Süddeutsche Zeitung

Einrichtung:Die tägliche Kissenschlacht

Nichts macht ein Schlafzimmer so schnell so gemütlich wie viele Kissen auf dem Bett. Wäre da nicht die Frage: Wohin sollen die alle eigentlich nachts?

Von Julia Rothhaas

Vor dem Zubettgehen lüften. Den Wecker stellen. Ein frisches Glas Wasser auf den Nachttisch. Gute Nacht? Geht leider noch nicht: Erst muss das Bett von den ganzen Kissen befreit werden.

Das Schlafzimmer ist zum wichtigsten Raum in der Wohnung geworden. Das Wort self care ist eingezogen und mit ihm duftende Laken dank Leinen-Spray, Bettwäsche aus ägyptischer Baumwolle, Ton in Ton von der Tagesdecke bis zum flauschigen Teppich vor dem Bett . Wichtigste Komponente aber sind die sechs, sieben, acht Zierkisssen, die sich ordentlich der Größe nach vor dem Kopfende stapeln (so wie man das von amerikanischen Kingsize-Betten kennt) oder locker auf die Matratze geworfen werden. Die Empfehlungen im Internet sind eindeutig: Mit nichts schafft man sich im Nu so einen hyggeligen Rückzugsort wie mit einer Horde Kissen.

Und ja: Tatsächlich wird es durch den Berg Stoff sofort gemütlich. Wer abends nach Hause kommt, wirft sich dazwischen und fühlt sich wie in einem Nest, das Mutter Amsel liebevoll zusammengetragen hat. Auch machen die vielen Kissen das Bett zu mehr als nur einem Nachtlager: Zwei, drei davon im Rücken, schon kann man dort sehr bequem sitzen, das Tablett mit dem Frühstück abstellen, den Laptop platzieren. Wer sich allein fühlt, packt so viel Flausch wie möglich um sich und kuschelt sich nachts an einen imaginären Rücken. Das klingt alles ganz wunderbar. Eigentlich. Denn die vielen Kissen sind die Pest.

Auf den Boden? Auf die Kommode? Auf den Stuhl?

Es ist schon schwer genug, überhaupt das richtige Kopfkissen zu finden. Die Auswahl ist riesig: Für Bauchschläfer. Für Rückenschläfer. Nackenhörnchen. Seitenschläferkissen. Höhenverstellbar. Drei Kammern. 80 x 80. Oder 40 x 80. Tempur. Kräuter. Naturkautschuk. Daunen. Schurwolle. Zirbenflocken. Hirsespelz. Wehe dem, der es wagt, sich nachts vom Bauch auf den Rücken zu drehen.

Und jetzt auch noch die Zierkissen. So schön sie dort auf dem Bett aussehen, nachts müssen sie weg, wenn man morgens ohne Rückenschmerzen aufstehen möchte. Also fängt das große Räumen an. Nur wohin. Auf den Boden? Auf die Kommode? Auf den Stuhl? Egal wie, am Ende liegen sie doch immer im Weg. Besonders hyggelig sieht das nicht mehr aus. Am nächsten Tag müssten die Kissen dann eigentlich geschüttelt, glatt gestrichen und neu auf der Tagesdecke platziert werden. Macht aber keiner. Das ständige Räumen macht nur eins: wahnsinnig.

Man weiß ja jetzt schon nicht wohin mit der doofen Tagesdecke und den Wollplaids, die unbedingt auf jede fotogene Schlafstätte müssen. Vielleicht würde ein Bettkasten helfen oder eine kleine Box als Nachtkästchen, um den Kram zu verstauen. Die Frage ist nur, ob die Kissen dann je wieder das Tageslicht sehen. Trotz zweifelhafter Alltagstauglichkeit geht es nämlich leider nicht ohne. Zu gut der Anblick, wenn man ab und zu diszipliniert genug war und das Bett mal gemacht hat. Außerdem war Umdekorieren nie so einfach: Statt die Wände neu zu färben oder Schränke zu rücken, kann man mit ein paar neuen Kissenbezügen sofort eine andere Stimmung im Schlafzimmer schaffen.

Die hausgemachte Schlacht mit den vielen Kissen hat auch ihr Gutes. Wenn die allabendliche Diskussion mit dem Partner losgeht, der mal wieder wissen möchte, warum im Schlafzimmer eigentlich dieses ganze Zeug herumliegen muss, helfen sie zumindest beim inneren Reinemachen: Kissen schnappen und richtig fest reinschlagen, wie in einen Boxsack. So spart man sich morgens wenigstens einmal Aufschütteln.

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Quelle:
SZ vom 10.11.2018
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