Naturphänomen:Gefrorenes Wunder

Naturphänomen: Außergewöhnlich: Diese Eier aus Eis wurden Anfang November in Finnland gesichtet.

Außergewöhnlich: Diese Eier aus Eis wurden Anfang November in Finnland gesichtet.

(Foto: © INSTAGRAM/RISTO MATTILA)

Weltweit werden immer wieder Eisphänomene beobachtet, ohne dass ihre Entstehung endgültig geklärt wäre. Eine Sammlung von Eiskugel über Eispfannkuchen bis Eisring.

Von Titus Arnu

Dass Ostern und Weihnachten auf einen Tag fallen, ist Experten zufolge sehr unwahrscheinlich. Genau dies scheint aber am 3. November 2019 in Finnland passiert zu sein. Am Strand von Hailuoto, einer finnischen Insel im Bottnischen Meerbusen, stieß der Hobbyfotograf Risto Mattila auf ein mysteriöses Phänomen. Beim Spaziergang entdeckte er Tausende Eier aus Eis. Manche waren so groß wie Taubeneier, andere wie Straußeneier. Mattila veröffentlichte das bizarre Foto der Eiseier auf Instagram und beteuerte, er habe so etwas in den letzten 25 Jahren noch nie gesehen.

Merkwürdige Eiskugeln unterschiedlicher Größe kennt man sonst nur aus italienischen Eisdielen. Handelte es sich um angespülte Souvenirs von der Osterinsel? Um Monsterkaviar? Um gefrorene Dinosauriereier? War das ganze Gebilde etwa ein liebevoll handgebastelter Großscherz wie die mysteriösen Kornkreise, die immer wieder in Südengland auftauchen? Augenzeuge Mattila konnte jedenfalls keine außergewöhnlichen Umstände feststellen, es war ein normaler, kalter Novembertag an der Ostsee: "Das Wetter war sonnig, es herrschte ungefähr minus ein Grad Celsius und es war recht windig", erzählte er dem finnischen Fernsehsender Yle.

Nachdem Zeitungen und Online-Portale über das Eiskugel-Phänomen berichtet hatten, meldeten sich Leute, die Vergleichbares gesehen hatten. Fußballgroße Eiskugeln lagen 2016 an der Küste bei Nyda im nordwestlichen Sibirien, am Lake Michigan bei Chicago wurden ebenfalls schon Eiseier gesichtet. Noch ist die genaue Entstehung des Phänomens nicht ganz geklärt, aber es fällt auf, dass bei diesen Ereignissen ähnliche Verhältnisse herrschten. Es handele sich um ein seltenes natürliches Phänomen bei bestimmten Luft- und Wassertemperaturen, erklärte Jouni Vainio, Eisspezialist des finnischen Meteorologischen Instituts. Die Lufttemperatur müsse leicht unterhalb des Gefrierpunkts liegen. Dann brauche man noch Wind, einen flach abfallenden Sandstrand und Wellengang.

Meteorologen vermuten, dass nur bei diesen speziellen Gegebenheiten Eisbälle entstehen. Sie frieren im flachen Wasser um einen Kern aus halb gefrorenem Sand oder Schlamm fest. Die Brandung spült diesen gefrorenen Brocken immer wieder ans Ufer und zurück ins Meer, Wasser friert fest und formt die nächste Schicht. Durch die Rollbewegung werden aus Klumpen runde Bälle. Je länger diese hin und her gespült werden, desto größer die Kugeln. Diese Erklärung beruht allerdings nur auf Annahmen.

Das genaue Rezept für Eiseier ist unbekannt, zumal bislang keiner den Vorgang des Rundfrierens beobachtet hat. Auch ist unbekannt, ob man aus den Eiseiern Eispfannkuchen machen kann. Letztere existieren tatsächlich in der Ostsee. Die Entstehung von Eispfannkuchen meinen Forscher inzwischen erklären zu können (nein, sie werden nicht aus Eismehl und Eiseiern angerührt): In welligem Wasser klumpen sich Ansammlungen aus Eisschlamm aneinander. Weil sie nach allen Seiten gegeneinanderstoßen, formen sich an ihren Rändern runde Eiskrusten.

Wenn Mystery-Fans hellhörig werden

Eis kann bizarre Formen annehmen, von der mikroskopisch kleinen Flocke bis zum hausgroßen Eisberg. Für manche dieser Winterphänomene haben Wissenschaftler keine hinreichende Erklärung. So werden auf Seen und Flüssen immer wieder kreisrunde Objekte aus Eis gesichtet, manche mit einem Durchmesser von mehreren Kilometern. Besonders seltsame Formen nimmt das Eis am Baikalsee ein, dem wasserreichsten Süßwassersee der Erde. Im Frühjahr 2003 entdeckten Forscher auf Satellitenbildern dort "ungewöhnliche Ringstrukturen", mehrere Kilometer große, formschöne Kreise aus gefrorenem Wasser. Auch andernorts wurden Eiskreise entdeckt, etwa auf kanadischen Flüssen und den großen Seen Nordamerikas.

1995 beobachtete Alexey Yusupov auf dem Fluss Machra, 120 Kilometer nördlich von Moskau, auch einen auffällig exakt geformten Eiskreis. "Da eine alte Frau im Dorf zuvor einen Kugelblitz gesehen haben will, kursierten die wildesten Ufo-Gerüchte", erzählte Yusupov. Mittlerweile lässt sich diese ungewöhnliche Entdeckung erklären: Die Scheiben bilden sich offenbar meist in Flussbiegungen. Die Strömung reißt Eisstücke aus der gefrorenen Wasseroberfläche und lässt sie in Strudeln rotieren. Klingt nach einer runden Sache, doch für die kilometergroßen Kreise auf dem Baikalsee passt diese Erklärung nicht. Dort gibt es keine Kurven und kaum Strömung.

"Ungewöhnliche Ringstrukturen" auf dem tiefsten See der Welt, das macht Mystery-Fans hellhörig. Der 1642 Meter tiefe Baikalsee wird in dubiosen Internetforen immer wieder mit Ufos, Seeungeheuern und verschwundenen Schiffen in Verbindung gebracht. Im Juni 2011 sei das Partyboot Yamaha mit vier Mann an Bord an einer Stelle namens "Teufelskrater" verschwunden. Wohnen im See Außerirdische, und wenn ja, was wollen sie mit den Kreisen signalisieren?

Der Forscher Nikolay Granin wollte der Sache 2009 auf den Grund gehen, er nahm mit einem Bohrer Eisproben und stellte Erstaunliches fest: In der Mitte des unbekannten schwimmenden Objekts (Uso) war das Eis dicker als am Rand, dunkle Risse durchzogen die Scholle. Es scheint so zu sein, dass die untertassenförmigen Eisgebilde tatsächlich durch Strudel ins Rotieren gebracht werden. Offenbar verursachen mächtige Eruptionen am Grund Wasserwirbel. Unterm Baikalsee lagert Erdgas, teilweise eingeschlossen in gefrorenem Gestein. Es gibt unten auch Schlammvulkane, die ab und zu ausbrechen und heiße Strudel erzeugen. Da lässt sich durchaus vom Teufelskrater sprechen.

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