Kolumne: Eigener Herd:Brombeerweihnacht

Für Bratensoße, Wild, Ente oder Gans sind Brombeeren eine hervorragende Idee. Manchmal ermöglichen die Früchte ganz nebenbei sogar den Anbau besonders nachhaltiger Christbäume.

Von Marten Rolff

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Herzhaft, süßsäuerlich und festlich: Truthahn mit Brombeeren und Feigen.

(Foto: imago stock/imago images/Cavan Images)

Genau wie in der Natur hängt auch in der Küche alles irgendwie mit allem zusammen. Natürlich ist das eine Binse, aber immerhin eine lehrreiche. Denn wer sich auch über die Feiertage nachhaltig und gesund ernähren will, der muss dafür weder makrobiotische Zimtsterne backen, noch mit eigenem Rosenkohl auf dem Balkon experimentieren (ein interessanter Plan übrigens). Nein, es reicht völlig, hin und wieder einen Gedanken an die Beziehungen zwischen den verwendeten Produkten zu verschwenden und seinen Speiseplan an den gewinnbringendsten Zusammenhängen auszurichten. Wie wäre es zum Beispiel, durch einen Tannenbaumkauf die Bratensoße und die Füllung für die Pute geschmacklich voranzubringen und dabei automatisch einen Beitrag für die ausgelaugten Böden im Brandenburgischen sowie gegen Dürre und Klimawandel zu leisten?

Das klingt zu schön um wahr zu sein? Ist aber Realität. Wenn auch zugegebenermaßen in der Kausalkette hier ein wenig zugespitzt.

Kolumne: Eigener Herd: undefined

Möglich machen das Landwirte wie Benedikt Bösel , der nordöstlich von Berlin gerade mit einem regenerativen Konzept für die Anpflanzung von Tannenbäumen Aufmerksamkeit erregt. Normalerweise wachsen diese in Monokulturen, die immer wieder abgeholzt werden; anschließend pflügt man den Acker ordentlich um. All das ist schlecht für den Bodenaufbau, dem Bösel auf seinem Hof besondere Aufmerksamkeit widmet, was in der Landwirtschaft heute leider alles andere als selbstverständlich ist. Bei Bösel werden nur die Spitzen der Bäume geköpft, vom Stamm bleiben knappe zwei Meter stehen, auf denen innerhalb von sieben Jahren ein neuer Leittrieb zum Tannenbaum heranwächst, der wiederum erneut "geerntet" werden kann. Der untere Teil des Stammes dient derweil als Rankhilfe für Bösels Brombeerkulturen, dazwischen hat der Bauer außerdem Wildbirnen und Esskastanien gepflanzt - durchweg sehr weihnachtsfähige Produkte also, auch wenn das wohl eher Zufall sein dürfte.

Womit wir bei der Brombeere wären - und bei der Umweltfürsorge schon ein wenig schummeln müssen. Denn die Beere wird bekanntlich im Spätsommer geerntet. Doch da wussten wir noch nichts von Bösels Tannenbaum-Beeren. Und weil Brombeeren im Dezember noch einmal Hochsaison haben - sie passen wegen ihrer Säure und ihrer Zedernholznoten umwerfend zu dunklem Wild, aber auch zu Rind, Schwein und Geflügel - werden wir wohl wieder ausnahmsweise auf Driscoll's Plantagenware aus Portugal zurückgreifen müssen. Die sind eine gute Notlösung und ihr pralles Violett auf Instagram hübsch anzusehen, doch ihr Aroma kann mit dem wilder Brombeeren nicht im Geringsten mithalten. Wer also Ende August die Möglichkeit hat, Saisonware zu kaufen (Bösels Brombeeren gibt es in der Berliner "Markthalle 9") oder gar wilde Früchte zu ernten und einzuwecken - es lohnt sich!

Rebhühner mit Speck, Brombeeren, Wacholder und Thymian

Die einfachsten und zugleich sehr schönen Festtagssoßen mit Brombeeren finden sich bei Nigel Slater. Besonders leicht macht man es sich mit einem stückigen Relish auf Apfelbasis, was gut zu Schweinsbraten oder Ente passt: Einfach 4 Boskop mit angeritzter Schale im Ofen bei 180 Grad für 40 Minuten backen, bis sie weich sind und das Fruchtfleisch aus der Schale kratzen. Nun 150 g Brombeeren mit 1 EL Wasser zum Kochen bringen, die Beeren leicht mit einer Gabel zerdrücken und unter das Apfelmus rühren und alles mit etwas Puderzucker abschmecken - fertig.

Etwas elaborierter, aber ebenfalls nicht schwer ist Slaters Brombeersoße zu Rebhühnern, von denen er vier Stück (pro Person eins) einreibt mit einer Kräuterbutter aus 100 g Butter, 12 Wacholderbeeren, den Blättchen von sechs Thymianzweigen, Salz und schwarzem Pfeffer (Gewürze zusammen im Mörser zerstoßen und anschließend mit der Butter mischen). Die Rebhühner dann je mit zwei dünnen Speckscheiben umhüllen und in einer Bratenform für etwa 20 Minuten bei 200 Grad im Ofen braten (Vorsicht: Jeder Ofen gart anders!). Das Geflügel herausnehmen und gut abgedeckt auf einem vorgewärmten Teller lagern, den Speck im Ofen eventuell kurz weiter braten, bis er kross ist. Die Bratenform auf den Herd stellen, zwei EL Brombeergelee (alternativ Johannisbeere), 100 g Brombeeren und 150 cl Madeira oder Marsala darin auf mittlerer Stufe erhitzen und dabei die Bratenreste gründlich vom Boden schaben und in die Soße rühren. Die erhitzten Brombeeren leicht zerdrücken, die Soße mit Salz und Pfeffer abschmecken und zum Geflügel und dem krossen Speck servieren. Auch eine milde Sojasoße macht sich gut in der Beeren-Madeira-Mischung.

Als perfekter Partner der Brombeere gilt übrigens Banon à la feuille, ein französischer Ziegenkäse, der zum Reifen in Schnaps getaucht und in Kastanienblätter gehüllt wird. Wenn Benedikt Bösel sich nun noch Ziegen anschafft, dann hat er die erste Öko- Weihnachtsmischwirtschaft der Welt.

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