Anna Wintour - ein Bob für alle Fälle
In Modeblogs kursiert seit vielen Jahren das Foto einer übellaunig aussehenden Katze, deren Kopf in einer ausgehöhlten Wassermelone mit trapezförmigem Blickfeld steckt. Man erkennt Anna Wintour sofort. Den Bob trägt sie seit dem zarten Alter von 14 Jahren, er war quer durch die Dekaden mal dunkler, mal honigfarbener, saß aber stets akkurat gestutzt und in seinem Zuschnitt die gar nicht üblen Wangenknochen betonend auf ihrem Modeköniginnenkopf. Genauso lange, also gefühlt schon immer, prangt bei Fashion Shows die gesichtsfüllende schwarze Sonnenbrille auf ihrer Nase, genauso lange hat sie keiner mehr in Hosen gesehen. Bob, Rock, Sonnenbrille: Das sind die Anna-Codes, anhand derer sie bei der laufenden Pariser Fashion Week auch über fünfzig Meter Entfernung und zwanzig schreiende Paparazzi hinweg wieder mühelos zu identifizieren ist (und durch die erschrocken zurückweichenden Menschen natürlich). Das Mysterium in diesem Fall: Wie kann eine Frau, die von ihrem Vogue-Thron herab seit 33 Jahren den Wandel predigt, die Chuzpe besitzen, sich selbst nicht zu ändern? All der modische Unsinn, mit dem wir Normalwürstchen uns in der Ära ihrer Herrschaft abzuplagen hatten, die Skinny Jeans, Plateauschuhe, Schulterpolster, die Farbe Neonorange - müsste sie den fairerweise nicht auch mitmachen? Nein, muss sie nicht. "Ich trage denselben Haarschnitt seit hundert Jahren, und ich trage dieselbe Sonnenbrille seit hundert Jahren, und ich tendiere dazu, nichts daran zu ändern", hat Anna Wintour mal gesagt. Die Wahrheit ist, sie ist längst größer als die Mode. Glückliche!
Sascha Lobo - Iro und Ironie
Wäre man besonders tiefgründig, würde man auf die Frage, was Sascha Lobo in den zwanzig Jahren seiner Präsenz in Medien und Netzdiskurs vor allem auszeichnet, sagen: seine süffige Klugheit, nahezu alle Sachverhalte des modernen Lebens betreffend. Aber natürlich fällt einem immer trotzdem erst mal nur sein halber Haaräquator ein, den er unbeirrt durch Talkshows und über Rednerpulte trägt. Der Irokesenschnitt war, jenseits von seinem ursprünglichen Stammesgebiet, ja immer der Gipfel des BRD-Bürgerschrecks. Wer als Punk damals die Sache maximal durchziehen wollte, wem wirklich alles egal war, wem die Sicherheitsnadel im Ohr nicht reichte, der machte das noch mit den Haaren, legte den Schädel frei und pfiff aufs System. Sascha Lobo ist kein Punk. Im Gegenteil, der Digitalexperte bedient das System profimäßig und hat, wenn man den Legenden glauben darf, die krasse Exponiertheit via Frisur immer schon nüchtern kaufmännisch interpretiert - eben als maximal effektives Erkennungssignal in eigener Sache. Bevor er die Einbahnfrisur hatte, trug er angeblich schon immer eine Gurke auf Partys mit sich herum - nur um mit anderen ins Gespräch zu kommen und sich in Erinnerung zu rufen. Als Punk unter Punks in den Achtzigerjahren am Stadtbrunnen rumzuhängen, ist das eine. Mit einer radikalen Frisur das eigene Marketing anzukurbeln, ist aber der vielleicht noch drastischere Schritt. In Lobos Fall hat er sich vermutlich bewährt. Er hat den Iro im Alleingang anzugfähig gemacht und die Sache durchgezogen, gegen jede Ermüdungsprognose. Er wird natürlich nie wieder zurückkönnen, wahrscheinlich erinnern sich seine Haarfollikel auch gar nicht mehr daran, dass sie mal die ganze Kugel bevölkert haben.
