Süddeutsche Zeitung

Designermöbel für Haustiere:Samt für die Pfoten

Ob stilvolle Toilette statt Katzenklo oder Hundebett für 2000 Euro - das Geschäft mit ambitioniertem Heimtier-Design brummt. Den Haustieren sind die Vorzüger exklusiver Möbel allerdings herzlich egal. Eine Marktanalyse.

Von Gerhard Matzig

In der Mitte der loungehaften Sitzlandschaft flackert ein Feuer im offenen Kamin. Das Dach lässt sich auf Knopfdruck öffnen, der Blick in den Sternenhimmel ist grandios. Marty hat sich große Mühe gegeben, um seine Bleibe cocooningmäßig durchzustylen. Man könnte sich das Ganze als Homestory in Architectural Digest vorstellen. Abgesehen davon, dass Marty jetzt nicht so der typische AD-Bauherr ist - sondern ein entflohenes Zebra.

Das neue Zebra-Zuhause ist eine Erfindung des Animationsfilms "Madagascar". Darin verschlägt es Marty vom New Yorker Zoo, zusammen mit einem eitlen Löwen, einer hypochondrisch veranlagten Giraffe und einer grandios zickigen Nilpferddame, in die sogenannte Wildnis nach Madagaskar. Und was tut das Zebra? Es macht einen auf Ambiente, Lifestyle, Wohnkultur, Lampions inklusive. Das ist absolut lustig. Allerdings bevorzugen echte Zebras statt einer Lounge dann doch eher die Grassteppe.

"Nicht die Tiere interessieren sich für Design, sondern die Menschen." Das sagt Otto Meyer, 55, Innenarchitekt und Hersteller "designorientierter und langlebiger Tiermöbel". Zusammen mit seiner Frau Christel hat er vor einigen Jahren die Firma "pet-interiors" samt Online-Vertrieb im fränkischen Lichtenfels gegründet. "Auf Anregung von Frau Schmitt." Das war offenbar keine schlechte Idee, denn das Geschäft mit ambitioniertem Heimtier-Design brummt geradezu. Design als Leckerli, die gute Form für Hund und Hamster: Das ist seit einiger Zeit ein Trend.

Frau Schmitt ist übrigens die Katze der Meyers. War, muss man leider sagen, denn sie ist im vorigen Jahr gestorben. Ihrem Bedürfnis nach einem gut gestalteten Schlafplatz, so geht jedenfalls die Firmenlegende, ist die Idee einer Möbelkollektion zu verdanken - erst für Katzen, dann auch für Hunde. "Tierisches Wohlbefinden vereint mit menschlichen Designansprüchen", erklärt Otto Meyer, das sei der Anspruch des Unternehmens.

Kein Leben ohne Design

Die Legende ist wahrscheinlich selbst eine Legende. Denn jeder Tierbesitzer weiß: egal, welches Körbchen man kauft, Hund und Katze suchen sich ihren Schlafplatz immer noch selber aus, und der perfekte Ort ist in ihren Augen leider meistens das weiche Menschen-Sofa. Aber Tierfreunde, die sich sowohl für ihren Vierbeiner als auch für Bauhaus-Design, Neue Sachlichkeit oder die Less-is-more-Formel begeistern, macht es eben glücklicher, wenn das Tiermöbel das gut durchdachte Menschen-Ambiente nicht verhunzt.

Mit Meyers smartem Entwurf "Rondo Stand", einem "Aktions- und Ruhemöbel für Katzen", befindet man sich auf der geschmacklich sicheren Seite. Das gut gearbeitete Möbel besteht aus einem Standfuß aus gebürstetem Edelstahl und einer Filz-Kuschelhöhle. Man kann das Höhlenrund aber natürlich auch in feinem Leder ordern. Dann kostet Rondo Stand 689 Euro. Im Hintergrund ist auf der Meyerschen Homepage passgenau zu Rondo die Liege "LC4" von Corbusier zu sehen - in der beliebten Kuhfell-Variante. Und das Sitzkissen "Bowl" (699 Euro in der XL-Ausgabe für Katzen von Garfield-Format) wird flankiert vom "Egg Chair", einem berühmten Sessel von Arne Jacobsen. Egg Chair, Bowl, Rondo, LC4: Das ist eine wohnliche, sehr ästhetische Überdosis Stilbewusstsein. Wozu ein großer Satz von Loriot passt: "Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos." Ein Leben aber ohne Design ist offenbar unvorstellbar.

Nachdem unsere Kinder schon mit Bauhaus-Mobiliar erfreut werden und mit einer Puppenstube, die von Zaha Hadid entworfen wurde; nachdem sich der Reihenhausgarten als Dauerausstellung für elegante Kugelgrillfronten, Lichtsteine und wetterfeste Plastik-Loungemöbel etablieren konnte; nachdem es Rollatoren gibt, die nicht nur Senioren begeistern, sondern auch die Jury vom Red Dot Award; nachdem also nahezu alle Zielgruppen bereits mit Design versorgt werden - war es nur eine Frage der Zeit, bis die Tierwelt, tendenziell eine designfreie Zone, als Nachfragepotenzial entdeckt wurde. Das gilt zumindest für jenen Teil der Tierwelt, der über ein kaufkräftiges Herrchen oder ein shoppingaffines Frauchen verfügt.

