Süddeutsche Zeitung

Essen & Trinken:Restsüße und Schärfe passen immer gut

Asiatische Küche verträgt sich nicht mit Wein? Das ist zum Glück nur ein Vorurteil. Curry muss schwimmen - nur sollte man wissen, worin.

Von Patrick P. Bauer

Die asiatische Küche ist einer der größten und schwammigsten Sammelbegriffe der kulinarischen Welt. Und obwohl es absurd erscheint, so unterschiedliche Küchen wie die indische und die koreanische, die afghanische und die indonesische in einem Atemzug zu nennen, so haben sie doch eines gemeinsam: Vor allem in Europa trinkt man gern Bier dazu oder allenfalls pappsüße Weine. Denn viele der Gerichte sind scharf, und Wein und Schärfe vertragen sich in der Tat nur schwer.

Nun wäre es aber schade, zu früh aufzugeben, denn ebenso richtig ist: Die asiatischen Küchen eröffnen fast grenzenlose Möglichkeiten zur Kombination mit Wein. Wer etwas Zeit in die Auswahl steckt und ein paar Regeln beachtet, der kann völlig neue Geschmackswelten entdecken.

So wie im Münchner Stadtteil Schwanthalerhöhe. Dort residiert eines der ältesten Thai-Restaurants des Landes, das "Rüen Thai" dessen frühe Bekanntheit sich interessanterweise auch seiner exzellenten Weinkarte verdankt. Beachtliche 180 Positionen sind dort gelistet, aus Frankreich, Italien, Deutschland, Österreich, Australien oder Kalifornien. Und es ist der Chef selbst, der sich um die Auswahl kümmert. Anuchit Chetah kocht hier seit 1990 Gerichte aus seiner südthailändischen Heimat, Currys, Seafood und viele aromatisch komplexe Soßen von fruchtiger Schärfe. Durchweg Gerichte also, die sogar unter Weinfans von jeher als kaum begleitbar gelten.

Vor seiner Selbständigkeit sammelte Chetah Erfahrung bei verschiedenen Gastronomen, zuletzt bei Alois Dallmayr in München. "Ich habe mich immer für Wein interessiert", sagt Chetah, und dieses Faible mit einem eigenen Thai-Restaurant zu verbinden, sei sein großer Traum gewesen. Als er dann vor knapp 30 Jahren eröffnete, galt er als doppelter Exot. Thailändische Küche auf Gourmet-Niveau und erlesene Weine aus aller Welt? "Anfangs waren alle sehr kritisch. Ich koche mit extrem vielen Gewürzen und Kräutern und dazu eben sehr scharf. Alle sagten: Das kann nicht passen!"

"Ein Koch sollte nicht zu eitel sein, die Würze eines Gerichts mal einem Wein anzupassen."

Dass es doch passte, beweisen die Zahlen: Schon länger trinken 80 Prozent der Gäste hier Wein zum Essen. Etwa die Hälfte von ihnen lässt sich eine Begleitung empfehlen, die andere Hälfte wählt die Flasche selbst aus, und oft nennt Chetah dann ein passendes Gericht dazu. Der Gastronom findet, man dürfe als Koch nicht zu eitel sein, seine Gerichte auch mal dem Wein anzupassen. "Wenn ein Gast gerne einen trockenen, gereiften Riesling möchte, dann nehme ich auch etwas Schärfe aus dem Gericht. Das ist eben mein Weg", sagt er. Wichtig für seinen Küchenstil sei, dass die Weine Stärke und Kraft haben. "Ich reiche zum Beispiel gern einen Amarone zu würzigen Gerichten oder einen Riesling mit etwas Restsüße zu scharfen Speisen", sagt Chetah. Pikante Würze fängt Chetah mit Frucht und viel Aroma auf: gereifte Rieslinge, italienische Cuvées, Sauvignon Blanc, Gewürztraminer oder Chardonnay aus dem Barrique zählen zu seinen Favoriten.

Verlässt man Südostasien und betritt ein japanisches Lokal, dann ändern sich natürlich die Spielregeln für die Weinauswahl. Das "Kabuki" im Frankfurter Bahnhofsviertel zum Beispiel hat sich auf Teppanyaki spezialisiert, das Grillen am Tisch, kräftige Brataromen und der Geruch intensiver Gewürze gehören da zum Programm. Kabuki gilt als einer der besten Japaner der Stadt. Fleisch und Fisch werden vor den Augen der Gäste filetiert und auf einer heißen Stahlplatte zubereitet: Entrecôte, Roastbeef, Entenbrust, Hähnchen, Lachs, Dorade, Thunfisch, See-Aal und Jakobsmuscheln. Passende Weine dazu reicht Sommelier Hoichi Kashimoto, den das Restaurant vor drei Jahren von Tokio nach Frankfurt geholt hat.

