Süddeutsche Zeitung

Design:Mit Botschaft

Schlicht in der Form, auffällig im Charakter: Möbel der jungen Berliner Marke "Objekte unserer Tage" stehen in hippen Cafés, aber auch in den Konsulaten des Landes

Von Max Scharnigg

Einmal betrat eine nette, junge Frau ihren Showroom in Kreuzberg, erzählt Reinhard Weßling. Sie bekam wie alle Kunden hier erst einen Kaffee und ließ sich dann die ausgestellten Sachen erklären. Die Besucherin erfuhr also, was sich hinter dem Firmennamen "Objekte unserer Tage" (OUT) eigentlich verbirgt: Möbel made in Germany, die so frisch und mit ihren Farben auch so zeitgemäß aussehen, wie es sich für ein junges Interieur-Label in der Hauptstadt gehört. Die aber auch so funktional und schnörkellos in ihrer Gestaltung sind und so hochwertig in ihrer Verarbeitung, dass sie ihre Besitzer durch alle Lebensabschnitte begleiten können - nicht nur durch die hippen Jahre in Berlin.

Die junge Frau hörte sich das alles an, dann erst verriet sie, dass sie beim Auswärtigen Amt arbeite und dort für die Möblierung der Niederlassungen zuständig sei. Seit diesem Tag also hat die junge Möbelmarke einen schwergewichtigen und gut vernetzten Stammkunden - eine große Ehre für das kleine Unternehmen. Wer seine Stühle und Tische in die deutschen Botschaften und Konsulate ausliefern darf, ist ja sozusagen die moderne Variante eines Hoflieferanten. Oder wie Reinhard Weßling sagt: "Wir sind total geflasht von dieser Zusammenarbeit, wenn man sich vorstellt, dass gerade ein Sofa von uns in die Botschaft nach Tallin geliefert wurde oder ein Tisch nach Canberra, das ist doch großartig!"

Besondere Kennzeichen? Leuchtrot oder Schwefelgelb

Was das Amt überzeugte, macht die 2015 gegründete Möbelmarke aber auch für den interessierten Privatkunden zu einem spannenden Anbieter. Einerseits nämlich die heimische Produktion der Möbel und Wohnaccessoires, die in mehreren Familienbetrieben in Süddeutschland stattfindet. Diese direkte Nähe zur Herstellung macht Sonderwünsche und Maßanfertigungen meistens problemlos möglich. Für ihre Karriere im diplomatischen Dienst wurden zum Beispiel die Ess- und Konferenztische verbreitert, weil Diplomaten immer gerne etwas weiter auseinander sitzen als normale Menschen. Andererseits macht OUT Preise, die trotz dieser regionalen Produktion gerade noch im erträglichen Rahmen liegen. Das Lieblingsbeispiel von Reinhard Weßling ist in diesem Zusammenhang der Armlehnen-Stuhl Wagner, eines der Flaggschiffe des jungen Labels - das moderne Sitzmöbel in Manufakturqualität heute für 380 Euro anzubieten, nennt er "eigentlich krass schwierig". Aber immer noch werden sie bei großen Aufträgen ausgestochen, weil die zeitgeistige Konkurrenz aus Skandinavien ihre Stühle hundert Euro günstiger anbieten kann - nur kommen die dann eben oft auch mit dem Container von weither. Bei OUT wollten sie aber von Anfang an deutlich machen, dass gut gearbeitete Möbelstücke mit kurzen Lieferwegen für alle möglich sind, nicht nur für eine betuchte Wohnelite.