Weshalb sich die exklusiven Hundebetten der Londoner Firma Wowbow nicht nur bei Harrods oder Maison 24 kaufen lassen, sondern auch bequem vom Designersofa aus. Im Internet und mit Hilfe eines Konfigurators. Wenn man sich dann beispielsweise für das Hundebett "Mija" in der Größe "Large" entschieden hat, muss man sich für das Kissen (Memoryschaum!) noch farblich entscheiden: Fuchsia, Caramel oder Cherry? Und dann geht es zur Einhausung der Matratze, die aus einer zehn Millimeter dicken, an den Ecken tierfreundlich abgerundeten, 20 bis 30 Zentimeter hohen Acrylplatte besteht: Wir wählen die Farbe "Translucent Smoke", was endgültig an Onkel Rüdigers alten Rauchglasbeistelltisch und somit an die Verirrungen der 1970er-Jahre erinnert. Dann noch den Zur-Kasse-gehen-Button suchen . . . und, oh, also doch, sapperlot: 1600 Pfund, knapp 2000 Euro.

Etwas mehr also als das Trixie-Hundebett "Bonzo", das bei "Zoo24" ("Deutschlands großer Spezialist für Heimtierbedarf") schon ab 26,80 Euro zu haben ist. Bonzo bietet übrigens einen "besonders weichen Plüschbezug in Veloursleder-Optik sowie ein herausnehmbares Wendekissen" in Rosa, das mit aufgestickten Hundepfote-Abdrücken verziert ist. Das Weglassen von Zierde ist ja immer die eigentliche Leistung im Design: less is more - was manchmal natürlich meist more Euros bedeutet.

Um aber die Bemühungen der Gestalter auch jenseits ihrer pekuniären Überlegungen zu verteidigen: Wer sich lange genug auf einschlägigen Portalen wie Zoo24 oder in den üblichen, mitunter etwas streng riechenden, stationären Zoohandlungen herumtreibt, um das dortige Form-Angebot zu studieren, der ahnt etwas von den Segnungen des Designs. Der Katzen-Kratzbaum "Lux" ist, so die Zoo24-Website, "ein echter Hingucker", sofort lieferbar ab 53,99 Euro. Schätzungsweise würde man ein halbes Dutzend Möbel von Vitra zum Preis eines Mittelklasseautos benötigen, um die absurde Lux-Ästhetik, die an Friedensreich Hundertwasser im Dschungelcamp erinnert, aufzuwiegen. Wobei man für sein Geld auch ganz schön viel Katzenpfoten-Muster im Baumarktstil bekommt. Geschmeidig sieht anders aus. Arme, verwöhnte Kater! Kein Wunder, dass es für die Ästhetik-Snobs einen seinerseits denkwürdigen Markt für designaffine Tierhalter gibt. Lux und Bonzo sei Dank.

Bauhaus für das Tier

Wer das Gegenteil sucht, wird beispielsweise fündig im Berliner Hundeladen Feinspitz ("Designer-Hundebett aus Bugholz in Walnuss-Braun"). Das Möbel wird so beworben: "Charles Eames lässt grüßen. Echtes Angeber-Bett für Lieblingshunde". Oder man ordert gleich bei Colani: ein Katzenklo. Es ist das "erste Heimtierprodukt, designt von Stardesigner Professor Luigi Colani, der selbst mit mehr als 20 Katzen sein Leben teilt" - wie die Firma Europet Bernina wissen lässt. Wer allerdings Colani kennt, der weiß, dass es nun mal kein Produkt auf der Welt gibt, das der Meister nicht in ein dynamistisch-organisch aussehendes Stück Seife verwandeln könnte, weshalb nun auch das Katzenklo weniger an den genialen Helge Schneider, dafür mehr an die banale Notdurft des Designens denken lässt. Was aber auch für das Vogelhaus in "Bauhaus-Typologie" und für den Hamsterkäfig der klassischen Moderne gilt ("zuverlässiges Design, klare Linien, funktionelle Bauweise").

Kurt Tucholskys "Traktat über den Hund" kommt einem da in den Sinn ("Hier soll nicht einmal von jenen gesprochen werden, die ihrem Mistbatzen das Fressen aus Restaurationsschüsseln reichen . . . ", das auch ein Traktat über den Hamster, den Sittich, das Karnickel oder sonstiges Heimgetier sein könnte. Obwohl: Beim französischen Luxuslederhaus Goyard kriegen die sogenannten Mistbatzen ihr Fresschen aus dem aufklappbaren, lederbezogenen "Travel Bowl". Ab 1500 Euro, dafür in unzähligen Wunschfarben und Personalisierungsmöglichkeiten erhältlich, was Tucholsky nicht mehr erleben musste.

Kann sich eigentlich noch jemand an Wawa, den sprachschwachen, klugen Waran aus "Urmel aus dem Eis" erinnern? An den, der statt "z" immer "tsch" sagt? Er wohnt am Strand, in einer vom sprachschwachen, klugen Ping (das ist der Pinguin, der kein "sch" kann und stattdessen immer "pf" sagt) beneideten Muschel, die in diesem Falle also eine Mupfel ist. Wawa sagt: "Hier kann ich ungestört nachdenken. Die Sonne geht auf und unter und tschieht über mich hinweg, der Mond geht auf und unter und tschieht über mich hinweg . . . " Worauf Ping sagt: "Das ist aber ziemlich viel Geziehe!" Und dann will er von Wawa wissen, was der so denke in seiner Mupfel. Wawa: "Oh, tschum Beispiel, dass ich den Menschen gantsch gehörig die Meinung sagen werde, wenn ich mich erst gantsch richtig mit ihnen unterhalten kann!"

Exakt. Wir müssen reden. Über das Design und warum das zwischen der Billigliege Bonzo einerseits und dem Hundebett für Angeber andererseits eigentlich immer so ein Geziehe ist.

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SZ vom 01.03.2014/dato
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