinken. Doch Kleinkinder kleckern auch mit Strohhalm (und kommen zusätzlich auf die Idee, den Kakao über den Esstisch zu blasen). Und wenn sie so geschickt oder so gut erzogen sind, dass sie es nicht tun, dann kippt der abgewinkelte Trinkhalm von allein aus dem bunten und viel zu niedrigen Ikea-Plastikbecher und tropft den Tisch voll. Bevor die Kinder dann ins Cocktail-Alter kommen, verwenden sie den Strohhalm gerne noch, um angekaute Papierkügelchen durchs Klassenzimmer zu pusten. Ist man schließlich im Cocktail-Alter angekommen, hat das Röhrchen noch eine verzichtbare Funktion: als Schmollmundkrücke auf dem Selfie, damit das Duck-Face noch duck-faciger aussieht.

Gegen Wespen hilft der Trinkhalm auch nur bedingt, zumindest in den dicken Röhrchen verschwinden die Insekten problemlos und sind dann auch noch unsichtbar. Wenn man ihn braucht, dreht der Strohhalm sich im Glas geschmeidig weg, man greift mit der Hand oder - noch schlimmer - mit dem Mund ins Leere und sieht aus wie ein Idiot. Und wer anfängt, aus Verlegenheit oder Langeweile auf dem Halm herumzukauen oder mit ihm gar die Minzblätter im Mojito zu malträtieren, der sollte sowieso die Location wechseln. Und am besten auch gleich noch den Drink und das Gegenüber.

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Quelle:
SZ vom 01.09.2018/ick
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