Kashimoto fing als Koch an. Doch in Japan habe ihm immer ein passender Wein zum Essen gefehlt, erzählt er. "Zu Hause steht das Gericht im Vordergrund, und es gibt Tee dazu, erst später wird Wein, Sake oder Bier getrunken." Die Welt der Weine und Spirituosen interessierte ihn jedoch. So wurde er zunächst Barkeeper, "aber da hat mir dann die Vielfalt der Küche gefehlt", sagt Kashimoto, der schließlich auf Sommelier umlernte. Seitdem hat er sein Ziel erreicht: japanische Gerichte mit Wein verbinden. An Frankfurt reizte ihn, dass viele große europäische Weinbauregionen in Reichweite liegen, also fing er dort an.

Weine, die dominantem Essen standhalten, sind dummerweise meist ein wenig teurer

"Wir nutzen hier vor allem Terriyaki- und Soja-Sauce sowie Chili, Meerrettich, Wasabi und Pfeffer", sagt Kashimoto. Diese Aromenvielfalt verlangt ebenso komplexe und starke Weine. Um die zu finden, reist der Sommelier in deutsche, französische, italienische und amerikanische Anbaugebiete. Ungefähr 40 Winzer haben es auf seine Weinkarte geschafft. "Wir nutzen die ganze Bandbreite des Weins", erklärt Kashimoto. Nur säurebetonte Weine vermeidet er, da sie mit scharfen Wasabi-Gerichten oft sauer schmecken. Darüber hinaus aber seien den Möglichkeiten kaum Grenzen gesetzt. Zu Fisch in Miso-Sauce passen zum Beispiel Weißweine mit wenig Säure, etwas Süße und viel Eleganz, damit sie den Fisch nicht übertrumpfen. Die süßlichen Komponenten von Teriyaki-Sauce vertragen schwere, aromatische Weißweine. Zu Fleisch in Teriyaki-Sauce empfiehlt er dagegen leichte, süße-affine Rotweine wie Merlot oder Spätburgunder. Und ist Sojasoße eine hervorstechende Zutat, sollte es ein Wein mit moderatem Alkohol sein, der sich nicht mit der Säure beißt, etwa Silvaner oder ein leichter Weißburgunder.

Für eine harmonische Ergänzung asiatischer Gerichte greifen viele Sommeliers gern zu Großen Gewächsen, gereiften Jahrgängen oder guten Lagenweinen. Um sicherzugehen, dass die Begleitung auch mit den starken Gewürzen mithält. Wer gern erstklassig und exklusiv trinkt, ist also auch in asiatischen Küchen gut aufgehoben, muss aber dafür auch viel bezahlen.

In Berlin will das thailändische Pop-up-Restaurant "Kin Dee" dagegen zeigen, dass es auch mit preiswerteren Weinen klappt. Hier kocht seit Anfang 2017 die Küchenchefin Dalad Kambhu vor allem mit selbstgemachten Gewürzmischungen, Dips und Saucen, die thailändische Schärfe transportieren, dazu haben viele Gerichte hier einen europäischen Twist: Salat wird nicht mit Papaya, sondern mit Kohlrabi aus deutschen Landen zubereitet. Heimische Äpfel ersetzen die Mango. Kambhu verzichtet auf fertige Curry-Pasten und mischt alles selbst - aus Zitronengras, Kaffir-Limette, Wild-Ingwer, Koriander, Chili und Kurkuma.

Zu den Gerichten hat der Sommelier Patrick Wenzel eine kleine Weinauswahl zusammengestellt, die nicht die Preisklassen der Frankfurter und Münchner Kollegen erreichen. Funktionieren soll es trotzdem. "Bei uns ist Schärfe das Thema", sagt er. Bei Kin Dee verlässt fast kein Gericht die Küche, das im Mund nicht zumindest leicht brennt. "Aber es gibt kaum trockene Weine, die mit Schärfe harmonieren", sagt Wenzel. Ebenfalls ein Tabu ist ein hoher Alkoholgehalt. Der verstärkt die Schärfe noch mehr.

Das Pairing sieht im Kin Dee dann so aus: Die Vorspeise ist eine Schüssel mit gewürztem Hackfleisch, das mit Salat in ein Blatt aus dünnem Reispapier gerollt wird. Dazu reicht Wenzel den Diel de Diel, eine Burgunder-Cuvée von der Nahe. Das funktioniert solide miteinander. Weder Wein noch Gericht fallen ab. Spannender wird es allerdings auch nicht. Aufregender ist die Suppe aus Kohl, Austernmuscheln, Dill und getrockneten Chilis mit einer Mosel-Riesling-Auslese von der Trittenheimer Apotheke. Hier lässt die Schärfe den süßen und mächtigen Wein frischer wirken. Das ist so harmonisch wie interessant. Grünes Curry kombiniert Wenzel mit einem Spätburgunder von Peth-Wetz, ein leichter Rotwein, der gut mit Kokosmilch harmoniert.

Im Kin Dee lernt man aber auch schnell die Grenzen der Weinbegleitung kennen. Wer nicht zu gereiften Weinen greifen will oder kann, dem bleiben restsüße Weißweine oder leichte Rotweine. Die passen zwar gut, aber neue Geschmackswelten wollen sich hier nicht einstellen.

Am Ende lässt sich ein Klischee dann doch nicht ganz ausräumen: Restsüße und Schärfe, das passt immer gut. Tannine dagegen vertragen sich selten mit asiatischen Gewürzen.

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Quelle:
SZ vom 24.03.2018
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