Donatella Versace - im Medusen-Imperium
Fairerweise muss man vorweg klarstellen: Das mit dem Platinblond war nicht ihre Idee, sondern die ihres Bruders. Gianni Versace war nämlich großer Fan der italienischen und sehr blonden Pop-Sirene Patty Pravo, also überredete er seine gerade elfjährige Schwester Donatella, sich die schwarzen Haare zu färben, die Mähne ähnlich streng zu plätten. 55 Jahre und geschätzte drei Tonnen Wasserstoff später ist der Look immer noch derselbe, allerdings wurde er mit der Zeit um diverse Submarkenzeichen ergänzt: unerschütterlicher Bronze-Teint, Kette rauchen, hohe Absätze, tiefes Dekolleté, sehr enge Silhouette. Dazu falsche Wimpern und ein Lippenvolumen, dessen Echtheitsgrad ebenfalls angezweifelt werden darf. Das Sympathische an dieser Designerin: Nicht mal Donatella Versace selbst würde behaupten, eine natürliche Schönheit zu sein. Um Natürlichkeit ging es bei dieser Marke nie, sondern um Verführung, Glamour, Hedonismus. Und was bleibt einem schon anderes übrig, wenn man nach dem Tod des Bruders eher unfreiwillig zur Ober-Medusa im Medusen-Imperium aufsteigt? Die Lippen zusammenpressen und weitermachen. Aber unter der Fassade pocht ein dickes Herz. Die zweifache Mutter gilt privat als ungemein warmherzig, sorgt für manche ihrer Angestellten, als gehörten sie zur Familie, sie hat einen tiefschwarzen Sinn für Humor und jede Menge Selbstironie. Änderungen ihres Erscheinungsbildes sind übrigens bis auf Weiteres nicht zu erwarten. Auf die Frage, ob sie sich vorstellen könnte, Frisur und Haarfarbe noch einmal zu ändern, antwortete sie: "Nein, dann würde ich mich nicht mehr erkennen."
Götz Alsmann - toll, Tolle!
In seinem Fall kann man wirklich von einer "form follows function"- Erscheinung reden. Götz Alsmann ist genauso, wie er aussieht. Zumindest sobald die Kamera läuft: Pfiffig, kess, frech, tollkühn - jedes altmodische Wort für fröhlichen Überschwang erfüllt er schon mit seinem Konterfei, bevor er das erste Wort sagt. Er ist die Blaupause für den perfekten Hotelpianisten, der Inbegriff des geduldeten Hofnarren, die beste Zusammenfassung des Lebensgefühls "Münster" und der Mann, den sich jeder irgendwie als Musiklehrer gewünscht hätte. (Er ist auch Honorarprofessor an der Uni Münster.) Besonders hilfreich ist dabei seine mal mehr, mal minder zu Berge stehende Haartolle, die er nach eigener Aussage seit seinem 15. Lebensjahr trägt. Diese perfektionierte Sturmfrisur erzielt im Zusammenspiel mit den eleganten Anzügen und guten Manieren ungefähr die gleiche Wirkung wie die tägliche Stunde Jazz im Klassikradio. Botschaft: Es darf jetzt mal moderat durchgedreht werden. Der Look hat sich bewährt, Alsmann steht trotz seiner vier Jahrzehnte vor der Kamera immer noch für das Gegenteil von Muff und Formatunterhaltung und muss dafür eigentlich gar nicht so viel machen. Es reichen im öffentlich-rechten Rundfunk ein bisschen Haargel, bunte Krawatten und Strümpfe, ein Klavier und ein Anflug von ADHS. Wäre Alsmann nur ein sehr guter Musiker und Entertainer alter Schule, hätte ihn wahrscheinlich trotzdem schon längst irgendeine Programmreform aussortiert. Wäre er zu schrill und bunt gewesen, wäre er vermutlich irgendwann Richtung Dschungelcamp abgedriftet. So aber schaffen die Tolle und er das Unmögliche - als Unangepasste im System alt zu werden und dabei für mindestens zwei Generationen irgendwie extrem pfiffig zu wirken.
