Rechtskolumne:Darf man bei der Eigentümerversammlung vom Café aus abstimmen?

Lesezeit: 3 Min.

Für eine rein digitale Wohnungseigentümer-Versammlung sind die gesetzlichen Hürden aktuell noch hoch. Doch es gibt Pläne, die Regelungen zu lockern, was sehr umstritten ist. (Foto: Andrey Popov /Imago Images/Panthermedia)

Die hybride oder rein digitale Eigentümerversammlung hat Vorteile - aber auch Tücken. Das hängt nicht nur mit technischen Störungen zusammen.

Von Stephanie Schmidt

"Wollen Sie noch ein Weißbier?", fragt die Bedienung, die plötzlich auf dem Bildschirm eines Wohnungseigentümers auftaucht - genau in dem Moment, als die Teilnehmer der Eigentümerversammlung über ein modernes Heizkonzept abstimmen wollen, das eine Wärmepumpe mit Photovoltaik kombiniert. Viele Eigentümer sind online zugeschaltet, andere sitzen in einem Veranstaltungsraum, den der Verwalter für sie gebucht hat. Angesichts der zahlreichen Eigentümer in "Kacheln" ist es lange niemandem aufgefallen, dass einer von ihnen während der hybriden Sitzung mit seinem Notebook in einem belebten Schanigarten sitzt. Doch nun hagelt es Protestrufe. Denn was auf der Eigentümerversammlung diskutiert wird, ist ausschließlich für Augen und Ohren der geladenen Gäste bestimmt. Zumal bei diesen Treffen, die in der Regel einmal pro Jahr stattfinden, oft Entscheidungen von großer Tragweite fallen. Dabei kann es zum Beispiel darum gehen, den Fahrplan für eine energetische Sanierung festzulegen. Egal, worüber abgestimmt wird, der Versammlungsleiter hat die Pflicht, dem Mann im Schanigarten unverzüglich - virtuell - die Tür zu weisen.

Traditionell ist die alljährlich stattfindende Eigentümerversammlung eine Präsenzveranstaltung. Das Interesse an der Hybrid-Versammlung ist allerdings seit der Pandemie deutlich gewachsen. Manchen ist es aus gesundheitlichen Gründen lieber, an den Treffen von zu Hause aus teilzunehmen. Andere, die ihr Appartement in einer Wohnanlage vermietet haben und selbst in einem anderen Bundesland wohnen, sparen sich die lange Anfahrt. In rechtlicher Hinsicht kann die Hybrid-Eigentümerversammlung allerdings eine Menge Komplikationen mit sich bringen. Inwieweit muss der Einzelne selbst die Verantwortung dafür übernehmen, wenn er wegen einer IT-Störung aus der Videokonferenz fliegt und damit womöglich auch aus der wichtigen Diskussion über den Einbau von Ladestationen für E-Autos in der Tiefgarage der Wohnanlage? Das ist eine Frage, die noch längst nicht abschließend geklärt ist.

Für eine hybride Versammlung reicht die einfache Mehrheit der Eigentümer

Das neue Wohnungseigentumsgesetz, das seit dem 1. Dezember 2020 in Kraft ist, legt fest, dass die Online-Teilnahme an der Eigentümerversammlung prinzipiell möglich ist. Die Voraussetzung dafür ist allerdings ein entsprechender Beschluss auf der Eigentümerversammlung. "Dafür reicht die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen", sagt Gabriele Heinrich, Vorständin des Vereins Wohnen im Eigentum. Manche Eigentümergemeinschaften beschließen informell: "Wir machen jetzt einfach mal eine Online-Versammlung." Diese Vorgehensweise ist aber nicht empfehlenswert. Denn dann können Voten, die bei solchen Veranstaltungen zustande kamen, später für null und nichtig erklärt werden.

"Eine hybride Versammlung hat den Vorteil, dass jeder Eigentümer die Wahl hat, ob er sich von außen zuschalten oder in Präsenz teilnehmen möchte", nennt Heinrich einen wesentlichen Unterschied zur rein digitalen Eigentümerversammlung. Bisher sind die Hürden für Letztere hoch. Laut aktueller Gesetzeslage braucht man dafür Allstimmigkeit. "Das heißt, sämtliche Eigentümer müssen ihr Plazet geben, auch diejenigen, die nicht bei der Eigentümerversammlung anwesend sind", sagt Heinrich. Eine Bedingung, die in der Praxis selten erfüllt wird.

Aktuell befasst sich das Bundesjustizministerium mit Plänen für eine Gesetzesänderung, wonach künftig eine Dreiviertelmehrheit der auf der Eigentümerversammlung abgegebenen Stimmen genügen soll, um die Präsenzveranstaltung in einen "Online only"-Termin umzuwandeln. Falls die Bundesregierung dieser neuen Regelung zustimmt, müssen viele Eigentümer gegen ihren Willen per Videokonferenz tagen, befürchten Kritiker. "Die geplante Gesetzesänderung benachteiligt insbesondere ältere Menschen - viele hören nicht mehr so gut oder kommen mit digitaler Technik nicht gut zurecht", merkt Heinrich an.

Das Thema "Kommunikationsstörung" ist ein weites Feld und dürfte in naher Zukunft Fachrechtsanwälte und Gerichte beschäftigen. Was ist zum Beispiel, wenn bei einem Teilnehmer, der zu Hause im Wohnzimmer sitzt, die Wlan-Verbindung abreißt? Oder wenn die Technik im Versammlungsraum nicht mehr funktioniert, sodass die zugeschalteten Eigentümer im digitalen Nirwana verschwinden? Ein erstes Urteil dazu ist wegweisend: Ein Eigentümer wollte vor Gericht den Beschluss seiner Eigentümergemeinschaft, die Online-Teilnahme zuzulassen, für ungültig erklären lassen. Doch die Richter wiesen die Klage mit folgender Begründung ab: Ein Beschluss pro hybride Eigentümerversammlung sei auch dann korrekt, wenn er den Passus enthält, dass die Versammlung bei einem Übertragungsfehler jeglicher Art nicht abgebrochen wird ( Amtsgericht München, Az. 1292 C 19128/21).

Damit es mit der Hybrid-Versammlung möglichst gut klappt, sollte die Eigentümergemeinschaft im Vorfeld viele Details gemeinsam festlegen. Man kann sich zum Beispiel auf eine bestimmte Software verständigen. Und man kann sich überlegen, auf welchem Weg einer, dessen privater Rechner plötzlich abstürzt, einem Präsenz-Teilnehmer kurzfristig eine Vollmacht erteilen könnte. Anregungen dazu geben Muster-Beschlüsse, die im Internet oder bei Branchenverbänden erhältlich sind. Was auch noch gut ist für eine friedliche Atmosphäre in der Gemeinschaft: Wenn die Eigentümer frühzeitig klären, welche Zusatzkosten "das Hybrid" mit sich bringt und wer was bezahlen muss.

Die Autorin saß gern auf ihrem Balkon - solange bis neben ihm ein Außenaufzug installiert wurde. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusPhotovoltaik
:Im Team die Kraft der Sonne nutzen

Wenn Wohnungseigentümer zusammen eine Solaranlage installieren wollen, gibt es vieles zu klären. Welche Optionen sie haben, was es dabei zu beachten gilt und wer die Kosten für die Montage und den Betrieb trägt.

Von Ralph Diermann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: