Süddeutsche Zeitung

Ernährung:Werbefalle Chia-Samen

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Angeblich helfen Chia-Samen gegen fast alles: Sodbrennen, Bluthochdruck und den zu dicken Bauch. Bewiesen ist das bisher nicht.

Von Bianca Hofmann

Sie sind inzwischen überall: Chia-Samen gibt es nicht nur in Bioläden und Reformhäusern, sondern auch in Supermärkten, ab etwa zehn Euro pro Kilo. Frauenmagazine sind voll von ausgefallenen Chia-Rezepten und immer neue Kochbücher zu dem Thema kommen auf den Markt.

Die kleinen schwarzen Körner, die ursprünglich aus Mexiko und Mittelamerika stammen und auf den ersten Blick aussehen wie Mohn, sollen außergewöhnlich viele Nährstoffe enthalten und werden daher als "Superfood" gefeiert. Gesundheitsportale im Internet preisen Chia-Samen als Wundermittel gegen fast alles: Sie sollen den Blutdruck senken, den Blutzuckerspiegel regulieren, gegen Sodbrennen helfen, Gelenkschmerzen lindern und, und, und.

Einen sicheren Nachweis dafür gibt es bisher nicht. Chia-Samen sind erst seit 2013 von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassen. Diese empfiehlt Erwachsenen einen maximalen Verzehr von 15 Gramm pro Tag, solange es keine Langzeitstudien über Chia gibt.

Chia-Samen quellen zu einer schleimigen Masse

Besonders für Menschen, die abnehmen möchten, sei Chia interessant, sagt Monika Bischoff, Leiterin des Zentrums für Ernährungsmedizin am Krankenhaus Barmherzige Brüder in München. Denn zusammen mit Flüssigkeit quellen die Körner zu einer schleimigen Masse auf, die den Magen füllt und für ein lang anhaltendes Sättigungsgefühl sorgt. Auch bei Veganern sind Chia-Samen wegen ihrer Quellwirkung beliebt, sie werden beispielsweise beim Backen als Ei-Ersatz verwendet.

Chia-Samen enthalten tatsächlich reichlich Omega-3-Fettsäuren, Magnesium, Calcium und vor allem Ballaststoffe. Sabine Holzäpfel von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hält die Herstellerangaben auf manchen Chia-Samen-Verpackungen jedoch für irreführend. Einige Hersteller geben beispielsweise an, dass Chia-Samen fünfmal mehr Kalzium enthalten als Milch. Das möge bezogen auf 100 Gramm stimmen, allerdings trinkt man Milch meistens gläserweise - im Gegensatz zu Chia-Samen, von denen man nur ein paar Löffel übers Müsli streut.

Vorsicht: Viel trinken, sonst bekommt man schnell Verstopfung

Die Ernährungswissenschaftlerin Monika Bischoff warnt davor, mehr als zwei Esslöffel pro Tag zu essen: "Chia-Samen enthalten von Natur aus giftige Substanzen wie zum Beispiel Blausäure." Bei mehr als 20 Gramm pro Tag bestehe die Gefahr einer Vergiftung. Auch könne es zu einer Verstopfung kommen, wenn man Chia isst und zu wenig trinkt. Zudem können bei Menschen mit einem empfindlichen Darm Blähungen auftreten.

Verbraucherschützerin Sabine Holzäpfel gibt zu bedenken: Menschen, die regelmäßig Medikamente einnehmen, sollten vorsichtig sein. Vor allem bei Blutverdünnern und Mitteln gegen Bluthochdruck könnten ungewünschte Wechselwirkungen auftreten. Holzäpfel empfiehlt Menschen, die diese Medikamente einnehmen müssen, mit ihrem Arzt abzuklären, ob sie Chia-Samen essen dürfen.

Jedes Lebensmittel ist ein Superfood

Den Begriff Superfoood findet Holzäpfel übetrieben: "Man kann jedes Lebensmittel als Superfood bezeichnen, wenn man die richtigen Nährstoffe raussucht. Heidelbeeren oder Nüsse sind im Prinzip auch Superfoods." Die Samen könnten Abwechslung in unsere Essensgewohnheiten bringen, aber man solle sich von ihnen keine Wunderwirkungen erwarten, meint die Verbraucherschützerin - wichtiger sei eine ausgewogene Ernährung.

Auch ökologisch gesehen sind Chia-Samen alles andere als super. Monika Bischoff kritisiert, dass die Körner aus Lateinamerika importiert werden müssen, während heimische Leinsamen einen ähnlich hohen Nährstoffgehalt hätten.

Chia-Samen sind teuer, ihr Import belastet die Umwelt und ihr Genuss kann unangenehme Nebenwirkungen haben - warum hält sich der Hype dennoch? Monika Bischoff sagt: "Chia wird einfach cool vermarktet, und die Verbraucher fallen darauf rein."

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