Dolly Parton - nie mehr Spülwasser
Wer mit 75 wie eine lebende Barbie-Puppe aussieht - die Haare zu blond, die Brust zu aufgepumpt, die High-Heels zu hoch - und trotzdem als eine der coolsten Frauen des Planeten gilt, muss irgendetwas sehr richtig gemacht haben. Dolly Parton mag eine Hinterwäldlerin sein (aufgewachsen ist sie mit elf Geschwistern in den Smoky Mountains in Tennessee), ihr Geschmack ist nicht gerade der gediegenste (als Vorbild hat sie einmal eine Prostituierte in ihrem Heimatort genannt), und, auch vollkommen richtig: Die zig Schönheitsoperationen der vergangenen Jahrzehnte haben das Gesicht leicht wächsern werden lassen. Aber vermutlich hat genau diese leichte Trash-Schlagseite die Sängerin erst zu dem werden lassen, was sie heute ist: ein Gesamtkunstwerk. Schon als junges Mädchen verwandelte Parton ihre nach eigener Aussage "spülwasserfarbenen" Haare in ein leuchtendes Gelb, ihr leicht anzüglicher Landei-Schick mit großen Ausschnitten und rüschigen Röcken kennt keine großen Variationen, die konsequente Markenwerdung der eigenen Person war der Geschäftsfrau immer wichtiger als irgendein dahergelaufener Trend. Nie würde man sie mit schlabbriger Jogginghose und strähnigen Haaren im Supermarkt antreffen. Dolly Parton, seit mehr als 60 Jahren mit einem Bauunternehmer namens Carl Thomas Dean verheiratet, den sie in einem Waschsalon kennengelernt hat, hat die Kontrolle über sich und ihr Äußeres also nie verloren. Normalerweise führt so etwas gerne zu einer gewissen Verkniffenheit und dem Befund, jemand sei irgendwie "schlecht gealtert", und wer da jetzt an Madonna denkt, liegt nicht ganz falsch. Parton aber hat eine Gabe, die eigentlich immer im Leben hilft und ihr trotz des künstlichen Äußeren etwas sehr Warmes verleiht: Sie nimmt sich nicht allzu ernst. Ihre Selbstbeschreibung? "Nichts an mir ist echt, aber es kommt von Herzen."
Udo Lindenberg: gute, alte Glühbirne
In der Langlebigkeitsforschung blickt man interessiert auf Versuchsreihen mit Glühbirnen - einige von ihnen strahlen rätselhafterweise auch nach Jahrzehnten immer noch so hell wie am ersten Tag. Selbst wenn sie älterer Bauart sind und eigentlich längst Peng hätten machen müssen, spenden sie Licht, Wärme und Emotionalität. Dieses Gefühl geht auch von Udo Lindenberg aus, dem König des Nuschelgesangs und selbsternannten Jodeltalent. Und wie jede gute, alte Glühbirne ist auch das Modell Udo ein zuverlässiger Lebensgefährte, außerdem seit den späten Siebzigerjahren, als er sich für den Film "Panische Zeiten" stilistisch neu erfand, Steilvorlage für Parodisten jeder Art. Ganz wesentlich für den Wiedererkennungswert: der Filzhut, unter dem er angeblich eine Narbe verbirgt, die ihm ein Mädchen aus Rio vor langer Zeit mal zugefügt haben soll. Die dunkle Sonnenbrille, mit der er sich als Nachtschattengewächs vor zu grellen Effekten schützt. Die schwarzen Lederjacken, für die er sich eine schmale Taille wie der späte Karl Lagerfeld erhält. Natürlich ist das alles auch Rüstung und Selbstschutz, genauso wie die nölend gute Laune und das Altherren-Tänzeln. Wenn man wie er mit 75 noch als Asphaltcowboy durchgehen will, braucht man eine Art Korsett. Auch das nie ruhende Mundwerk des Panikrockers gehört zum Markenkern: Udo Lindenberg hat eine Schnute, die in puncto Elastizität locker mit Mick Jagger konkurrieren kann, auch wenn er in seinen Trink- und Feiergewohnheiten lange eher an Keith Richards erinnerte, bevor er das Ruder komplett herumriss, sich noch eine weitere Chance gab und dem Alkohol abschwor. Jetzt tourt er eben ewig weiter, ob als Titelfigur seines eigenen Musicals, im "Tatort" oder auf Kreuzfahrtschiffen. Die Glühbirne Udo - einfach unkaputtbar.