Es war viel Idealismus dabei, als die drei Freunde 2015 überlegten, dass es Zeit wäre, eine Berliner Antwort auf die Designoffensive aus Kopenhagen und Stockholm zu finden. David Spinner brachte als Produktdesigner von der FH Potsdam die gestalterischen Ideen dafür mit, Christoph Steiger und Reinhard Weßling steuerten ihr Wissen aus PR und Unternehmensberatung bei. Ein Gründerkredit half ihnen, die ersten eigenen Stücke zu produzieren. Damit fingen sie an, bei Händlern, Kunden und auf der Kölner Möbelmesse vorstellig zu werden. "Die deutsche Möbelbranche ist allerdings sehr konservativ, die haben uns bei unserem Messedebüt ziemlich offen gezeigt, dass sie uns nicht ernst nehmen wollen", erinnert sich Reinhard. Deshalb setzten sie bei OUT von Beginn an auf alternative Vertriebswege, bauten einen opulenten Webshop und optimierten ihre Möbel schon im Entstehungsprozess für den späteren Versand.

Designer David Spinner fuhr mit seinen Entwürfen im Kofferraum auch direkt ein paar Händler an, die für neues Design offen waren. Der typische OUT-Stil war dabei von Beginn an ziemlich klar: Tisch, Stuhl, Regal, Bett in leicht verständlichen Formen, gut ausdefiniert, meist aus Massivholz, mittlerweile auch mal aus schlichtem Metall. Statt auf bekannte externe Designer setzen sie hier gerne auf eigene Entwürfe und die enge Zusammenarbeit mit jungen Talenten von der FH Potsdam. Besondere Kennzeichen sind die auffälligen Farben, die für viele der Stücke verfügbar sind - Leuchtrot beim Schulz-Stuhl etwa oder Schwefelgelb für den Standspiegel Friedrich. Diese Tendenz zur Knallfarbe ist der urbane Touch in der sonst so ruhigen Formensprache der Marke und soll auch die Vielfalt Berlins spiegeln. "Das ist eben auch unsere Lebensphilosophie, wir sind eher expressive Typen, gehen aus dem Showroom zum Feiern. Christoph und ich haben uns damals sogar im Berghain kennengelernt", sagt Reinhard. Mehrfach betont er, wie wichtig dem kleinen Team heute der Standort in Kreuzberg ist. Eine Herzblutgegend wäre das für sie, mit genau den Menschen vor der Tür, für die sie eigentlich entwerfen würden.

Neu im Sortiment: das Fetischobjekt der Deutschen

Die Marke ist aber längst über die Nachbarschaft hinausgewachsen. Durch ihre Projekte, das auffällige "House Of Out", das als Hauptquartier und Showroom dient, und engagiertes Auftreten im Netz ist OUT ein Begriff in der Branche geworden. Ein Prestigeprojekt der jüngsten Vergangenheit ist die Ausstattung des Museumscafés Dix in der Berlinischen Galerie, die Objekte unserer Tage zusammen mit dem Architekturbüro Kinzo realisierte. In der schlichten Klarheit des Museumsgebäudes fungieren die leuchtroten Barhocker oder ihr skulpturaler Takahashi-Lounge-Sessel als wohltuend dynamische Elemente.

Neben solchen öffentlich wirksamen Erfolgen spüren die Macher von OUT in ihrem Webshop aber auch deutlich die gestiegene Lust der Deutschen am Einrichten und Aufmöbeln. Es zahlt sich jetzt aus, dass man von Beginn an bestrebt war, ein Vollsortiment zu bieten: Sofa und Bett, Spiegel und Stuhl, Bank und Kissen; wer will, kann sich nahezu komplett mit dem Hauptstadtstil einrichten. Die leichtfüßigen Esstische aus Massivholz sind aber für viele Kunden der Einstig in das Haus Of Out, denn die sind absolut schwiegerelterntauglich und passen in Altbauten ebenso wie ins Neubauhaus in der Provinz oder vor Sichtbeton. Auch der jüngste Zuwachs gehört zu dieser Sparte. Reinhard Weßling nennt es das Fetischobjekt der Deutschen: einen Ausziehtisch. Handwerklich raffiniert gelöst, lässt sich der bis zum Zehnsitzer verlängern und behält dabei immer den typischen OUT-Charme: selbstbewusst, aber nicht zu aufdringlich. Wie es sich für gute Diplomaten eben gehört.

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