Süddeutsche Zeitung

Einheitsdenkmal:Es wippt einfach nicht

In Berlin soll eigentlich längst ein Denkmal für das gesamtdeutsche Glück stehen. Zu besichtigen ist dort bis heute aber nur allerlei Unglück.

Von Jens Bisky

In Berlin sollte längst ein Denkmal für das gesamtdeutsche Glück stehen. Zu besichtigen ist bis heute aber nur allerlei Unglück.

Wenn es denn, was selbst in Berlin ab und an geschieht, in diesem Fall nach Plan gegangen wäre, könnten die Bürger am Tag der Einheit neben der Schlossbaustelle eine riesige Schale bestaunen, deren Außenseite Bilder von Demonstranten zieren: das Freiheits- und Einheitsdenkmal in der Hauptstadt. Jede und jeder wäre eingeladen, das Denkmal zu betreten, in der Schale herumzulaufen, sich auf den Buchstaben der Inschrift "Wir sind das Volk - Wir sind ein Volk" niederzulassen. Und das etwa fünfzig Meter lange Gebilde würde sich dank einer aufwendigen Konstruktion sanft bewegen. Wenn sich etwa fünfzig auf einer Seite versammeln, soll sich die Schale langsam und geräuschlos nach unten senken. Auf diese Weise wollen die Gestalter eine volkserzieherische Absicht erreichen. Spielerisch wäre zu erleben, dass gemeinsame Freiheit durch Einheit möglich werden und Einheit nur freiwillig erreicht werden könne. So war es versprochen worden, als Milla & Partner, eine Stuttgarter Agentur für Kommunikation im Raum, 2011 vom Kulturstaatsminister Bernd Neumann beauftragt wurde, das Denkmal zu errichten. 2013 sollte es fertig sein, woraus nichts wurde. Und auch 2015, im Jahr 25 nach der Vereinigung, ist in der Mitte Berlins von der wippenden Salatschüssel der Einheit nichts zu sehen, noch nicht einmal die Bauarbeiten haben begonnen.

Ein "Mahnmal des historischen Glücks" hatte der Sozialdemokrat Wolfgang Thierse vor Jahren gewünscht. Doch das Vorhaben wurde von Pleiten, Pech und Pannen begleitet. Derzeit wird eine Denkmalseröffnung im Jahr 2017 für möglich gehalten. Von Vorfreude ist in Berlin wenig zu spüren, das Einheits- und Freiheitsdenkmal zieht beinahe so viel Spott auf sich wie die Flughafenbaustelle. Dabei hatte die Idee, der ostdeutschen Revolution und der folgenden Vereinigung ein Denkmal zu setzen, anfangs einiges für sich.

Sie kam Ende der Neunzigerjahre auf, als man üblicherweise von der "Wende", statt von der "friedlichen Revolution" sprach und die Ereignisse des Epochenjahrs 1989/90 vor allem als eine Haupt- und Staatsaktion erinnerte. Es dauerte, bis die historische Rolle der Bürgerrechtler, Dissidenten und Demonstranten angemessen anerkannt wurde. Und die Freude über die neue Einheit schien damals im Alltagsgezänk zwischen "Besserwessis" und "Jammerossis" unterzugehen, im Schock auch über die Krise in den neuen Ländern, über Deindustriealisierung und Massenarbeitslosigkeit. Gegen weitverbreiteten Trübsinn setzten die Initiatoren - der Stadtplaner Florian Mausbach, der Bürgerrechtler Günter Nooke, der Sozialdemokrat Richard Schröder und der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière - ihr Denkmalsprojekt. 2007 beschloss es der Bundestag. Seitdem misslang, was misslingen kann. Ein erster Wettbewerb im Jahr 2009 wurde abgebrochen, weil die Jury unter 532 Entwürfen nichts Preiswürdiges entdecken konnte. Die Künstler attackierten daraufhin die Jury. Ein zweiter Wettbewerb im Jahr darauf brachte künstlerisch ebenfalls nur magere Ergebnisse, aber diesmal vergab die Jury drei Preise. Die Auslober, der Kulturstaatsminister und das Bundesbauministerium, wählten den Entwurf "Bürger in Bewegung", den Milla&Partner gemeinsam mit der Choreografin Sasha Waltz eingereicht hatten. Standort des Denkmals: der Sockel des 1950 abgetragenen Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals.

Das größte Missgeschick aber ist der Entwurf selber

Allerdings: Im Sockel fanden sich zu schützende Mosaike, dort lebten geschützte Fledermäuse, der Entwurf musste überarbeitet werden, damit auch Rollstuhlfahrer gefahrlos "Bürger in Bewegung" sein können. Unterdes zerstritten sich Sasha Waltz und die Stuttgarter Kommunikationsdesigner; die Stadt Leipzig erreichte, dass auch sie ein Denkmal für Einheit und Freiheit bekommen würde, schrieb einen Wettbewerb aus, haderte mit den preisgekrönten Entwürfen und verschob das gesamte Projekt auf die fernere Zukunft.

So viel Unglück mit einem "Mahnmal des historischen Glücks", so viel Streit um ein Einheitsdenkmal - und das größte Missgeschick ist der Entwurf selber. Er wirkt wie ein Demokratiespielplatz. Bestehen aber müsste er neben den vielen Erinnerungsorten an Teilung, Revolution, Vereinigung: neben Mauerweg, East Side Gallery, Gethsemanekirche, Brandenburger Tor. Wer sich an die glücklichen Augenblicke von 1989/90 erinnert, lässt sich nicht gern von Politkitsch verschaukeln oder verwippen.

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Quelle:
SZ vom 02.10.2015
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