Rechtskolumne: Darf man das?:Die Cousine einquartieren

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Wenn der Vermieter einem wegen Eigenbedarfs kündigt, muss man nicht unbedingt die Umzugskisten packen. Zuerst sollte man in Ruhe klären, ob die Kündigung überhaupt und in dieser Form rechtmäßig ist. (Foto: Christin Klose/dpa-tmn)

Bei einer Eigenbedarfskündigung ist nicht immer sicher, dass Mieter ausziehen müssen. In vielen Fällen lohnt es sich, genau hinzuschauen.

Von Stephanie Schmidt

Die neuen Polsterstühle sind genauso bequem, wie man sich das gewünscht hat, mit farblich passenden Kissen und einem hübschen Beistelltisch. Doch eines Tages öffnet man die Post und versinkt förmlich im Sessel. Eigenbedarfskündigung! Und das, nachdem man gerade erst das komplette Wohnzimmer samt Einrichtung renoviert hat.

Dieser Schock führt bei vielen Menschen dazu, vom nächsten Tag an Wohnungsannoncen zu studieren. Besser wäre, zuerst zu prüfen: Ist die Eigenbedarfskündigung überhaupt rechtens? Wann man Mietern wegen Eigenbedarfs kündigen darf, ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt (Paragraf 573 BGB): Es geht nur dann, wenn Vermieter den Wohnraum für sich selbst benötigen, für Familienangehörige oder dauerhaft in ihrem Haushalt lebende Menschen. Das können zum Beispiel der Lebensgefährte der Vermieterin oder Pflegepersonal sein. Mit dem Begriff Familienangehörige gemeint sind auch Verwandte wie der Bruder, die Nichte oder die Enkel. Aber auch die persönliche Verbundenheit mit einem Menschen ist hier inbegriffen.

Selbst wenn nahe Verwandte des Vermieters einziehen sollen: Nicht immer muss der Mieter weichen

Den Eigenbedarf muss der Vermieter auf vernünftige Gründe stützen, die auch für Richter nachvollziehbar sind. Bei weiter entfernten Verwandten wie dem Cousin oder der Cousine muss man deshalb im Streitfall schon eine schlüssige Argumentation parat haben, warum gerade er oder sie in eben diese vermietete Wohnung einziehen muss. Das gilt auch für den Schwager. Ein anerkanntes Argument kann eine besondere Fürsorgepflicht sein. Oder, dass der Vermieter nach seiner Scheidung eine kleinere Wohnung benötigt. Aber es kann auch Situationen geben, in denen selbst nahe Verwandte nicht einziehen dürfen: Eine Eigentümerin wollte der Mieterin einer 120-Quadratmeter-Wohnung kündigen, um dort ihre Tochter unterzubringen. Das Landgericht Berlin sah hier aber keinen akzeptablen Grund für Eigenbedarf: Die Wohnung sei für eine 19-jährige Auszubildende zu groß (Az. 64 S 50/20).

Mit Blick auf die richterlichen Beschlüsse der vergangenen Jahre hat Rolf Bosse, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg, beobachtet: "Ein gut begründeter Eigenbedarf hat Vorrang vor dem Nutzungsinteresse des Mieters." Doch es gibt eine ganze Menge Eigenbedarfskündigungen, die unberechtigt sind. So wollte eine Eigentümerin ihre Mieter mit dem Argument vertreiben, sie wolle deren und die benachbarte Wohnung zusammenlegen. Dafür hatte sie allerdings noch nicht einmal die notwendige Baugenehmigung beantragt, weshalb das Landgericht Berlin die Räumungsklage abwies (Az. 67 S 10/22).

Manchmal lohnt es sich, Detektiv zu spielen: Soll hier wirklich eine WG gegründet werden?

Bosse empören vor allem die Fälle, bei denen es Vermietern darum geht, künftig höhere Mieteinnahmen zu erzielen: "Wir hatten häufiger den Fall, dass die Tochter oder der Sohn angeblich eine WG gründen will. Sie oder er zieht dann aber nur auf dem Papier ein, und die Zimmer werden teuer an mehrere Einzelpersonen vermietet. So etwas kommt leider meist erst später raus, wenn die Mieter schon längst draußen sind." Daher sei es klug, im Internet, zum Beispiel in den sozialen Medien, nachzuforschen: Ist es plausibel, dass die Lebensgefährtin eine berufliche Weiterbildung in einer anderen Stadt machen wird und dort ein Appartement braucht? Oder der Sohn einen Studienplatz für Medizin bekommen hat? Vielleicht gibt es dort, wo er künftig wohnen soll, gar keine solche Fakultät. Oder die berufliche Weiterbildung beginnt erst in zwei Jahren. Eine vorbeugende Eigenbedarfskündigung dieser Art ist nicht erlaubt. "Stellen Sie dem Vermieter Fragen und finden Sie Details heraus. Spielen Sie selbst Detektiv", empfiehlt der Mietrechtsexperte. Manchmal könne es tatsächlich sinnvoll sein, eine professionelle Detektei zu beauftragen.

Wird die Kündigungsfrist korrekt genannt? Auch darauf sollten Mieter unbedingt schauen, gerade dann, wenn ein Widerspruch zwecklos ist. Womöglich haben sie mehr Zeit für die Wohnungssuche, als sie ihnen der Vermieter zugestehen will. Er muss mindestens drei Monate im Voraus kündigen. "Besteht das Mietverhältnis bereits seit fünf Jahren, beträgt die Kündigungsfrist sechs Monate, bei acht Jahren erhöht sie sich auf neun Monate", betont Rechtsanwalt Bosse. Es gibt aber auch Mietverträge mit noch längeren Kündigungsfristen.

Auf jeden Fall haben Mieter das Recht, der Kündigung zu widersprechen und Härteeinwände geltend zu machen, zum Beispiel, dass es nicht möglich sei, unter zumutbaren Bedingungen eine andere Bleibe zu finden (BGB, Paragraf 574). Ob tatsächlich Härtegründe vorliegen, etwa eine schwere Krankheit, müssen Richter gründlich und im Einzelfall prüfen, stellte der BGH in einem Grundsatzurteil fest (Az. VIII ZR 180/18).

Wer nicht weiß, wie er sich verhalten soll, nachdem er das Kündigungsschreiben erhalten hat, kann einen der örtlichen Mietervereine um Unterstützung bitten. Auf keinen Fall dürfe man sich zu "einem übereilten emotionalen Schnellschuss" hinreißen lassen, bemerkt Bosse. "Wenn man dem Vermieter wütend schreibt: ,Sie kriegen mich hier nicht raus', dann kann er sofort eine Räumungsklage machen." Was man auch nicht tun darf: eine der Eigenbedarfskündigung beigefügte Erklärung unterschreiben, mit der man bestätigt, bis zu einem bestimmten Tag auszuziehen. "Diese Erklärung sollte man ignorieren", sagt Bosse. Auch beim Thema Eigenbedarf kann sich die Redewendung "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold" bewähren.

Die Autorin saß gern auf ihrem Balkon - solange bis neben ihm ein Außenaufzug installiert wurde. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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